Vortrag von Prof. Dr. Andreas Kurz (Universidad de Guanajuato, Mexiko)
Vortrag von Prof. Dr. Andreas Kurz (Universidad de Guanajuato, Mexiko)
Bamberg, am Dienstag, 03. Juni 2025 – 10:15 – 11:45 Uhr, Raum U2/02.04
Bamberger Vorträge zur Lateinamerikanistik
Nellie Campobello (1900-1986) und die mexikanische Revolution: Gewalt von einem Kind beschrieben?
Nellie Campobello ist bekannt für ihre beiden Romane Cartucho (1931) und Las manos de mamá (1937). Sie gilt als Autorin der »novela de la revolución«, des Romans der mexikanischen Revolution. Der Revolutionsroman versuchte ab etwa 1915 die Ereignisse der Revolution, ihre Gewalttätigkeit, aber auch ihre sozialen und politischen Anliegen literarisch darzustellen. Beim Revolutionsroman handelt es sich um Erinnerungsliteratur; er wurde zumeist von Zeitzeugen geschrieben. Sein Erfolg und seine Beliebtheit beim Publikum bemaßen sich vor-wiegend am Kriterium seiner Authentizität. Er sollte historische »Wahrheit« erzählen. Nellie Campobello war in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts die einzige Frau, die es in diesem Genre zu Bekanntheit brachte. In ihren Texten werden Krieg, Gewalt und Tod aus der Erzählperspektive eines kleinen Mädchens dargestellt. In der Litera-turgeschichte wird diese vermeintlich naive Perspektive auf die Revolution bis heute als authentisch eingeschätzt. Diese Sichtweise wird dem Werk der Mexikanerin jedoch nicht gerecht. Vielmehr versucht Campobello den Revolutionsroman aus der Faktenorientierung herauszulösen und die Revolution bewusst literarästhetisch zu gestalten. Der Vortrag entfaltet diese neue Perspektive auf das Werk Campobellos und plädiert für eine Neubewertung ihres literarischen Schaffens.
Prof. Dr. Andreas Kurz ist Professor am Departamento de Letras Hispánicas (Abteilung für Hispanische Literaturwissenschaft) der Universität von Guanajuato in Mexiko. Herr Kurz ging nach seinem Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und der Hispanistik an der Universität Wien nach Mexiko, wo er zunächst an der Universidad de las Américas in Puebla ein Masterstudium im Bereich Spanische Literaturwissenschaft absolvierte. Gleichzeitig promovierte er als Komparatist an der Universität Wien mit einer Arbeit über den hispanoamerikanischen Modernismus. Seit 2006 arbeitet er an der Universität von Guanajuato, deren literaturwissenschaftlicher Abteilung er von 2016 bis 2024 als Direktor vorstand. Außerdem konnte er ein Graduiertenprogramm zur lateinamerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts errichten und betreuen. Herr Kurz unterrichtete als Gastprofessor an mexikanischen und europäischen Institutionen, im Jahr 2014 und erneut 2024 an der Universität Wien, im Jahr 2025 an der Universität Bamberg. Kurz ist auch als Essayist für die mexikanische Tageszeitung La Jornada tätig. Er gehört dem Sistema Nacional de Investigadores des mexikanischen Forschungsministeriums an und hat in ihm Niveau II, die zweithöchste vergebene Stufe, inne.
Alle Interessierten sind sehr herzlich eingeladen!
gez. Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura