Plakat der Ringvorlesung »Die Iberischen Kulturen im Mittelalter«

Ringvorlesung »Die Iberischen Kulturen im Mittelalter« (Sommersemester 2022)

Org.: Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura/Prof. Dr. Christian Schäfer

Montags 20:00 Uhr; U2/00.25

Die iberische Halbinsel war im Mittelalter geprägt von einem faszinierenden Ineinander und Gegeneinander verschiedenster Sprachen, Kulturen und politischer Einheiten. Zahlreiche jüdische, christliche und muslimische Kulturvarianten bestanden nebeneinander, teils in regem Austausch, teils in unversöhnlichem Streit, und auch innerhalb dieser Kulturen gab es das belebende und konfliktgeladene Phänomen zahlreicher Sonderwege und Gemeinschaften ganz eigener Ausprägung. Während des ganzen Semesters wird die Ringvorlesung des ZeMas diesen bunten und spannungsreichen Kulturerscheinungen aus der Warte verschiedener Disziplinen wie der Islamischen Kunstgeschichte, Romanistik, Denkmalwissenschaft, Philosophie oder Wissenschaftsgeschichte nachzuspüren versuchen, um damit einen Einblick in eine der interessantesten Welten des Mittelalters zu eröffnen.

  • 2. Mai 2022 – Prof. Dr. Klaus van Eickels (Universität Bamberg): »Favorit oder Geliebter des Königs? Álvaro de Luna (1388/90–1453) und seine Rolle am Hof Johanns II. von Kastilien (1405–1454)«
  • 9. Mai  2022 – Dr.-Ing. Tobias Arera-Rütenik (Universität Bamberg): »Muslimischer Kern unter christlichem Mantel? Umnutzung, Umbau und Rückbau spanisch-islamischer Moscheen nach der Reconquista«
  • 16. Mai 2022 – Prof. Dr. Rafael Arnold (Universität Rostock): »Das Judenspanische (Judezmo): eine iberoromanische Koinè«
  • 23. Mai 2022 – Prof. Dr. Tobias Brandenberger (Universität Göttingen): »Helden auf Abwegen: Ritterbücher in Spanien und Portugal«
  • 30. Mai 2022 – Prof. Dr. Hans-Ingo Radatz (Universität Bamberg): »Die aragonesische Krone: das „andere Spanien“«
  • 13. Juni 2022 – Prof. Dr. Lorenz Korn / Dr. Anja Heidenreich (Universität Bamberg): »Cuatrovitas bei Sevilla: Moschee und Siedlung zwischen islamischen und christlichen Kulturen in Andalusien«
  • 20. Juni 2022 – Prof. Dr. Alexander Fidora (ICREA – Universitat Autònoma de Barcelona): »Glaube, Zweifel und Vernunft. Philosophische Grundlagen des Religionsgesprächs bei Ramon Llull (1232–1316)«
  • 27. Juni 2022 – Valentina Tonino (Universität Bamberg): »Das Schachspiel im Spanien des Hochmittelalters«
  • 4. Juli 2022 – Prof. Dr. Barbara Schlieben (HU Berlin): »Eine globale Geschichte der Medizin. Mittelalterliche Fallbeispiele der Iberischen Halbinsel«
  • 11. Juli 2022 – Prof. Dr. Jörg Tellkamp (UAM Mexiko City) / Prof. Dr. Christian Schäfer (Universität Bamberg): »Vom Mittelalter nach Mexiko. Die Spanische Scholastik in der Neuen Welt«

Siehe auch

ZeMas (Zentrum für Mittelalterstudien)

und

Gastvorträge an der Professur

Kurzbericht

Die Ringvorlesung des ZeMas im Sommersemester 2022 widmete sich den Iberischen Kulturen im Mittelalter. Erfreulicherweise konnten alle zehn Vorträge wie erhofft in Präsenz stattfinden und der dekorative Hörsaal 25 an der U2 gab dem Ganzen einen gebührenden Rahmen. Gleichermaßen erfreulich war der Zuspruch von Seiten des Publikums, das sich auch bei sommerlich hohen Temperaturen in beträchtlicher Anzahl einstellte und sich rege an den Diskussionen beteiligte, die den Vorträgen folgten. Die Organisatoren Enrique Rodrigues-Moura (Romanistik) und Christian Schäfer (Philosophie) blicken mit großer Genugtuung auf eine erfolgreiche Veranstaltung zurück, die viele interessante Einsichten in und über das iberische Mittelalter zeitigte.

