[KeinUmschlag]

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                                                                                              <March 5 1785 vaH>

                        HochEhrwürdiger Herr,

                        Hochzuverehrender Herr Pastor,

Es geschieht auf Veranlaßung des Herrn Hofmedikus D[okto]r Schöpf[1], daß ich mir die Freyheit nehme, Gegenwärtiges an E[ue]r HochEhrwürden abzufaßen, ob ich gleich vielleicht nicht die Ehre habe, denenselben bekannt zu seyn. Zwar ist es möglich dass Ihnen mein Name nicht ganz fremd ist, da, so viel ich mich erinnere, mein sel[iger] Vater[2], der 1778 als Professor der Oekonomie in Leipzig gestorben ist, ehedem als wir noch in Halle wohnten, mit dero wohlsel[igen] Herrn Vater in Briefwechsel[3] gestanden hat. Wenn aber auch das nicht wäre, so hat mir der H[er]r D[avid] Schöpf doch so viel Rühmliches von dero ausgebreiteten Kenntnißen und Eifer für die Wißenschaften, und dero Vaterland, erzählt, daß ich es wagen kan, einer hierdurch an denselben ergehende gehorsamste Bitte um dero Wohlwollen und Freundschaft darauf zu gründen, und mir die Gewährung derselben mit Zuversicht zu versprechen. Insondernheit ist es mir, als einem treuen Schüler des sel[igen] Linné[4] und passionierten Liebhaber der Pflanzenkunde, höchst angenehm gewesen zu hören, daß dieselben Sich um die Kentniß und den Gebrauch der Gewächse Ihres Vaterlandes Verdienste erworben haben und zu erwerben fortfahren. Ich biete Ihnen hierzu meine Dienste und Beyhülfe an. Haben Sie die Gütigkeit die Gewächse Ihrer benachbarten und auch wo möglich andrer amerikanischen Gegenden, aufsuchen und

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mir davon so wohl trockne Exemplare, als auch Saamen, zukommen zu laßen; wir wollen hier Untersuchungen darüber anstellen und Ihnen unsere Entdeckungen mittheilen. Kan Ihnen von hier aus mit <Sämereien wie auch mit [oZ]> gelehrten Zeitungen und gedruckten Neuigkeiten gedient werden, so belieben Sie nur zu befehlen. Unser zweyter Prof[essor] Theologiae, H[er]r D[oktor] Seiler[5] macht sich um die theologische Litteratur durch viele nüzliche Schriften, sonderlich solche, die beym Erziehungswesen gebraucht werden können und auch wirklich bey uns in Teutschland sehr häufig gebraucht werden, verdient. Er wünscht auch Ihren Landsleuten, die sich der teutschen Sprache bedienen, dadurch nüzlich zu werden, und hat mir versprochen, von den vornehmsten derselben mir ein Exemplar für E[ue]r Hochehrwürden zu zustellen, damit Sie solche prüfen, und wenn Sie sie zweckmäßig finden, weiter empfehlen mögen. Diese werde ich also so bald als sich eine Gelegenheit findt sie fortzubringen, denenselben zu übersenden die Ehre haben. Gegenwärtig erhalten E[ue]r HochEhrwürden nebst einem Briefe von dem H[er]rn D[oktor] Schöpf, ein Exemplar von Gronovii Flora Virginica[6], welches er gütig aufzunehmen und bey dero botanischen Beschäftigungen gefällig zu gebrauchen bittet. Wenn mir bekannt wäre was für botanische Bücher dieselben schon besitzen, so würde ich eins und das andre Ihnen fehlende haben hin-

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hinzufügen können, welches ich also auf ein anderes mal versparen muß. Ich bitte nur bey dero botanischen Bemühungen auch die Gräser und andere geringscheinende Pflanzen, Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgehen zu laßen.

Da wie ich höre, die Nymphaea Nelumbo L. oder große indianische Seerose im Delawar wächst, und E[ue]r HochEhrw[ürden] vielleicht nicht gar weit von der Stelle wo sie sich findet, wohnen, so bitte ich gehorsamst, mir wo möglich, zu einer oder etlichen gut ausgetrockneten Blumen und Blättern geneigt behülflich zu seyn,  indem Sie mir in meinem Herbario noch fehlte dero Auslagen dafür werde ich dankbarlichst erstatten.

Ich bin auch Liebhaber von den übrigen Theilen der Naturgeschichte, und gebe eine Beschreibung der vierfüßigen Thiere[7] im Verlag eines hiesigen Buchhändlers[8] heraus, wozu schon über 300 Kupferplatten gestochen sind.  Dieses Werk hat mir von S[eine]r durchl[aucht] unseren Herrn Marggrafen[9] ein angenehmes Geschenk von 2 Raccoons Männchen und Weibchen (von denen ich Junge zu sehen hoffe) und 2 Opossums, auch Männchen und Weibchen, von welchen ich aber das erstere durch den Tod verlohren u[nd] nun nur das letztere übrig habe, das so zahm ist daß es den ganzen Tag in der Stube gehalten werden kan, zu wege gebracht. Noch weiß man bey uns nicht, wie lange beyderley Thiere trächtig gehen, wie viel Jungen sie auf ein

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mal bringen und wie die jungen Raccoons aussehen.

