Forschungsprojekt: „Castrapo“ und „Chapurrado“: Produkte des galicisch-kastilischen Sprachkontakts in kontaktlinguistischer und soziolinguistischer Sicht

Beschreibung

Die in Galicien gesprochene regionale Varietät des Spanischen ist stark vom Galicischen beeinflusst und kann wohl bereits als eigenständige Regionalsprache bezeichnet werden, zumal es für sie auch eine besondere Bezeichnung gibt, nämlich Castrapo (‚Lumpenkastilisch‘). Neben dieser für die kastilische Regionalsprache Galiciens verwendete Bezeichnung ist auch das Wort chapurrado in Gebrauch, das auch sonst im Spanischen in der Bedeutung ‚Kauderwelsch‘ verwendet wird (etwa wie patois im Französischen). Schon die besondere – wenn auch pejorative – Bezeichnung zeigt, dass es sich um eine besondere Sprachform handelt, die auch das Galicische vor allem in Ballungsräumen zu ersetzen droht.

FragestellungAus kontaktlinguistischer Perspektive ist die Entstehung dieser neuen Sprachform in Galicien interessant. Dabei ist zu untersuchen, inwiefern es sich um eine oder mehrere Mischvarietäten (Interimssprachen) zwischen Kastilisch und Galicisch handelt. Wo und unter welchen Umständen entstehen Mischvarietäten und wo und unter welchen Umständen verdrängen sie das Galicische? Die folgende Hypothese kann aufgestellt werden: Dort wo das Galicische stärker vom Sprachtod bedroht wird, ist die Entstehung einer neuen regionalen Ausgleichsvarietät schon aus identitätsstiftenden Gründen besonders wahrscheinlich.Sind die mit Castrapo oder Chapurrado bezeichneten Mischvarietäten in ihrer Position zwischen galicisch und Kastilisch also möglicherweise ein Bekenntnis zu einer vor allem urban geprägten Identität in Galicien? Oder spielen doch utilitaristische Erwägungen eine vorrangige Rolle? Ist die Verwendung einer Mischvarietät eine neue Form der Identifikation mit galicischen Traditionen, ggf. bei gleichzeitiger Hinwendung zum bzw. Akzeptanz des Spanischen, oder ist die Mischvarietät gerade ein Zeichen von Identitätsverlust?Kontaktlinguistische PerspektiveIm Sprachkontakt entstehende Mischsprachen sind (zunächst) äußerst instabil (Interimssprachen) und lassen sich nur sehr schwer grammatisch beschreiben. Dennoch soll versucht werden, charakteristische Eigenschaften, die sich aus dem Kontakt ergeben (direkte Interferenzen des Galicischen, Hyperkorrekturen und andere Innovationen, die nicht direkt auf die Kontaktsprachen zurückgeführt werden können), zu beschreiben. Nach einer zunächst umfassenden qualitativen Erfassung der strukturellen Eigenschaften der neuen Sprachform, sollen für einschlägige strukturelle Phänomene auch mit quantitativen Methoden der Grad der Variation bzw. der Fixierung zu einem neuen Kode ermittelt werden. Dabei steht eine Charakteristik des emergenten Sprachsystems im Vordergrund sowie die Frage nach der Stabilisierung der Interimssprache.

Soziolinguistische Perspektive

Aus soziolinguistischer Sicht sind die folgenden Fragen zu untersuchen: In welchen sozialen Kontexten treten Mischvarietäten auf? In welchem Zusammenhang steht die Stärkung des galicischen (zum Beispiel im Schulsystem) mit der Verwendung von Mischvarietäten? Aufgrund von sprachplanerischen Maßnahmen ist eine Veränderung der Mischvarietäten zu erwarten. Wo werden die Mischvarietäten gesprochen? Dienen sie der Verständigung mit Sprechern, die des galicischen unkundig sind oder handelt es sich (auch) um ein familiäres Phänomen? Worin unterscheidet sich die Verwendung im Vergleich der Generationen? Inwieweit führt die Verwendung von Mischvarietäten zu einer Stigmatisierung?

Förderung

Das Projekt wurde von 2009 bis 2012 aus Drittmitteln der Volkswagenstiftung gefördert. 

Bearbeitung

Angelika Schubert, M.A. (Stipendiatin)