Nachruf auf Prof. Dr. Bert G. Fragner (27.11.1941–16.12.2021)

Der Lehrstuhl für Iranistik verliert mit Bert Fragner einen inspirierten und inspirierenden Wissenschaftler, Förderer und Freund.

Am 16. Dezember ist Bert G. Fragner im Alter von achtzig Jahren in Wien verstorben. Von 1989-2003 war er der erste Inhaber des neu gegründeten Lehrstuhls für Iranistik der Universität Bamberg. Sein akademischer Werdegang begann 1960 in seiner Heimatstadt Wien, wo er sich zunächst für ein ganzes Bündel von Fächern einschrieb: Islamkunde, Arabistik, Turkologie, Iranistik, Slawistik und Ethnologie. Was leicht als Unentschlossenheit missverstanden werden könnte, war vielmehr ein Zeichen für seine große intellektuelle Neugier und ein besonderes Interesse an der Welt des Islamischen Orients unter Einschluss Mittelasiens und des muslimischen Indiens, jenseits kleinteiliger disziplinärer Grenzziehungen. Daran, dass schließlich die Iranistik die Disziplin wurde, der er sich mit Leibe und Seele verschrieb, hatte ein fünfjähriger Aufenthalt in Iran (1965-1969), zunächst als Stipendiat, dann als Lehrer an einer vom österreichischen Unterrichtsministerium geführten Teheraner Berufsschule, wesentlichen Anteil. Phänomenale Beherrschung der persischen Sprache in Wort und Schrift, große Vertrautheit mit Land und Leuten, ebenso breite wie in die Tiefe gehende Kenntnisse von iranischer Geschichte und Kultur und die Schärfung des stets von Empathie geprägten ethnologischen Blicks waren die unverderblichen Früchte dieses Aufenthalts.

Nach der Promotion in Wien 1970 wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Islamwissenschaft am Orientalischen Seminar der Universität Freiburg. In Forschung und Lehre begann er dort das weite Terrain iranisch geprägter Kulturen in Geschichte und Gegenwart abzustecken, auf dem er sich fortan bewegte: Politische Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Wirtschafts-und Sozialgeschichte, Verwaltungs- und Institutionengeschichte, Diplomatik, Kulturgeschichte der persischen Sprache und kulinarische Kultur. Die Publikationen der Freiburger Jahre beeindrucken in ihrer Fülle und thematischen Breite. Besonders hervorzuheben ist seine Habilitationsschrift (1977) zur persischen Memoirenliteratur, mit der er Neuland betrat. Als akademischer Lehrer hat Bert Fragner es verstanden, Studierende zu faszinieren und für sein Fachgebiet zu begeistern. Nicht wenige haben sich innerhalb der Orientwissenschaften seinetwegen iranistischen Themen zugewandt.

Mit dem Ruf auf die C4-Professur für Iranistik der Freien Universität Berlin 1985 erhielt Bert Fragner die Chance, sein wissenschaftliches Programm, die kulturhistorische Erforschung iranisch geprägter Kulturen von der Islamisierung bis in die Gegenwart, gleichberechtig neben der meist sprach- und religionswissenschaftlich orientierten Alt- und Mitteliranistik zu etablieren. Auch war es ihm ein Anliegen, mit seiner kulturwissenschaftlichen Konzeption von Iranistik diese aus dem Schatten der Islamwissenschaft treten zu lassen. Denn in Deutschland hatte diese üblicherweise ihren Schwerpunkt in den arabischen Kulturen und in religiösen Thematiken, was iranistische Forschungen zur Randständigkeit verurteilte. Themen, denen sich Fragner in der Berliner Zeit verstärkt zuwandte, waren das vormoderne und sowjetische Mittelasien, die historischen Wurzeln moderner iranischer Identität, die Nationswerdung der Tadschiken, die iranisch-mittelasiatische Geschichte im universalhistorischen Kontext sowie Geschichte und Profil der iranistischen Studien in Deutschland, Europa und anderen Weltgegenden.

