Gastvortrag von Prof. Dr. Friedrich Heckmann (Europäisches Forum für Migrationsstudien): "Einwanderung mit Zukunft. Neue Nationsbildung statt Minderheitengesellschaft"

Am Donnerstag, den 09.11.2023 um 18:15 - 19:45 Uhr, in KR12/02.18

Aus gegenwärtiger Sicht war es rückblickend sowohl wissenschaftlich wie praktisch wichtig, dass sich ein Selbstkonzept „Deutschlands als Einwanderungsland“ gegen Widerstand nach vielen Diskussionen und angesichts der Fakten schließlich durchsetzen konnte. Eine neue Definition der gesellschaftlichen Situation („Framing“), die nach vielen Jahrzehnten von Migration erforderlich war, ist die Voraussetzung für grundlegende Veränderung in Forschung und Integrationspolitik.
Kinder und Kindeskinder von Einwanderern bilden einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung in Deutschland. Verstehen diese sich und werden sie auch verstanden als Minderheiten in Deutschland oder eher als Teil eines größeren Ganzen und einem gemeinsamen „Wir“ zugehörig? Nähern sich ihre sozialen Lagen denen ohne Migrationshintergrund an, oder stabilisieren und vergrößern sich bestehende Unterschiede, die einem neuen „Wir“ im Wege stehen?
Empirisch zeige ich, dass tatsächlich ein Annäherungsprozess stattgefunden hat und weiter stattfindet. Für eine Definition der gesellschaftlichen Situation nach der Integration der Nachkommen der selbst Eingewanderten und nach wichtigen Veränderungen der „Mehrheitsgesellschaft“ entwickle ich das Konzept der „Neuen Nationsbildung“: Es ist dabei keine Forderung oder Wunschvorstellung, sondern Ergebnis der Analyse des „wirklichen“ Integrationsprozesses im Generationenverlauf.
Mir ist bewusst, welche Vorbehalte gegenüber „Nation“ in Deutschland bestehen. Sie sind historisch begründet, aber man sollte Nation nicht dem Rechtsextremismus und völkischer Ideologie überlassen. Grenzen von Europäisierung und Globalisierung zeigen weltweit die weiter bestehende Dominanz von Nation als politisches und gesellschaftliches Organisierungsprinzip. Für Migranten und ihre Kinder verstehe ich ein reformuliertes modernes Nationskonzept als Einladung für Zugehörigkeit und Identifizierung.

Alle Interessierten sind sehr herzlich eingeladen!