Sehr zu bedauern ist, daß bey Gelegenheit des Kriegs nicht noch junge Skunks oder Rose cats nach Teutschland gekommen sind: wie ich höre, soll der stinkende Saft, den sie aussprühen, ein gute Arzneymittel seyn. Von dem Opossum hat man noch keine erträgliche Figur, es wäre mir also angenehm, eine machen laßen zu können.

E[ue]r HochEhrwürden erbiete ich mich zu allen angenehmen Diensten gehorsamst und beharre mit vorzüglichster Hochachtung

                                   deroselben

                                                                       gehorsamster Diener

                                                                       D[oktor] Schreber

                                                                       Prof[essor] Med[ico] Botan[ico]

                                                                                              Hist[oria] nat[urae]

Erlangen den 5. Mart[ius] 1785.


[1] Johann David Schöpf (1752-1800). Von 1767 bis 1770 Gymnasium in Hof, Herbst 1770 Studium der Medizin in Erlangen, u.a. bei Schreber, ab 1773 nach Leipzig, Wittenberg, Berlin und Wien, Italien. Rückkehr nach Erlangen und Erlangung der Doktorwürde im April 1776. Von 1777 bis 1783 Teilnahme am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg als Truppenarzt der Ansbach-Bayreuthischen Subsidientruppen. Nach Friedensschluss Reisen an der amerikanischen Ostküste, worüber er nach seiner Rückkehr 1784 einen Reisebericht verfasste. Leibarzt von Christian Friedrich Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach zwischen 1789 und 1791, später Leiter des Medizinischen Kollegs in Bayreuth. Lit.: Johann David Schöpf, Reise durch einige der mittleren und südlichen vereinigten nordamerikanischen Staaten nach Ost:Florida und den Bahama:Inseln unternommen in den Jahren 1783 und 1784, 2 Bde, Erlangen 1788; Friedrich RATZEL, s.v. Schöpf, Johann David, in: ADB 18 (1883), S. 350-352; Wolf-Dieter Müller-Jancke, Johann David Schoepf (1752-1800). A German Physician as a Botanist and Zoologist in North America, in: Pharmacy in History 20 (1978), S. 43-64.

[2] Daniel Gottfried Schreber (1709-1777), 1743 erster Universitäts-Direktor in Erlangen, ab 1747 Tätigkeit als Dozent an der Universität Halle, ab 1760 erster ordentlicher Lehrer der Weltweisheit an der Universität Bülzow, ab 1764 Professor Ordinarius der Kameral-Wissenschaften an der Universität Leipzig und Mitglied der Oeconomischen Gesellschaft.

[3] In der von Kurt Aland in fünf Bänden herausgegebenen Edition der Briefe von Heinrich Melchior Mühlenberg findet sich kein Hinweis auf diesen Briefwechsel. Kurt Aland et al., Die Korrespondenz Heinrich Melchior Mühlenbergs : aus der Anfangszeit des Deutschen Luthertums un Nordamerika, 5 Bände, Berlin/New York 1986-2002.

[4] Schreber war von 1758 bis 1761 als Schüler Linnés in Uppsala und promovierte dort 1760 mit der Arbeit De Theses Medicae, die im Tomus VI der Amoenitates Academicae . Unter diesem Titel veröffentlichte Linné ab 1749 diverse Dissertationen seiner Studenten.

[5] Georg Friedrich Seiler (1733-1807), Studium der Philosophie und Theologie in Erlangen ab 1754. Nach Zwischenstationen in Tübingen, Neustadt und Coburg ab 1769 Prof. der Theologie in Erlangen, 1772 Universitätsprediger. Lit. Georg Friedrich Seiler, Der Geist und die Gesinnungen des vernunftmäßigen Christentums zur Erbauung, Erlangen 1769.

[6] Jan Frederik Gronovius, Flora Virginica exhibens plantas quas V. C. Johannes Clayton in Virginia observavit atque collegit, 2 Bände, Leiden 1739-1743.

[7] Johann C. D. E. von Schreber, Die Säugthiere in Abbildung nach der Natur, nebst einer kurzgefassten Geschichte derselben, 62 Hefte, Erlangen 1774-1804.

[8] Johann Jakob Palm (1750-1826). Erlanger Verleger und Bücherhändler. Lit.: Christine GLAS, Johann Jacob Palm (1750-1826). Ein Erlanger Verleger und Buchhändler. Mit einer Verlagsbibliographie von 1780 bis 1826 (Reihe Erlanger Studien 78), Univ.-diss., Erlangen 1988.

[9] Christian Friedrich Carl Alexander Markgraf von Ansbach-Bayreuth (1736-1806). Lit.: Arno STÖRKEL, Christian Friedrich Carl Alexander. Der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, Univ -Diss., Ansbach 1995.