Die Berufung auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Iranistik der Universität Bamberg 1989 machte es möglich, Mitarbeiterstab und Gestaltungsspielräume insbesondere bei der Konzeption des Studienganges weiter zu entfalten. Dazu gehörte es auch, den Studierenden einen Studienaufenthalt in Iran zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten des DAAD Theodor Berchem konzipierte Bert Fragner ein stipendiengestütztes Austauschprogramm mit der Universität Teheran, für das sich Studierende aus der gesamten Bundesrepublik bewerben konnten. Das Programm wurde ein großer Erfolg und existiert in modifizierter Form bis heute. Wissenschaftliche Exkursionen nach Iran waren ein weiteres Mittel, Studierende nach dem Ende des Irak-Iran Krieges mit dem Land vertraut zu machen. Die Schar der Schüler, die nach dem Abschluss ihres Studiums in Bamberg entweder selbst eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen haben oder mit Erfolg in anderen Bereichen, etwa in internationalen Organisationen oder in der Politikberatung, reüssierten, beweist eindrücklich, wie gut die Etablierung des Faches in Bamberg gelungen ist.

Bert Fragner hat stets den Austausch mit Fachkolleginnen und -kollegen in Deutschlandund im inner- und außereuropäischen Ausland gesucht. Intensive wissenschaftliche Kontakte pflegte er zu Forscherinnen und Forschern u.a. in Iran, den USA, in Russland, Mittelasien, Japan und dem indischen Subkontinent. Er hat sich in wissenschaftlichen Fachverbänden engagiert und dort Führungsaufgaben übernommen. Von 1997-2002 gehörte er dem Vorstand der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft an, von 2000-2002 in der Funktion des Ersten Vorsitzenden. Der Societas Iranologica Europaea war er seit ihrer Gründungsphase verbunden und wirkte von 1989 bis 1997 in ihrem Vorstand mit, zunächst als Sekretär, dann als Präsident. Auch auf dieser Ebene ist es ihm gelungen, erfolgreich für seine wissenschaftlichen Zielvorstellungen zu werben. Seine maßstabsetzenden Fachpublikationen und seine Schriften zu den Aufgaben und zur Reichweite des Faches bildeten hierfür die Grundlage. Als Gastgeber hat er etliche internationale Fachkonferenzen und Tagungen nach Bamberg geholt. Der unermüdliche Einsatz in Forschung, Lehre, Nachwuchsförderung, wissenschaftlichen Fachgesellschaften, akademischer Selbstverwaltung und Tagungsorganisation haben nicht nur Bert Fragners internationales Renommee erstrahlen lassen sondern auch die Bamberger Iranistik international sichtbar gemacht. Zusammen mit den anderen orientalistischen Disziplinen hat die Iranistik entscheidend zur Profilbildung der Universität Bamberg beigetragen.

Unter den Veröffentlichungen der Bamberger Zeit ragt die 1999 erschienene kompakte Abhandlung Die „Persophonie“: Regionalität, Identität und Sprachkontakt in der Geschichte Asiens hervor, weil in ihr wissenschaftliche Leitfragen, die Bert Fragner seit Jahrzehnten beschäftigt hatten, in einem weit ausgreifenden Tableau stimmig gebündelt, erörtert und erhellt werden.

Lange hatte es – auch für ihn selbst – so ausgesehen, als sei die Universität Bamberg Ziel- und Höhepunkt von Bert Fragners akademischer Vita. Doch als ihm die Leitung des von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2002 neu gegründeten Instituts für Iranistik angetragen wurde, nahm sie noch einmal eine überraschende aber stimmige Wendung. Von 2003 bis 2009 wirkte Bert Fragner mit unverminderter intellektueller Spannkraft, inspirierender Präsenz und Tatkraft als Direktor dieses Instituts. Gemeinsam mit einem jungen und internationalen Team gelang es ihm, ein in Europa einzigartiges Zentrum der Iranforschung aufzubauen.

Auch nach der Verabschiedung in den Ruhestand hat Bert Fragner sich weiter in den Dienst iranistischer Belange gestellt, sei es als Wissenschaftler, als Gutachter und Mentor oder als gefragter Gastredner bei wissenschaftlichen Kongressen. Bis zuletzt hat er an wissenschaftlichen Publikationen gearbeitet und diese auch abschließen können, etwa einen umfangreichen Beitrag über die literarischen Aspekte der persischen Historiographie und eine Abhandlung über die Geschichte der persischen Kochbuchliteratur. Dieser Text spiegelt nicht nur die Vertrautheit mit den schriftlichen Quellen, sondern auch die praktische Expertise. Als begnadeter Koch und ebenso großzügiger wie charmanter Gastgeber wurde Bert Fragner, stets unterstützt von seiner Frau Christa, an allen seinen Wirkungsstätten schon zu Lebzeiten zur Legende.

Der Lehrstuhl für Iranistik verliert mit Bert Fragner einen inspirierten und inspirierenden Wissenschaftler, einen Förderer und Freund und einen wunderbaren Menschen. Er fehlt uns sehr.