Die iberische Halbinsel war im Mittelalter geprägt von einem faszinierenden Ineinander und Gegeneinander verschiedenster Sprachen, Kulturen und politischer Einheiten. Zahlreiche jüdische, christliche und muslimische Kulturvarianten bestanden nebeneinander, teils in regem Austausch, teils in unversöhnlichem Streit, und auch innerhalb dieser Kulturen gab es das belebende und konfliktgeladene Phänomen zahlreicher Sonderwege und Gemeinschaften ganz eigener Ausprägung. Die Ringvorlesung des ZeMas spürte diesen bunten und spannungsreichen Kulturerscheinungen aus der Warte verschiedener Disziplinen wie der Islamischen Kunstgeschichte, Romanistik, Denkmalwissenschaft, Philosophie oder Geschichtswissenschaft nach, um damit einen Einblick in eine der interessantesten und facettenreichsten Kulturwelten des Mittelalters zu eröffnen. Sie alle in ihrer Vielfalt einzufangen oder auch nur gebührend zur Sprache zu bringen konnte dabei nicht das Vorhaben sein. Mit ausgewählten Schlaglichtern, die das Semesterthema beispielhaft vom Blickwinkel verschiedener akademischer Disziplinen aus beleuchteten, ergab sich jedoch ein sehr interessantes Programm mit informativen Vorträgen von hoher fachlicher Qualität, die nahezu alle laufende oder jüngst abgeschlossene Forschungsarbeiten aus Bamberg und einer Reihe von weiteren deutschen und ausländischen Universitäten vor Augen führten:

Klaus van Eickels machte den Anfang und zeigte anhand der Figur des einflussreichen Konstablers Álvaro de Luna auf, wie das Verhältnis eines mittelalterlichen Monarchen zu seinen Günstlingen gedeutet und missgedeutet werden kann, wobei den besonderen Umständen am kastilischen Hof von Johann II. besonderes Augenmerk zukam. Tobias Arera-Rütenik, Lorenz Korn und Anja Heidenreich machten sich in zwei Vorträgen aus archäologischer, baugeschichtlicher und kunsthistorischer Perspektive die Umgestaltungen von Moscheen in Kirchen anhand mehrerer Beispiele und Grabungsbelege mit reichem Bildmaterial zum Thema. Über das Judenspanische im Mittelalter und seine europaweite Verbreitung nach dem 15. Jhdt. referierte Rafael Arnold von der Universität Rostock und legte dafür ebenso viele einleuchtende Textexempel zugrunde wie Tobias Brandenberger von der Universität Göttingen in seinen Ausführungen zu den Ritterbüchern aus Spanien und Portugal. Beide reflektierten dabei außerdem ähnlich wie Barbara Schlieben von der HU Berlin in ihrem wissenschaftsgeschichtlichen Vortrag über den interkulturellen Austausch in medizinischen Fragen während der großen Pest im Spanien des 14. Jhdts. den gegenwärtigen Stand theoretischer Tendenzen und programmatischer Präferenzen in der Mittelalterforschung. Interkultureller Austausch war auch das Rahmenthema von Alexander Fidoras (ICREA Barcelona) Beitrag über Ramón Llulls Konzeption einer philosophischen Grundlegung der Möglichkeiten eines Religionsgesprächs zwischen Muslimen und Christen um 1300. Die Vielfalt der politischen Entwicklungen auf der iberischen Halbinsel einschließlich ihrer Auswirkungen bis heute machten die Darlegungen von Hans-Ingo Radatz anhand der aragonesischen Krone im Mittelalter deutlich. Valentina Tonino stellte das Thema ihrer Masterarbeit zum Schachspiel im Mittelalter eindrucksvoll anhand materialreicher und farbenfroher Belege aus dem früh- und hochmittelalterlichen Spanien vor. Den Abschluss machten Jörg Tellkamp (UAM Mexiko-Stadt) und Christian Schäfer, deren Ausführungen zum Fortwirken der scholastischen Philosophie im Mexiko des 16. Jhdts. die Brücke vom iberischen Mittelalter zur Neuen Welt schlugen.