„Icônes de l´Art Moderne. La collection Chtchoukine“ - Exkursion nach Paris

Exkursion der Slavischen Kunst- und Kulturgeschichte vom 23. bis zum 25. November im Rahmen des Seminars „Mäzene, Sammler und Museen: Kunstsammeln im östlichen Europa von der frühen Neuzeit bis heute“ von Prof. Dr. Ada Raev im Wintersemester 2016/17.

1. Tag

Der herbstlichen Kälte und der Müdigkeit der frühen Morgenstunde eines Novembertages zum Trotz trafen wir uns gegen 7 Uhr morgens pünktlich und hoch motiviert am Bamberger Bahnhof, um die lang ersehnte Exkursion nach Paris zu starten. Die gut durchgeplante Zugfahrt mit insgesamt drei Umstiegen verlief (fast) problemlos, sodass wir nach knapp sieben Stunden Reisezeit etwas angeschlagen, aber voller Vorfreude in Paris eintrafen. Die französische Hauptstadt empfing uns mit all den Besonderheiten einer bunten, lauten und großen europäischen Metropole. Mit den schnell besorgten Fahrkarten für die gesamte Exkursionszeit begaben wir uns auf den Weg zu einem modernen, jungen Hotel im ehemaligen Arbeiterviertel Belleville im Nordosten von Paris.

Dieser Stadtteil, in dem der legendäre französische Arbeiteraufstand von 1870/71 zu Ende ging, entwickelte sich mit der Zeit immer mehr zu einem Künstlertreff junger kreativer Menschen sowie zu einem Melting Pot vieler Kulturen, was uns auf dem Weg zu unserem Hotel auffiel. Nach einer kurzen Absprache über den Ablauf der Exkursionstage bezogen wir unsere Mehrbettzimmer und konnten, etwas erschöpft von den Strapazen der Reise, unseren ersten Abend in Paris frei gestalten. Ob mit dem Besuch einer der aktuellen Pariser Ausstellungen, einem leckeren Abendessen oder einem kurzen Bummel durch die nächtliche Hauptstadt Frankreichs, jeder fand für sich die eine besondere Seite von Paris, die er oder sie entdecken wollte.

2. Tag

Am nächsten Tag starteten wir nach einem gemeinsamen Frühstück zum Hauptziel der Exkursion, der Ausstellung „Icônes de l´Art Moderne. La collection Chtchoukine“ in der Fondation Louis Vuitton. Eine gründliche obligatorische Kontrolle im Eingangsbereich war recht schnell absolviert, und so konnten wir die großzügige Parkanlage mit einigen Rehen, Fischen und Vögeln erkunden. Großen Eindruck machte auf uns alle das außergewöhnlich gestaltete Ausstellungsgebäude der Fondation Louis Vuitton von Frank Gehry. Durch die temporäre Farbbandgestaltung von Daniel Buren wirkte es wie ein buntes überdimensionales Schiff, das das Meer der spätherbstlichen Parklandschaft durchquert. Frau Prof. Dr. Raev führte vor dem Besuch der Ausstellung in das Leben des Textilhändlers und Kunstsammlers Sergej Ščukin und seiner Sammeltätigkeit ein. Den theoretischen Kontext der Etablierung der neuzeitlichen und modernen Kunst im östlichen Europa, das Wissen um das Engagement slavischer Mäzene und privater Sammler im 18. und 19. Jahrhundert sowie die Geschichte erster öffentlicher Sammlungen und Museen im osteuropäischen Raum hatten sich die Studierenden bereits im Seminar angeeignet. 

Fasziniert von der Geschichte des eigenwilligen wohlhabenden Kunstsammlers aus den Kreisen der Moskauer Fabrikanten, der in seiner Liebe zur Kunst nach gesellschaftlicher Anerkennung, gezielter Provokation, ästhetischem Genuss, aber auch seelischem Trost suchte, begaben wir uns in die Ausstellung. Durch das Labyrinth der thematisch gegliederten Räume wandernd mischten wir uns unter die staunende Menge begeisterter Besucher und ließen die 130 aussagekräftigen Meisterwerke der Maler des Impressionismus und Postimpressionismus sowie anderer Künstler der Moderne und der russischen Avantgarde auf uns wirken. Beim Wandern zwischen den Räumen konnten wir außerdem einen Blick auf die groß gezogenen Schwarz-Weiß-Fotos der Kollektion werfen, die uns eine weitere Perspektive auf die Sammlung aus dem möglichen Blickwinkel eines Zeitgenossen Ščukins bot. Nach einer ausgiebigen individuellen und intensiven Begegnung mit den Exponaten trafen wir uns im Vestibül des überdimensionalen Ausstellungskomplexes, um über die neu gewonnenen Eindrücke zu diskutieren. Ob Pablo Picasso, Henri Matisse, Paul Gauguin, Claude Monet, Albert Marquet, Paul Cézanne, André Derain, Henri (Le Douanier) Rousseau, Edgar Degas, Vincent van Gogh, Camille Pissarro, Auguste Renoir, Eugène Carrière, Pierre Puvis de Chavannes, Armand Guillaumin, Paul Signac, Odilon Redon, Frank Brangwyn, Georges Braque, Edward Burne-Jones, Gustave Courbet, Charles Cottet, Maurice Denis, Henri Fantin-Latour, Xan Krohn, Maurice Lobre, Aristide Maillol, Henry Moret, James Paterson, Alfred Sisley, Frits Thaulow, Henri de Toulouse-Lautrec, Edouard Vuillard, Kazimir Malevič, Aleksandr Rodčenko, Vladimir Tatlin, Ivan Kljun, Natalia Gončarova, Paul Manzurov, Olga Rozanova, Michail Larionov, Nadežda Udal´cova, Ljubov´ Popova, Alexandra Exter oder David Burljuk, alle hatten den einen oder anderen Künstler neu oder von einer ungewohnten Seite für sich entdeckt. Erwartungsgemäß fanden die stimmungsvollen und lichtdurchdrungenen Gemälde von Monet, Degas, Renoir und Pissarro den meisten Zuspruch, aber auch die Werke von Malevič und Matisse hinterließen mit ihrer Farben- und Formenvielfalt bei der Gruppe einen bleibenden Eindruck. Ebenso konnte man eines der Anliegen der Ausstellung, nämlich die Vergegenwärtigung des Einflusses der Kollektion Ščukins auf die Formierung späterer avantgardistischer Strömungen wie Kubofuturismus, Suprematismus und Konstruktivismus, nachvollziehen. Wir waren froh, dass wir die einmalige Gelegenheit wahrnehmen konnten, diese Kunstwerke, die nach der Verstaatlichung der Kollektion schließlich auf die Eremitage in St. Petersburg und das Puškin-Museum für Bildende Künste in Moskau aufgeteilt worden waren, zusammen sehen konnten. Bei einem abschließenden Rundgang erkundeten wir auch die restlichen Ausstellungsräume der Fondation Louis Vuitton.

Am späten Nachmittag erkundeten wir individuell die eine oder andere Sehenswürdigkeit, zum Beispiel den Eiffelturm, den Triumphbogen, die Notre Dame-Kathedrale, Sacre Cœur und ließen das Pariser Flair auf den Champs-Elysees oder dem Weihnachtsmarkt auf uns wirken. Ein gemeinsames Abendessen in einem gemütlichen Restaurant nahe des Hotels rundete den erfolgreichen und überaus ereignisreichen Tag ab. Bei einem guten Gläschen Wein und einer leckeren Spezialität der französischen Küche tauschte man sich in gemütlicher Atmosphäre über Fragen der Kunst, Reisen, Sprachen, Menschen und Erlebnisse aus.

3. Tag

Nach dem Frühstück und einem zügigen Check out besuchten wir zum Abschluss unserer Exkursion das Centre Pompidou. Schon in der Schlange vor dem Eingang konnten wir mit vielen kunstinteressierten Franzosen das Besondere an dem Ausstellungsgebäude, nämlich das Rohrsystem der Verbindungen zwischen den einzelnen Stockwerken, bestaunen. Im Inneren begaben wir uns entweder auf eine individuelle Erkundungsreise durch die russische Gegenwartskunst in der Ausstellung „Kollektsia ! Art contemporain en URSS et en Russie. 1950-2000“ oder machten uns mit der Présentation des collections modernes (1905-1965) vertraut, in der auch viele erstrangige Werke der russischen Avantgarde vertreten sind. Bei der abschließenden Diskussionsrunde tauschten wir uns über jene Werke aus, die uns auf die eine oder andere Weise beeindruckt hatten. Wir waren uns einig, dass wir wiederkommen werden. Nachdem wir unser Hab und Gut aus dem Hotel abgeholt hatten, konnten wir unsere Zugverbindung nach Deutschland überpünktlich erreichen und kehrten schließlich ohne Verspätungen erschöpft, aber voller ästhetischer und kultureller Eindrücke im Gepäck zurück ins vertraute und schon wieder so sehr vermisste Bamberg zurück.

Die auf der Exkursion gewonnenen neuen Perspektiven, überraschenden Erkenntnisse und vielfältigen Eindrücke zur Sammlertätigkeit im östlichen Europa am Beispiel der Sammlung Sergej Ščukins bereicherten unser themagebendes Seminar und regten zu neuen Fragestellungen, spannenden Diskussionen und tiefergreifenden Recherchen an. 

Text: Valeriya Kogan, Nataliia Steiger
Fotos: Rainer Baumann, Stanimir Bugar, Valeriya Kogan, Ada und Boris Raev