F. Palacios

Professor Rodrigues-Moura stellt Frau Prof. Teresa Pinheiro vor.

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Frau Pinheiro beginnt ihren Vortrag, …

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… der endet mit einer lebendigen Debatte

F. Palacios

Plakat zum Vortrag

Vortrag von Prof. Dr. Teresa Pinheiro – TU Chemnitz

Bamberg, am Dienstag, 8. Januar 2019, 08:30 Uhr, An der Universität 2, U7/01.05

»Portugiesische Erinnerungs-kulturen im iberischen Kontext«
Bamberger Vorträge zu Iberian Studies

Am 8. Januar 2019 hielt Prof. Dr. Teresa Pinheiro von der TU Chemnitz einen Gastvortrag zum Thema »Portugiesische Erinnerungskulturen im iberischen Kontext«. Die Professur für Romanische Literaturwissenshaft mit dem Schwerpunkt Hispanistik ermöglichte den Studierenden damit im Rahmen der Lehrveranstaltung »Erinnerungskulturen auf der iberischen Halbinsel: Literatur und Medien« ihren Blick über das Schwerpunktsland Spanien hinaus auszuweiten und das in der Lehrveranstaltung erworbene Wissen vergleichend der Beschäftigung mit der Vergangenheit in Portugal gegenüberzustellen. In den Fokus gerückt wurden vor allem die markanten Ereignisse des 20. Jahrhunderts, Diktatur, koloniale Präsenz in Afrika und Umbrüche nach der Nelkenrevolution und deren Aufarbeitung sowohl in wissenschaftlicher Analyse als auch in der Medienwelt und im Alltag der Menschen. Inspiriert von den Wünschen und Fragen, die in der Debatte im Anschluss daran geäußert wurden, gab Prof. Dr. Pinheiro einen gelungenen Überblick über die umfangreiche Thematik.

Nach einer knappen Einführung durch Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura, wurde der Vortrag mit einer zusammenfassenden Wiederholung der geschichtlichen Ereignisse in Spanien im 20. Jahrhundert begonnen, welche schon zuvor Gegenstand der Lehrveranstaltung gewesen waren.

In Portugal lassen sich einige Parallelen zur spanischen Geschichte erkennen, jedoch unterscheidet sich die historische Entwicklung der beiden Nachbarstaaten doch sehr deutlich. Es folgte daher an dieser Stelle ein Überblick über die portugiesische Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Immer wieder wies Frau Pinheiro dabei auf den 5. Oktober hin. Ein Datum, dem in Portugal große Bedeutung beigemessen wird. So erklärt die Referentin, dass am 5. Oktober  1910 die sogenannte Erste Republik in Portugal ausgerufen worden ist, die bis zum Jahre 1926 bestand. Diese konnte aber, so Frau Pinheiro, mehr als ein Elitenprojekt verstanden werden, da sie keine starke Modernisierungskraft aufwies. Es gab in dieser Republik zum Beispiel kein Wahlrecht für Frauen. Das Ende der Ersten Republik markierte ein Militärputsch, auf den die Diktatur Salazars und später die seines Nachfolgers Caetanos folgte. Dabei wird ganz bewusst ein Vergleich mit der Diktatur Francos in Spanien angeführt. Ebenso wie in Spanien ging auch in Portugal ein Krieg mit diesen politischen Umwälzungen einher. Der portugiesische Krieg ereignete sich jedoch nicht am Anfang der Diktatur und brachte somit keinen Diktator an die Macht, sondern beendete dieser die Diktatur und zeigte sich in Gestalt eines 13-jährigen Kolonialkrieges in Übersee. Es waren schließlich die Militärs selbst, die einen Streich gegen den Kolonialismus und gegen die Diktatur wagten. Herbeigeführt wurde dadurch am 25. April 1974 die sogenannte »Nelkenrevolution« und mit ihr das Ende des Kolonialkriegs und das Ende der Diktatur. An dieser Stelle zeigten die Studierenden besonderes Interesse an der heutigen Auffassung der portugiesischen Kolonialgeschichte, welche immer noch ein wichtiger Bestandteil und Identifikationsfixpunkt der Kultur zu sein scheint.

