Das Südportal der Kathedrale Saint-Étienne in Meaux

Rekonstruktion des Bauablaufs, Veränderungsgeschichte und bautechnikgeschichtliche Einordnung

Leitung: Prof. Dr. Stephan Albrecht, Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling

Mitarbeiter: Tobias Apfel, Nora Bruske, Jan Fuhrmann, M.A., Jürgen Giese, M.A., Heike Müller, Max Rahrig, Christopher Retsch, Jakob Scharf, Henriette Thorau, Dipl.-Ing. Nils Wetter, M.A.

 

Der Ursprungsbau und seine Bautechnik

Nach der stilistischen Datierung ist die komplette Südwand des Querhauses der Kathedrale von Meaux im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts neu aufgerichtet worden. Vom ursprünglichen Bestand der Zeit um 1240 haben sich an der Südquerhauswand nur noch die beiden innen liegenden Eckbündelpfeiler erhalten, welche sich dieser Phase zuordnen lassen (Abb. 06; Vgl. KURMANN 1971). Innenbau und Außenschicht der Südwand besitzen unterschiedliche Steinhöhen, dennoch ist der Querschnitt durchs Mauerwerk logisch. Portalgewände und Türrahmen stehen bis zum Kämpferpunkt der Archivolten im Verband (Abb. 07). Die Gewändesteine des Portals sind ähnlich den Westportalen präzise geplant worden (Abb. 01, 02, vgl. auch Poster 1, Abb. 05).

Tympanon und Archivolten sind nicht miteinander verzahnt. Die Fuge dazwischen ist gerissen. Die innere Archivolte ist entsprechend der Bogenstatik unmittelbar nach Fertigstellung auf beiden Seiten durch ihr Eigengewicht ca. 8 mm nach außen geschoben worden (Abb. 04). Der Tympanon-Block muss vor den Blöcken der Archivolten versetzt worden sein. Insgesamt passen Entwurf, Stil, Bautechnik und die Rekonstruktion des Bauablaufes gut zusammen.

Alle Teile des inneren Portalgewändes, des Tympanons und der Rückwand mit dem Blendmaßwerk dürften daher einheitlich im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts entstanden sein und wären in ihrer Substanz mit Oberfl ächen, Fugen und Skulptur trotz der Überarbeitung im 19. Jahrhundert bemerkenswert gut erhalten.
Die Innenwand des südlichen Querhauses ist in einer Weise errichtet, die sich mit dem Begriff der „Stapeltechnik“ (nach KIMPEL/SUCKALE 1985) nur unzureichend beschreiben lässt (Abb. 03).

Die vertikalen Profile sind durch vorgefertigte Quader unterschiedlicher Größe gebildet. Die Gesamthöhe eines “Stapels” wird durch individuelle Steinhöhen erreicht. Der Zwischenbereich ist jeweils mit eingepassten Quadern ausgefüllt worden, deren Steinmaterial sich von dem der Profilsteine unterscheidet. Der Versatz erfolgte größtenteils in Lagen, da überkragende Profilsteine mit dem Füllmauerwerk verzahnt sind. Die Trennung von Vorfertigung und Versatz vor Ort führten in der Folge zu einem uneinheitlichen Fugenbild. Das Modell der “Stapeltechnik” lässt sich hier also auf den Planungs- und Herstellungsprozess,  weniger aber auf die Bauausführung anwenden, die weitgehend in Lagen erfolgte. Es ist daher zu vermuten, dass die Vorfertigung sehr zeitnah zum Versatz lag.

Spätere Veränderungen

Über weitere mittelalterliche Bauphasen ist nichts bekannt. 1562 (i) sind den Skulpturen Köpfe, Attribute und teilweise auch Arme abgeschlagen worden. Nur bei den obersten Figuren des Tympanons (Gottvater und zwei Engel) und zwei der originalen Archivoltenfiguren sind noch die Köpfe erhalten. Von einer vermutlich barocken Architekturfassung in Gelb mit weißem Fugenstrich haben sich nur im Innenraum noch Reste erhalten.

 

Ab den 1840er Jahren kam es zu umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen. Der östliche Treppenturm wurde fast vollständig neu gegründet und aufgemauert. Die
Strebepfeiler rechts und links des Portals bestehen aus neuen Steinen großen Formats, deren Oberflächen mit einem ca. 7 cm breiten Zahneisen gearbeitet  wurde. Ab 1860 wurde fast der gesamte Innenraum mit einem ca. 5 cm breiten Zahneisen überarbeitet. Außen wurden das Südportal und die angrenzenden Bauteile stark überarbeitet oder ausgetauscht (Abb. 05).

Hierzu gehören der ganze Sockelbereich, die Wandflächen neben dem Portal, die
äußerste Archivolte und die Wimperge. Die Zahneisenspuren entsprechen denen des Innenraumes. Das Fugenbild dieser neuen Teile ist sehr einheitlich gestaltet.