SCHLOSS BAYREUTH UND SEINE STUCKAUSSTATTUNG

G. B. PEDROZZIS WIRKEN IM BÜRGERLICHEN UMFELD DES MARKGRAFEN: MATERIALTECHNIK DES ROKOKO

Bearbeiter: Dipl.-Ing. (FH) Jörg Rehm

Betreuung: Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling

Kontakt: Staatliches Bauamt Bayreuth . Wilhelminenstr. 2 . D-95444 Bayreuth

Der aus Lugano stammende Stuckateur Giovanni Battista Pedrozzi ist einer der bedeutendsten Künstler des „Bayreuther Rokoko“ im 18. Jahrhundert und hat für das Markgrafenpaar Friedrich und Wilhelmine berühmte Werke geschaffen. 1760 stuckiert er im „General-Gravenreuther-Haus“ des Alten Schlosses mehrere Zimmer. Der Stuck ist weitgehend unbekannt, stellt jedoch ein bedeutendes Zeugnis bürgerlichen Lebens dar. Das kräftige Konsolgesims war Vorbild für die Ausstattung des Gartensaals im Italienischen Bau durch Pedrozzi. Komplexe Schäden gefährden den Stuck in seiner Erhaltung. Die Böden fallen zum Gebäudeinneren, die Querwände reißen von der Fassadenmauer ab, haben sich gesetzt und knicken aus. Die Stuckgesimse sind vielfach gerissen. Der Putz faltet sich an den Wandrissen auf und blättert ab. Die Decke über dem Saal schwingt und biegt sich durch. Die Klärung der verantwortlichen Ursachen war Anlass zu einer umfassenden Begutachtung.

Methoden

Die Verformungen der stuckierten Räume wurden mithilfe der 3D-Scantechnik im März 2008 durch die Otto-Friedrich-Universität Bamberg unter Mitwirkung des Verfassers festgehalten und später durch den Scan der Fassaden ergänzt. Im Spätsommer wurde eine umfassende Bauaufnahme durchgeführt. Das Gebäude wurde tachymetrisch vermessen. Aus den digitalen Daten konnten Grundrisse, Schnitte, sowie ein dreidimensionales Modell generiert und die räumlichen Lagebeziehungen exakt festgestellt werden.

Anhand von digital entzerrten Fotos wurden die Risse im Saal des 1. Obergeschosses und an der Ostfassade dokumentiert. Durch gezielte Öffnungen wurden die Wand- und Deckenaufbauten festgestellt. Mithilfe einer dendrochronologischen Untersuchung konnten einige verbaute Hölzer datiert und in den Gesamtzusammenhang gebracht werden.

Baugeschichte

Die gewonnenen Erkenntnisse wurden mit den Angaben der verfügbaren Literatur und Archivalien verglichen und in den historischen Kontext gestellt. So konnte die bauliche Entwicklung des Saalbaus, der im Kern aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt, anhand von Bauphasenplänen geklärt werden.

Diese stellen die zentrale Voraussetzung für die Erkenntnisse über die Ursachen der Schäden dar. So steht das bauzeitliche vierachsige Kellergewölbe im Widerspruch zur fünfachsigen barocken Fassadenüberformung. Die ursprüngliche Südfassade wurde im 17. Jh. ab dem Erdgeschoss weitgehend abgerissen, um das Gebäude zu erweitern. Die Binnenstruktur wurde somit komplett verändert und der Dachstuhl erneuert.

Schadensgutachten

Im Ergebnis kommen die fehlerhaften Ablastungen der barocken Binnenwände, die durch die Herausnahme der Gewölbe im Erdgeschoss nach der Überformung der Fassade hervorgerufen wurden, als Ursachen für die Schadensbilder in Frage. So finden die Holzständerwände der oberen Geschosse kein direktes Pendant im Erdgeschoss und stehen weitgehend frei auf den Deckenbalken. Dies führte zu den genannten Abrissen und zu punktuellen Lasteintragungen an einzelnen im EG querenden Wänden mit der Folge, dass in diesen Bereichen die Holzständer ausknickten. Die Schrägstellung der Außenwände mit charakteristischen Rissbildern in den Brüstungsfeldern ist auf die Einleitung von Horizontalkräften aus dem Dachstuhl zurückzuführen.

Die Maßnahmen der 1970er Jahre, als u.a. im EG von unten eine Stahlbetonträgerverbunddecke eingebaut und die Zerrbalkenlage des Daches aufgefangen wurde, scheinen eine Reaktion auf die schon damals virulenten Schäden gewesen zu sein. Eine Sanierung des Stucks unterblieb in dieser Zeit, sodass er im Zustand der 1950er Jahre verblieb. Anhand einfacher statischer Berechnungen, Analysen und konstruktiver Überlegungen ist festzustellen, dass jene Maßnahmen den Status Quo gesichert haben.

I/2009