Uni Bamberg – West-Östlicher Netzwerker!?

Ein Bamberger Alumnus meldet sich zu Wort

Gastbeitrag des Botschafters der Republik Tadschikistan, S.E. Sohibnazar Gayratsho

 

Der Herbst 1997, mild und sonnig, und für die junge Republik Tadschikistan so unvergesslich. Sieben Jahre Unabhängigkeit und die Unterzeichnung des Friedensvertrags, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit ausländischen Staaten, darunter auch mit Deutschland, erweckte in uns jungen Germanisten große Hoffnungen und Optimismus für eine bessere Zukunft. Besonders für mich, als einen Uni-Absolventen und Jobsuchenden, war es auch ein persönlich sehr bedeutsames Jahr. Ein Semesterstipendium des DAAD im Rucksack und radebrechende deutsche Sprache in mir, reiste ich in einer Gruppe mit anderen tadschikischen Postgraduierten nach Bamberg.

Bereits am Bahnhof Bamberg begegneten mir neben sprachlichen Barrieren außergewöhnliche Ereignisse, an die ich mich immer wieder mit beiden Augen lächelnd erinnere und ich erzähle meinen Kindern oft von den Vorzügen der damaligen Zeit.

Für mich, wie für Hunderte anderer ausländischer Gäste war das Studentenleben in Bamberg neu, interessant, und anfangs sprachlich schwer zu bewältigen. Eine kleine Stadt in Oberfranken mit einem besonderen Dialekt, die einem Touristen vielleicht als eine kleine, ruhige und „Nix-los“-Stadt erschien, war in Wirklichkeit alles andere als langweilig. Allein die Otto-Friedrich-Universität mit ihren majestätischen Altbauten, zahlreichen Wohnheimen und vielfältigen Studienangeboten war für viele junge Leute sehr attraktiv und stand auf der Top Liste der möglichen Studienorte. Eine Stadt, in der sich nahezu alle einander fröhlich, und stets mit einem „Grüß Gott“ auf den Lippen, zunickten. In Anlehnung an den fränkischen Sprachvermittler des Mittelalters Georg von Nürnberg „war es ein gut Ding, in dieser Stadt Deutsch sprechen zu können“.

„Bei der Bosch schaffen“, Usi macht Musi, Internationaler Stammtisch mit Rauchbier vom Schlenkerla, Bamberger Dom mit seinem Reiter, Bamberger Plärrer und Zwiebeltreterfest – sind einige Begriffe, an die ich mich auch nach 20 Jahren immer noch erinnern kann. Wir machten Ferienjobs, wohnten gemeinsam im mittlerweile abgerissenem „Pestheim“, aßen in der Mensa, fuhren Tandem, lernten in der Bibliothek, gingen über analoge Leitung ins Internet und bevorzugten zum Telefonieren die gelben Telefonzellen - und wir waren dabei glücklich. Ein Präsenzstudium war und bleibt tatsächlich eine bewährte Methode und Austauschprogramme sind im wahrsten Sinne des Wortes bestens für die Kommunikation und Kulturvermittlung geeignet.

Das Studienangebot der Uni Bamberg war sehr vielfältig und bot einheimischen und ausländischen Gaststudenten attraktive Studienplätze. Junge Leute von Lissabon bis Wladiwostok entschieden sich für ein Germanistikstudium, während sich die anderen aus dem Gürtel der Neuen Seidenstraße für BWL und VWL interessierten. Studenten aus den neuen EU-Ländern wählten die Internationale Politik und die Vertreter der „Alten Welt“ erforschten neben Latein und Altgriechisch die islamische Geschichte und iranischsprachige Kultur und nahmen an den Abendsprachkursen für Russisch, Dari und Tadschikisch teil. Die Bamberger Uni war ein Zentrum für internationalen Austausch, ein Netzwerk aller Himmelsrichtungen.

