Chagall bis Malewitsch. Die russischen Avantgarden. Exkursion nach Wien

Exkursion der Slavischen Kunst- und Kulturgeschichte vom 10.-12. Juni 2016 im Rahmen des Seminars „Visionen neuer (Kunst)Welten. Die künstlerische Avantgarde im östlichen Europa“ von Prof. Dr. Ada Raev im Sommersemester 2016.


Hoch motiviert trafen wir uns am Freitagmorgen pünktlich 10 vor 7 am Bahnhof Bamberg. Zusammen mit einer Meute übermütiger Junggesellen setzte sich der Zug in Richtung Wien in Bewegung. Leicht angeschlagen, aber voller Vorfreude bezogen wir schon knappe 7 Stunden später unsere lauschigen 6-Bett-Zimmer, um uns direkt in die abwechslungsreichen Kunstwelten Wiens zu begeben.

Unsere erste Station war das Bank Austria Kunstforum Wien. Dort werden zur Zeit die außergewöhnlichen, zu kontroversen Diskussionen anregenden Werke von Balthus (1908 - 2001) gezeigt.

Diesen ersten Tag ließen wir mit einem wohlverdienten gemeinsamen Abendessen ausklingen. Die Wahl fiel bei den meisten auf das obligatorische Wiener Schnitzel im traditionsreichen und gleichermaßen absurden Ambiente des Wiener Naschmarktes.

Nach einer kurzen, aber geruhsamen Nacht und einem durchaus erfolgreichen Abstecher auf den Flohmarkt starteten wir den Samstag mit der rahmengebenden Ausstellung „Chagall bis Malewitsch. Die russischen Avantgarden“, die vom 26. Februar bis 26. Juni 2016 in der Albertina präsentiert wird.

Das theoretische Wissen über die unterschiedliche Entwicklung der Kunstströmungen in den einzelnen Slavinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars bereits im Vorfeld aneignen. Dieses sollte nun in der Praxis erprobt werden. Hierzu wurden zwei Stunden zur individuellen und intensiven Auseinandersetzung mit den gezeigten Werken eingeräumt.

Die Pause wurde zum kulturellen Gegenprogramm, d.h. zu einem Schnelleinblick in die österreichische Küche genutzt. Mit Sacher Torte oder auch Linzer Leberkas – der laut einer Teilnehmerin der weltbeste sei – stärkte man sich für die nachfolgende Diskussion. Unter dem wachsamen Blick von Franz Joseph I. diskutierte die Gruppe die zuvor in der Ausstellung gewonnenen Eindrücke. Inhaltlich zeigte sich, dass einzelne Räume zu stark polarisierenden Ansichten geführt hatten. Erwartungsgemäß fanden die Bilder von Marc Chagall, Ljubov' Popova und Kazimir Malevič ungeteilten Zuspruch. Aber auch bisher im Seminar wenig beachtete Künstler wie Pavel Filonov und Boris Grigor‘ev weckten das Interesse beim überwiegenden Teil der Gruppe. Andere identifizierten sich hingegen mit der methaphorischen Kunstauffassung von Kuz‘ma Petrov-Vodkin. Weiterführend wurden konzeptionelle Aspekte des Kuratierens von Ausstellungen besprochen. Hierfür lieferte Prof. Dr. Raev anschauliche Beispiele aus der Praxis, die Erstaunen hervorriefen, aber auch erhellende Einblicke in den Aufwand und die Mechanismen des Ausstellungsbetriebes gaben.

Mit diesem neu geschärften Blick machten sich die Teilnehmer im Anschluss erneut auf den Weg durch die Ausstellung, um sich ausgewählte Werke noch einmal anzusehen. Voller Elan wurden außerhalb des offiziellen Programms sogar noch die anderen Räume der Albertina besucht. Dort waren unter anderem noch die Ausstellung „Monet bis Picasso“ aus der Sammlung Batliner, Werke von Erwin Bohatsch, die Habsburgischen Prunkräume der Albertina, eine Fotoausstellung „Land & Leute“ sowie ein Raum mit den Druckgraphiken von Anselm Kiefer zu sehen.

Beim gemeinsamen, diesmal ganz un-wienerischen Abendessen in einem marokkanischen Restaurant wurden reichhaltige Vorspeisenplatten geteilt – auf dem Nachhauseweg Regenschirme. Dieser wurde dann auch überdurchschnittlich flott absolviert – das Fußball-EM-Spiel Russland gegen England wartete. Und so endete der Abend noch emotional und voller Euphorie.

Am Abreisetag besuchten wir noch die Ausstellung „Von Klimt, Kupka, Picasso. Formkunst“ im Unteren Belvedere. Sie bot mit zahlreichen Werken des Prager Kubismus aus tschechischen Museen wiederum Gelegenheit, die bisher gewonnenen Perspektiven zu erweitern und sich die länderspezifischen Eigenheiten der Avantgarde im östlichen Europa, aber auch internationale Austauschprozesse vor Augen zu führen. So gewannen wir vielfältige und anregende Eindrücke für weiterführende Fragestellungen, die dann im Seminar erörtert werden können.

Text: Magdalena Burger, Johanna Eichfelder, Chrissy Renker

Fotos: Eugeniya Ershova, Sabina Selimhanova, Sheyla Selimhanova, Nataliia Steiger, Ada Raev

Zeichnung: Maxim Akulov