Lesung und Gespräch mit der argentinischen Autorin Alicia Kozameh

»Über die Verarbeitung der argentinischen Militärdiktatur in Pasos bajo el agua(1987)«

Bamberger Vorträge zur Lateinamerikanistik

Bamberg, am Donnerstag, den 18. Juni 2015.

Alicia Kozameh kam 1953 in Rosario (Argentinien) zur Welt und begann mit zwanzig Jahren »Filosofía y Letras« in ihrer Heimatstadt zu studieren. In der militanten Partido Revolucionario de los Trabjadores (PRT) nahm sie an linksmotivierten Aktionen teil und wurde schließlich aufgrund ihres politischen Engagements verhaftet. In Pasos bajo el agua verarbeitet Alicia Kozameh ihre Erfahrungen während der argentinischen Militärdiktatur und sprach in Bamberg bezüglich des aktuellen Forschungsprojekts »Schmerz und Empathie nach den Iberoromanischen Diktaturen: Narrationen, Filme und andere Kunstformen« der Professur für Romanische Literaturwissenschaft/Hispanistik über die notwendige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Frau Kozameh unterrichtet derzeit an der Chapman University (Kalifornien, USA) creative writing.

Im Rahmen der Lesungen zur Lateinamerikanistik und des Seminars »Hernán Valdés und die literarische Aufarbeitung der chilenischen Diktatur« von Katharina E. Scheffner hielt Alicia Kozameh einen mitreißenden und aufwühlenden Vortrag an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Erna Pfeiffer, Institut für Romanistik der Universität Graz, reiste die argentinische Autorin nach Bamberg, um über ihre Werke und die Erlebnisse während der letzten Militärdiktatur (1976–1983) in Argentinien zu sprechen.

Trotz ihrer politischen Linkspositionierung distanziert sich Alicia Kozameh bewusst von peronistischen Gruppierungen und den sogenannten Montoneros. Nachdem Alicia Kozameh 1975 im berüchtigten Frauengefängnis »Sótano« (Keller) in Rosario inhaftiert war, wurde sie ein Jahr später nach »Villa Devoto« in Buenos Aires verlegt. Während ihrer Haft glückte es Alicia Kozameh nicht nur poetische und tagebuchartige Texte zu verfassen, sondern auch den Gefängnisalltag mithilfe von Codes verschlüsselt festzuhalten. Bezüglich der Aufzeichnungen war größte Vorsicht geboten, da es nicht gestattet war, Aufzeichnungen jeglicher Art aus dem Gefängnis mitzunehmen.

An Weihnachten 1978 kam die Autorin aufgrund einer Amnestie frei, musste sich jedoch nach ihrer Entlassung regelmäßig bei der Polizei melden und war weiteren Schikanen ausgesetzt. Alicia Kozameh erhielt 1980 einen Pass und ging für drei Jahre ins Exil nach Kalifornien, anschließend nach Mexiko und kehrte 1984 nach Buenos Aires zurück. Drei Jahre später folgte die Publikation ihres autofiktionalen Romans Pasos bajo el agua (deutsch: Schritte unter Wasser, 1999), woraufhin die Argentinierin erneut von der Polizei unter Druck gesetzt wurde.

Während Alicia Kozamehs Vortrag in Bamberg schilderte sie eindrucksvoll die Situation, mit der sie sich Monate nach der Veröffentlichung von Pasos bajo el agua konfrontiert sah. Von der Polizei in Buenos Aires bekam sie zu hören: »Nadie te dijo que podrías volver« (deutsch: »Niemand sagte dir, dass du zurückkommen könntest«). Die Schriftstellerin war bereits mit derartigen Bedrohungen vertraut, doch wollte sie das Leben ihrer Tochter nicht in Gefahr bringen und ging deshalb endgültig zurück in die Vereinigten Staaten, wo sie bis heute lebt.

In Bamberg stellte Kozameh die Frage in den Mittelpunkt, ob es überhaupt möglich sei, über Themen wie Tod, Folter oder andere schreckliche Begebenheiten zu schreiben. Antwort darauf geben ihre Texte, in denen sie genau diese Erfahrungen verarbeitet. Die Anwesenden erhielten mit Kozamehs Vortrag einen Einblick in das bewegte Leben der Argentinierin und ihren Erfahrungen während der repressiven Militärdiktatur. Insbesondere für die Studierenden des Seminars »Hernán Valdés und die literarische Aufarbeitung der chilenischen Diktatur« stellte Kozamehs Bericht eine Bereicherung dar, denn dieser bot einen aussagekräftigen Vergleich mit der Situation während der Diktatur in Chile und ermöglichte Eindrücke in den Alltag während einer Militärdiktatur. Im Anschluss an den Vortrag folgte eine angeregte Diskussion, in der auch persönliche Fragen beantwortet wurden und die Schriftstellerin auch über den Schreibprozess an sich reflektierte.

(von Sophie Obinger, Juni 2015)