Ein Rückblick nach so vielen Jahren gibt mir erneut das Bild jener exzellenten Dozenten und Tutoren wieder, die kompetent, weltoffen und wissbegierig waren. Monika Fröhlich – das Bild einer selbstbewussten intelligenten Germanistin, Prof. Rolf Bergmann, jener, der die deutsche Sprache in all ihren Facetten beherrschte. Helmut Glück und Frederike Schmoe, die die Tradition des Deutschen als Fremdsprache fortsetzen. Es war Heinz Gockel, der uns mit seinem schauspielerischen Talent Lessing, Schiller und Goethe näherbrachte. Professoren wie Bert Fragner, Lutz Rzehak und Roxane Haag-Higuchi waren die besten Vermittler und Kenner der persisch-tadschikischen Geschichte und Kultur. Ein Studium der Slavistik ohne Vorlesungen von Prof. Kempgen war unvorstellbar. Andreas Weihe und Wolfgang Thomas vom Ausländeramt, die immer hilfsbereit waren und ein Ohr für Probleme der ausländischen Studenten hatten, gehören ebenso dazu. Die anderen, die ich nicht erwähnt habe, mögen mir verzeihen.

Niemand dachte damals an Sanktionen, Auseinandersetzungen oder Pandemien. Das Interesse an der Erforschung der fremden Kulturen war außergewöhnlich. Waren es die besten Zeiten der Globalisierung?

Wir sprechen heute von „one belt, one road“, von EU-Zentralasienstrategie. Es sind gemeinsame Projekte wie „PATRIP“ ins Leben gerufen, um durch Förderung des Grenzhandels die Lage in Afghanistan zu stabilisieren und zur Wiederaufnahme eines friedlichen Lebens in Afghanistan beizutragen. Gleichzeitig ist man besorgt über Herausforderungen wie ISIS Rückkehrer, Radikalisierung in Europa, Extremismus.

Trotz dieser Entwicklung wird abgebaut, um zu sparen. Der DAAD und das Goethe Institut haben in vielen Ländern ihre Büros geschlossen. Jene so wichtigen Seminarangebote und Sprachkurse sind an vielen Universitäten nicht mehr vorhanden. Man findet mittlerweile nur noch wenige Universitäten in Deutschland, an denen man Tadschikisch, Kurdisch oder Vietnamesisch erlernen kann.

Die Sprachen Asiens haben eine sehr bildhafte Ausdrucksweise. Ohne deren Vermittlung gehen neben der Verständigung auch weitere wichtige innere Werte der Begegnungsmöglichkeiten der Kulturen verloren.

Nach Abschluss meines Studiums kehrte ich in mein Heimatland zurück. Nach 20 Jahren kam ich nach Deutschland zurück, dieses Mal mit einer Bestallungsurkunde im Koffer, delegiert, um die deutsch-tadschikischen Beziehungen zu intensivieren. Seit zwei Jahren vertrete ich mein Land als Botschafter.

Tadschikistan ist dabei, sich als ein Land für Ökotourismus zu positionieren. Es liegt an der Schwelle vieler Zivilisationen, ist gleichzeitig eine Quelle der sauberen Energien und unerschlossener Ressourcen. Das Land hat eine über 5000 Jahre alte Geschichte und eigene Zivilisation, die weiter erforscht werden muss. Durch seine Politik der offenen Türen will es mit allen Ländern Beziehungen anbahnen. Dafür braucht es unter anderem gut ausgebildete Fachkräfte, Experten und Partner, wie ich sie an der Otto-Friedrich Universität Bamberg erleben durfte.

Das West-Östliche Netzwerk stellt damit einen historischen Bezug zu der Tatsache her, dass die Sogdier, ein ostiranisches Volk des 6. - 8. Jahrhunderts, die ersten Netzwerker des Ostens waren, die Händler und Diplomaten entlang der Seidenstraße, deren Imperium von der Krim bis nach Korea reichte. Heute könnte die Universität Bamberg diese Rolle übernehmen. Werden aber diese Vielfalt und Exotik an Studienangebote weiterhin eine Zukunft haben und ihren Beitrag zur Begegnung der Kulturen leisten können? Ich hoffe, dass die Universität Bamberg durch ihre Sprachangebote in der Iranistik auch zukünftig die Verbundenheit nicht nur der Stadt, sondern von Deutschland insgesamt mit den alten Kulturen auf der Seidenstraße und den heutigen Nationen in Zentralasien aufrechterhält. Diese werden schon bald in wirtschaftlicher und handelsmäßiger Hinsicht ohne jeden Zweifel an Bedeutung gewinnen, was eine große Handelsnation wie Deutschland nicht aus dem Auge verlieren sollte.

Sohibnazar Gayratsho

Botschafter der Republik Tadschikistan

Berlin im März 2021