Bericht zur Exkursion Malaysia und Singapur im Februar 2023

Vom 15. bis 26. Februar 2023 war der Bamberger Lehrstuhl für Islamwissenschaft mit einer Gruppe von zwölf Studierenden des Instituts für Orientalistik auf Exkursion in Malaysia und Singapur. Ziel war die Erkundung der vielfältigen Erscheinungsformen des Islams in den beiden südasiatischen Ländern, wobei auch die interreligiösen Beziehungen in den Blick genommen wurden. Unsere erste Station war Singapur, wo wir einige der religiösen Stätten besichtigen konnten. Wir begannen am Abend des ersten Tages mit einem Besuch der Kampong-Melaka-Moschee, der ältesten Moschee in Singapur, die tief in der malaiischen Kultur verwurzelt ist. Ferner erkundeten wir den Sri-Mariamman-Tempel und die Chulia-Freitagsmoschee, die zwar mitten in Chinatown liegen, aber wichtige Kultstätten der tamilischen Minderheit sind. Am Abend genossen wir lokale Delikatessen auf dem Pasar Malam, einem traditionellen Nachtmarkt, der eine große Auswahl an Speisen und Kunsthandwerk bietet.

Am zweiten Tag besuchten wir den Nagore Dargah, einen Schrein der tamilischen Muslime, der ihrem Hauptheiligen Shahul Hameed (gest. 1579) gewidmet ist und eine kleine Replik des Dargahs von Nagore in Südindien darstellt. Eine Ausstellung in seinem Inneren brachte uns die Geschichte der tamilischen Muslime in Singapur nahe. Anschließend besichtigten wir den Tiang Hock Keng, einen Tempel der Hokkien-Chinesen, in dem die daoistische Meeresgöttin und Himmelskönigin Tianhou verehrt wird. Eigentlich wollten wir auch das Grabmausoleum von Habib Noh (gest. 1866), dem muslimischen Stadtheiligen von Singapur, erkunden, doch fanden wir ihn verschlossen vor. Am Nachmittag fuhren wir zur Nanyang Technological University und hatten dort Gelegenheit, mit dem Soziologen Kamaludeen Bin Mohamed Nasir zu sprechen, der uns Einblicke in die Beziehung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Singapur gab. Zum Abschluss des Tages besuchten wir die Sultan-Moschee in der Arab Street in Kampong Glam, dem malaiischen Viertel von Singapur.

Am dritten Tag überquerten wir die Grenze zu Malaysia und erreichten Malakka. Hier besuchten wir zunächst die portugiesische Festung A Famosa, ein Überbleibsel der kolonialen Vergangenheit Malakkas, und erkundeten anschließend die Kampung-Hulu-Moschee, die Kampung-Kling-Moschee und den Grabschrein des sumatranischen Mystikers Schams ad-Dīn as-Samatrānī (gest. 1630), der zu den wichtigsten Vertretern der Wahdat-al-Wudschūd-Lehre in Südostasien gehörte. Am Abend besuchten wir den lebhaften und pulsierenden Nachtmarkt. Am nächsten Morgen ging es dann weiter nach Pulau Besar, einer Meeresinsel südlich von Malakka, auf der verschiedene islamische Heilige verehrt werden. Wir besichtigten dort den Schrein des Hauptheiligen Sultan al-Arifin und ließen uns von den lokalen Heiligtumswärtern über die Geschichte und weitgespannten famliären Netzwerke der auf der Insel begrabenen Heiligen informieren. Was uns besonders ins Auge fiel, waren die zahlreichen Schilder der lokalen islamischen Religionsbehörde, die davor warnen, unorthodoxe religiöse Praktiken durchzuführen, und bei Zuwiderhandlung mit harten Strafen drohen.

Am Nachmittag reisten wir nach Kuala Lumpur weiter und besuchten dort das Islamic Arts Museum Malaysia, das größte Museum für islamische Kunst in Südostasien. Hier hatten wir auch Gelegenheit, eine Sonderausstellung über traditionelle Kris-Dolche aus der Sammlung des Sultans von Selangor zu besichtigen. Am nächsten Morgen fuhren wir zum Büro der Frauenrechtsorganisation Sisters in Islam in Petaling Jaya und hatten ein längeres Gespräch mit der geschäftsführenden Direktorin Rozana Isa, die uns sehr anschaulich von dem Einsatz ihrer Organisation für die Rechte von muslimischen Frauen in Malaysia erzählte. Für den Nachmittag war ein zweiter offizieller Termin angesetzt, nämlich bei JAKIM, der föderalen malaysischen Behörde, die für die Verwaltung des Islam in Malaysia zuständig ist. Hier hatten wir die Möglichkeit, Antworten auf unsere Fragen zur malaysischen Islam-Politik, zum Verhältnis zwischen JAKIM und anderen malaysischen Behörden mit religionspolitischer Zuständigkeit und zu den interreligiösen Beziehungen in Malaysia zu stellen. Da sich der Sitz der Behörde in Putrajaya, der Verwaltungshauptstadt Malaysias, befindet, nutzten wir die Gelegenheit, um auch die 1997 bis 1999 errichtete Putra-Moschee, eine der größten und prächtigsten Moscheen Südostasiens, zu besichtigen. Der sehr engagierte örtliche religiöse Beamte erklärte uns nicht nur alle technischen Einzelheiten der Moschee, sondern führte uns auch in die unterirdischen Räumlichkeiten, in denen die rituelle Leichenwaschung stattfindet, und erkärte uns den Ablauf dieser Prozedur. Am letzten Tag in Kuala Lumpur besuchten wir am nördlichen Stadtrand das malaiische Verlagshaus Khazanah Fathaniyah, das sich der Edition von alten Werken malaiischer Religionsgelehrter widmet, sowie die beeindruckenden Batu-Höhlen am Stadtrand, die Murugan, dem wichtigsten Gott der tamilischen Hindus, gewidmet sind. Anschließend fuhren wir zu den berühmten Petronas Towers, der Nachmittag stand zur freien Verfügung.

