Parlamentarisches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag

Das Projekt unternimmt eine vollständige Dokumentation und theoretische wie empirische Analyse namentlicher Abstimmungen im Deutschen Bundestag seit 1949. Theoretisch schließt es an aktuelle rational choice institutionalistische Erklärungen für individuelles Abstimmungsverhalten von Parlamentariern und fraktionelle Geschlossenheit an. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den institutionellen Anreizen des deutschen Mischwahlsystems sowie der Rolle persönlicher Abgeordnetenmerkmale wie Stellung innerhalb der Fraktion, Seniorität und weitere Karriereambitionen. Empirisch wird ein umfassender Datensatz sämtlicher namentlicher Abstimmungen in der Geschichte des Bundestages sowie relevanter Erklärungsvariablen erstellt, der eine wichtige Lücke in der deutschen und vergleichenden Parlamentsforschung schließt. Die zentrale methodische Innovationsleistung des Projekts besteht in der systematischen Verknüpfung von Erklärungsvariablen auf Abgeordneten- und Fraktionsebene mit der Hilfe von Mehrebenenmodellen.


Projektteam: Stefanie Bailer (Universität Basel), Henning Bergmann (Universität Bamberg), Tamaki Ohmura (Universität Basel), Thomas Saalfeld (Universität Bamberg), Ulrich Sieberer (Universität Bamberg)

Finanzierung: Fritz Thyssen Stiftung (Antragsteller: Stefanie Bailer, Thomas Saalfeld, Ulrich Sieberer)

Ausführliche Informationen zum Projekt finden Sie hier.

 

Fraktionsgeschlossenheit und parlamentarisches Abstimmungsverhalten

Das Projekt analysiert die Determinanten von Fraktionsgeschlossenheit in parlamentarischen Demokratien. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den Folgen elektoraler Anreize auf abweichendes Stimmverhalten. Neben namentlichen Abstimmungen nutzt das Projekt sogenannte Erklärungen zur Abstimmung im Deutschen Bundestag als eine neue Datenquelle, mit deren Hilfe sich Rückschlüsse auf die ansonsten kaum beobachtbaren Gründe individuellen Abstimmungsverhaltens ziehen lassen.


Projektpublikationen:

Sieberer, Ulrich, 2015, Using MP Statements to Explain Voting Behavior in the German Bundestag: An Individual-level Test of the Competing Principals Theory, Party Politics 21(2), 284-294.

Sieberer, Ulrich, 2010, Behavioral Consequences of Mixed Electoral Systems. Deviating Voting Behavior of District and List MPs in the German Bundestag, Electoral Studies 29 (3), 484-496.

Becher, Michael/Sieberer, Ulrich, 2008, Discipline, Electoral Rules, and Defection in the Bundestag, 1983-1994, German Politics 17 (3), 293-304.

Sieberer, Ulrich, 2006, Party Unity in Parliamentary Democracies. A Comparative Analysis, Journal of Legislative Studies 12 (2), 150-178.

 

Parlamente als Wahlorgane (Dissertationsprojekt Ulrich Sieberer)

Das Projekt untersucht Wahlbefugnisse als eine bislang weitgehend vernachlässigte Facette parlamentarischer Macht. Die Bedeutung dieser Befugnisse wird aus einem delegationstheoretischen Modell parlamentarischer Demokratien hergeleitet, in der Parlamente als zentraler Prinzipal und Machtverteilungsorgan konzeptionalisiert werden. Empirisch werden zunächst die institutionellen Machtbefugnisse von 25 europäischen Parlamenten bei der Wahl der Regierung und verschiedener externer Amtsträger (Staatsoberhaupt, Verfassungsrichter, Zentralbankpräsidenten, Rechnungshofspräsidenten Ombudsleute) analysiert. Diese Analysen zeigen, dass die untersuchten Parlamente sich maßgeblich in ihren Wahlbefugnissen unterscheiden und diese Befugnisse eine eigenständige Dimension institutioneller Parlamentsmacht darstellen. Schließlich werden einhundert Wahlen externer Amtsträger in westeuropäischen Parlamenten untersucht und gezeigt, dass diese Wahlentscheidungen klar parteipolitischen Konfliktmustern folgen.


Projektpublikationen:
Sieberer, Ulrich, 2010, Parlamente als Wahlorgane. Parlamentarische Wahlbefugnisse und ihre Nutzung in 25 Europäischen Demokratien, Baden-Baden: Nomos.

Sieberer, Ulrich, 2015, Hire or Fire? The Link between Cabinet Investiture and Removal in Parliamentary Democracies, in: Bjorn Erik Rasch/Shane Martin/José Antonio Cheibub (Hg.): Parliaments and Government Formation: Unpacking Investiture Rules, Oxford: Oxford University Press, 309-330.

Sieberer, Ulrich, 2013, Elections in Western European Parliaments, European Journal of Political Research 52 (4), 512-535.

Sieberer, Ulrich, 2012, Checks or Toothless Tigers? Powers and Incentives of External Officeholders to Constrain the Cabinet in 25 European Democracies, Government and Opposition 47 (4), 517-543.

Sieberer, Ulrich, 2011, The Institutional Power of Western European Parliaments. A Multidimensional Analysis, West European Politics 34 (4), 731-754.

Sieberer, Ulrich, 2009, Können ja – Wollen nein? Die Anreize externer Amtsträger zur Beschränkung der Regierung, in: Helmar Schöne/Julia von Blumenthal (Hg.), Parlamentarismusforschung in Deutschland. Ergebnisse und Perspektiven 40 Jahre nach Erscheinen von Gerhard Loewenbergs Standardwerk zum Deutschen Bundestag, Baden-Baden: Nomos, 301-322.

Sieberer, Ulrich, 2008, Prinzipal Parlament. Die Bedeutung europäischer Parlamente als Wahlorgane, Politische Vierteljahresschrift 49 (2), 251-282.