Kinder und Religion: Qualitative Erkundungen im deutschsprachigen Zusammenhang

Inhalt und Ziele

Wo und wie Kinder Religion in ihrer Lebens- und Gedankenwelt begegnen, ist relativ ungeklärt, für das Angebot religionsbezogener Bildungsprozesse und die orientierende Begleitung von Kindern jedoch zentral. Die Interviewstudie zu „Kinder und Religion“  setzt an diesen offenen Fragen an, um Einblicke in das Verhältnis von Kindern zu Religion in ihrer Lebens- und Gedankenwelt zu geben. Die Studie knüpft dabei an die Veröffentlichung „Was Kinder glauben“ aus dem Jahr 1998 an (Orth & Hanisch, 1998; Arnold, Orth & Hanisch, 1997), führt aber in Fragestellung und Design darüber hinaus.

Interesseleitend ist die Frage, welche Rolle Religion im Leben von Kindern spielt, wie sie mit Religion in Kontakt kommen und wie sie diese Impulse verarbeiten. Mit diesem Erkenntnisinteresse sind folgende drei Forschungsfragen verbunden:

(1) Von welchen Begegnungen mit Religion, Glauben und weltanschaulicher Pluralität in den sie umgebenden Sozialisationskontexten Familie, Schule, Medien, Religionsgemeinschaften, Freizeitbereich erzählen Kinder?

(2) Wie nehmen die Kinder im Gespräch diese Impulse aus ihrer Lebenswelt auf und welche Bedeutung schreiben sie ihnen zu?

(3) Welche religionsbezogenen oder religiösen Vorstellungen, Erfahrungen und Handlungen äußern die Kinder und inwiefern lassen sie sich davon warum leiten?

Methode

Die Datenerhebung erfolgte durch semi-strukturierte Interviews, in denen die kindliche Lebenswelt, die Sinnfragen und Gottesvorstellungen der Kinder sowie ihre Sozialisationskontexte behandelt wurden. Um ein hohes Maß an Variation zu erreichen, umfasst die Stichprobe Befragte mit möglichst unterschiedlichem Hintergrund in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland (Ost/West), Österreich sowie der Schweiz.

In jedem Land wurden Kinder aus verschiedenen Konfessionen bzw. Religionen (katholisch, evangelisch, orthodox, muslimisch, jüdisch, Bahai) sowie Kinder mit säkularem Hintergrund ausgewählt. Außerdem wurde auf eine ausgewogene Mischung von städtischen und ländlichen Gebieten, Geschlecht und sozialen Milieus geachtet. Das Sample umfasst insgesamt 89 Interviews, 62 aus Deutschland, 15 aus der Schweiz und 12 aus Österreich.

Gesellschaftliche Relevanz und Nutzung der Ergebnisse

Vorläufige Ergebnisse lassen ein breites Spektrum an religionsbezogenen Sozialisationserfahrungen, Vorstellungen und Einstellungen von Kindern erwarten. Damit bietet die Studie erstmals ein umfassendes Bild darüber, wie Kinder im deutschsprachigen Kontext Religion erfahren. Auf dieses grundlegende Panorama können weitere Studien aufbauen, insbesondere solche, die religionsbezogene Bildungsprozesse näher in den Blick nehmen wollen.

Aktuelle Publikation

Schwarz, Susanne; Witten, Ulrike; Lorenzen, Stefanie & Stockinger, Helena (2022): „Weil jeder an alles glauben kann, was er will“ – Einstellungen von Kindern zur Wahrheitsfrage im Rahmen einer Interviewstudie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Theo-Web 21(2), S. 331-351.