In der Nacht ging es weiter mit dem Zug nach Kota Bharu, dem Hauptort des im Nordosten gegelegenen Bundesstaates Kelantan, der stärker als die Westküste vom traditionellen malaiischen Islam geprägt ist. Da wir leider keine Fahrkarten für den Liegewagen bekommen hatten, war die Nacht etwas anstrengend, doch wurden wir am Vormittag durch zauberhafte Ausblicke auf die Dschungellandschaft des südlichen Kelantan belohnt. In Kota Bharu angekommen, besuchten wir die etwas außerhalb gelegene Kampung-Laut-Moschee, die als die älteste Moschee Malaysias gilt und in Holzarchitecktur ausgeführt ist, und kehrten anschließend mit einem Boot auf dem Kelantan-Fluss nach Kota Bharu zurück, wo wir noch Gelegenheit hatten, die kolonialzeitliche Masjid Muhammadi zu besichtigen. Der nächste Vormittag war dem islamischen Schulwesen in Kota Bharu gewidmet. Wir besuchten zunächst den reformorientierten Surau al-Islah, der sich an den Soziallehren des indischen Gelehrten Schāh Walī Allāh (gest. 1762) orientiert, und anschließend den Pondok Fatima dan Ghani, ein auf private Initiative hin neu eingerichtetes Wohnheim, in dem sich Menschen verschiedenen Alters unter Anleitung islamischer Gelehrter religiösen Studien widmen können. Anschließend erkundeten wir den Tagesmarkt, auf dem ausschließlich von Frauen eine große Auswahl an lokalen Handwerksprodukten angeboten wird. Was uns in Kota Bharu besonders auffiel, war die starke Präsenz der arabischen Jawi-Schrift im öffentlichen Raum. Sie ist nicht zufällig, denn wie wir erfuhren, besteht in der Stadt für alle Geschäfte die Pflicht, Namen auf Firmenschildern nicht nur in Lateinschrift, sondern auch in Jawi-Schrift anzugeben.

Am Nachmittag fuhren wir mit dem Bus weiter nach Penang an der Westküste, wobei wir an der eindrucksvollen chinesischen Sultan-Ismail-Petra-Moschee vorbeikamen und die großartige Landschaft des Waldreservats Belum-Temenggor an der Grenze zu Thailand durchquerten. In Georgetown, Penang, angekommen, fuhren wir am nächsten Vormittag zunächst in den südlichen Vorort Jelutong, um dort das ehemalige Wohnhaus und das Grab von Sayyid Shaykh al-Hadi zu besuchen. Al-Hadi war einer der wichtigsten islamischen Reformgelehrten im malaiischen Archipel zu Beginn des 20. Jahrhunderts und verfasste, um seine Ideen von Reformislam zu popularisieren,  den Roman Hikayat Faridah Hanom. Wir durften sogar das Innere seines Wohnhauses besichtigen, allerdings stellten wir fest, dass dort keine Spuren mehr von seinem ursprünglichen Bewohner zu sehen waren. Es dient schon seit 1947 der chinesisch-buddhistischen Gemeinde als Guanyin-Tempel und ist im Inneren mit einem buddhistischen Altar ausgestattet.  Am Mittag fuhren wir in die Stadt zurück und besuchten das prachtvolle chinesische Clanhaus Khoo Kongsi. Der Nachmittag stand wieder zur freien Verfügung. Einige nutzten die Gelegenheit, um den Strand von Batu Ferringhi besuchen, andere erkundeten weiter die Altstadt von George Town mit ihrem kolonialen architektonischen Erbe bzw. besuchten den Kek-Lok-Si-Tempel, den größten buddhistischen Tempel in Malaysia. Den letzten Abend der Reise ließen wir in einem Restaurant in Little India ausklingen. Von Penang aus flogen wir über Hongkong nach Deutschland zurück.

Die Exkursion, an der acht Master- und vier Bachelor-Studierende teilnahmen, wurde von Prof. Dr. Patrick Franke und Dr. Philipp Bruckmayr geleitet. Sie fand begleitend zu dem Seminar "Islam in Südostasien: Minderheiten- und Mehrheitenkontexte" von Herrn Bruckmayr statt. Finanziert wurde die Reise durch staatliche Studienzuschüsse und Mittel des Elite-Netzwerks Bayern.

Der Bericht wurde von Mehdi Poyan und Patrick Franke verfasst.