Deutschsprachig-jüdische Literatur? "Da fällt mir konkret gar nichts dazu ein. Klingt aber interessant."

Wem es so geht - dem sei die Ausstellung besonders ans Herz gelegt.

- Elena Rauschert

„Kultur in Bewegung“

Ausstellung „Verwanderschaft“ über deutsch-jüdische Literatur in der TB 4

Am 15. Oktober wurde in der Teilbibliothek 4 der Universität die Ausstellung „Verwanderschaft“ eröffnet, die sich mit der deutsch-jüdischen Literatur im 21. Jahrhundert beschäftigt. Im Mittelpunkt stehen literaturwissenschaftliche und gesellschaftliche Diskussionen, aber auch die Schwierigkeit der Definition des Topos der deutsch-jüdischen Literatur und die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Begriffs an sich. Antisemitismus und Rassismus werden dabei nicht ausgespart – vielmehr können Besucherinnen und Besucher hier aktiv werden und sich an einer Unterschriftenaktion gegen Rassismus beteiligen.

Nach einer Begrüßung durch den Direktor der Universitätsbibliothek Dr. Fabian Franke gaben Prof. Dr. Iris Herrmann vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur und ihre Doktorandin Mareike Gramer eine kurze Einführung ins Thema, bevor die Gäste die Plakate und Vitrinen in Augenschein nehmen konnten.

Im Rahmen der Ausstellung werden verschiedene deutsch-jüdische Autoren und deren Werke vorgestellt. Anhand der Biographien von Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie beispielsweise Maxim Biller, Eva Menasse, Doron Rabinovici und Babara Honigmann werden jedoch nicht nur die behandelten Themen vorgestellt. Vielmehr geht es um die Frage, inwiefern die persönlichen Geschichten, Erfahrungen und Einstellungen der Literaten sich in den oftmals stark biographisch motivierten Werken widerspiegeln. Unter diesem Aspekt werden die individuellen Lebenswege (auch geographisch) beleuchtet und die unterschiedlichen Perspektiven, die sie jeweils auf das komplexe Thema haben, aufgezeigt. Der Ausstellungstitel „Verwanderschaft“ spielt darauf an, wie wichtig sowohl die Wanderschaft, im Sinne der Lebensreise, als auch die Verwandtschaft, die eine geistige impliziert, für diese Autorinnen und Autoren und damit für die deutsch-jüdische Literatur ist.

Judentum heute - Selbst- und Fremdwahrnehmung

Zugleich geht es um mehr als philologische und biographische Fakten. Die Ausstellung fragt nach den Auswirkungen in der Gesellschaft: Welche Stellung nehmen Juden heutzutage in der Gesellschaft ein, wie werden sie wahrgenommen und wie sehen sie sich selbst? Inwiefern beeinflusst der Holocaust noch im 21. Jahrhundert das Verhältnis zwischen Juden und Deutschen? Und wie lassen sich die jüdischen kulturellen (Schrift-) Traditionen und das moderne Leben in der westlichen Gesellschaft miteinander vereinbaren? Solche und ähnliche Denkanstöße finden sich immer wieder und zeichnen ein vielschichtiges und differenziertes Bild einer „Kultur in Bewegung“, wie Prof. Dr. Iris Herrmann, die sich auch im Zentrum für interreligiöse Studien (ZIS) engagiert, in ihrer Rede ausführte.

Der Einblick in die literarische Lebenswelt der deutschen beziehungsweise deutschsprachigen Juden verdeutlicht, dass es trotz der sehr individuellen Ansätze der Autorinnen und Autoren durchaus auch verbindende Diskurse in der deutsch-jüdischen Literatur gibt, insbesondere die Themen Heimat und Identität. Bei allen Unterschieden zwischen den Stilen und Herangehensweisen an die Inhalte der einzelnen Erzählungen werden diese Themen als eine Art verbindendes Element zwischen ihnen sichtbar.

Die Ausstellung, die selbst auf vielfältige Weise ihren Beitrag zur Verständigung zwischen den Kulturen leistet, wurde von den Studierenden des Seminars „Deutsch-jüdische Literatur im 21. Jahrhundert“ unter der Leitung von Dozentin Mareike Gramer konzipiert und realisiert. Sie ist noch bis zum 9. November im Obergeschoss der Teilbibliothek 4, Am Heumarkt 2, zu sehen.