Wie in Portugal mit dieser Vergangenheit umgegangen wird, teilt Frau Pinheiro schematisch in drei Phasen ein, welche sich deutlich in ihren grundlegenden Richtungen unterscheiden. So kam es in Portugal nicht wie in Spanien zu einer langsam fortschreitenden Transición, sondern zu einem radikalen Bruch mit der Diktatur bis 1976. Man spricht hierbei von dem sogenannten PREC (Processo Revolucionário em Curso), einem permanenten revolutionären Prozess. Im Zuge dieser revolutionären ersten Phase folgten zum Beispiel die Entfernung von wichtigen Symbolen des »Estado Novo« (z.B. Straßennamen, Verhüllung oder sogar Enthauptung von Stauten und Monumenten) und die Etablierung von Erinnerungsorten der Demokratie.

Als zweite Phase, ging Frau Pinheiro auf die sogenannte Vergessenskultur im demokratischen Portugal bis in die 90er Jahre ein. Diese stand im Kontext einer politischen Normalisierung, die 1976 die Verfassung, Parlaments- und Präsidentschaftswahl mit sich brachte. Damit wurde der Verurteilung gegenüber der Diktatur zeitweilig weniger Bedeutung beigemessen und es folgte eine Phase der Europäisierung.

Zuletzt sprach die Referentin von der Zeit der Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses, welche seit 1990 stattfindet.. Diese kann mit Vorgängen wie der globalen Erinnerungskonjunktur, medialer Revolution, Konsolidierung einer neuen europäischen Identität und speziell auch mit der Öffnung der PIDE-Akten 1994 in Verbindung gebracht werden. Laut Pinheiro waren es vor allem Bürgerinitiativen, die sich diesem historischen Gedächtnis in Form von Ausstellungen und Denkmälern widmeten, was an dieser Stelle bei den Studierenden auf Verwunderung über die Passivität des Staates stieß. Als Anklagepunkte von Seitens der Bürgerinitiativen wurden die geringe Anerkennung der Oppositionellen, sowie das Schweigen im öffentlichen Raum über Diktatur und PIDE, der geheimen Staatspolizei, genannt. Dabei interessierte die Hörer besonders der Umgang mit der Thematik in alltäglichen Räumen wie Schule und Familie, woraus sich rasch ein anregendes Gespräch zwischen Frau Pinheiro und den Studierenden entwickelte. Anschließend erklärte die Referentin den Begriff des Historischen Revisionismus, mit dem die Rehabilitierung des »Estado Novo« und Salazars, sowie die Relativierung der Ersten Republik und des 25. Aprils einhergingen. Auf anschauliche Weise ging Frau Pinheiro schließlich auf die Kolonialzeit, den Kolonialkrieg und die Dekolonisierung ein, die zu einem früheren Zeitpunkt schon kurz angeklungen waren. Dabei weist sie auf den zum Teil unkritischen Umgang mit dem Kolonialkrieg, aber auch auf die mangelhafte Rehabilitierung der »Retornados« (die Rückkehrer) und die postkoloniale Kritik am Portugiesischen Imperium hin.

Im Anschluss an den Vortrag wurden daraufhin im Gespräch zwischen Referentin und Hörer einzelne Aspekte vertieft, sowie weitere Fragen der Studierenden beantwortet.

                                        (von Anna Schreyer und Natalia Barrionuevo, Januar 2019)

Teresa Pinheiro, geboren 1972 in Lissabon; Prof. Dr. phil., studierte Germanistik und Lusitanistik an den Universitäten Lissabon und Köln. 2002 erfolgte ihre Promotion im Fachbereich Kulturwissenschaftliche Anthropologie an der Universität Paderborn. 2003 erhielt sie den Georg-Rudolf-Lind-Förderpreis des Deutschen Lusitanistenverbands und seit 2004 hat sie die Professur für Kulturellen und Sozialen Wandel an der Technischen Universität Chemnitz inne. Sie war von 2009 bis 2011 Direktorin des Instituts für Europäische Studien an der TU Chemnitz und von 2013 bis 2017 Vizepräsidentin des Deutschen Lusitanistenverbands. Zwischen 2015 und 2016 hatte sie eine Europa-Gastprofessur an der Universität des Saarlandes inne. Von 2017 bis 2018 erhielt sie für Forschungen am Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) in Madrid das Alexander-von-Humboldt-Forschungsstipendium als erfahrene Wissenschaftlerin..

Alle Interessierten sind sehr herzlich eingeladen!
                                                                      
gez. Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura