Zur Herausbildung und Ausbreitung der in-Movierung im Althochdeutschen
Forschungsförderung
Das von Dr. Marco Bruckmeier und Prof. Dr. Stefanie Stricker geleitete Projekt wird von der Internen Forschungsförderung der Universität Bamberg finanziert.
Zum Forschungsgegenstand
Das Deutsche nutzt die sogenannte Movierung oder Motion zur Sexusdifferenzierung. Durch diesen Ableitungsprozess wird ein Denotat von einem Geschlecht in ein anderes abgeleitet. Im Deutschen werden zumeist Feminina aus einer maskulinen Basis abgeleitet (z. B. Läufer > Läuferin), die umgekehrte Richtung ist deutlich seltener, jedoch möglich (z. B. Hexe > Hexer). Moviert werden insbesondere Personenbezeichnungen, seltener auch Tierlexeme. Die in-Movierung stellt in der Gegenwartssprache des Deutschen das wichtigste Mittel zur Ableitung einer maskulinen Wortbildungsbasis zu einer femininen dar. Noch im Althochdeutschen war das Movierungssystem andersartig organisiert.
Ahd. -in(na) war ursprünglich nicht an der Movierung beteiligt. Das Suffix -in(na) entwickelte sich erst im Laufe des Althochdeutschen von einem Marker der Zugehörigkeit einer Frau zu einem Mann oder zu einem Stamm bzw. Volk (z. B. ahd. suabin ‘Schwäbin’) hin zu einem Marker des Geschlechts (z. B. ahd. forasagin ‘Weissagerin’ bzw. ‘weiblicher Weissager’). Im Laufe der Jahrhunderte verfestigt sich die Movierung auf die Humanmovierung und zieht sich partiell wieder aus der Tierlexemmovierung zurück. Zudem entwickelt sich ab dem 13. Jahrhundert die sogenannte onymische Movierung, ein Ableitungsschema, bei dem ein Familienname, Rufname oder Hausname abgeleitet wird, um so eine Frau als zugehörig (Tochter, Ehefrau) anzuzeigen. Diese Form der Movierung findet sich heute nur noch in Dialekten. Die deutsche Sprachgeschichte zeigt also einen Auf- und Abbau der Movierung einschließlich unterschiedlicher Bildungsmuster. Sowohl in Bezug auf den Aufbau als auch in Bezug auf den Abbau dieser Muster herrschen zahlreiche Forschungsdesiderate vor.
Vorhaben, Projektziele und Methoden
Ziel des Projektes ist es, den althochdeutschen Entstehungskontext der in-Movierung zu beleuchten. Das Projekt erschließt den Extensionsprozess der in-Movierung ausgehend von der Markierung der Zugehörigkeit einer Frau hin zur Sexusmarkierung von Personen, Tieren und anderen Denotaten (vgl. beispielsweise ahd. mānin (wörtlich: ‘Möndin’) oder ahd. bebinna, ein bestimmter Kürbis). Der Blick soll auf den Gesamtbestand der überlieferten in-Movierungen und auf ihre maskulinen Gegenstücke gerichtet werden, um zu prüfen, inwiefern diesen Movierungen maskuline Formen gegenübergestellt werden. Dies erfordert das Sichten und Sammeln der im Althochdeutschen belegten Substantive, die eine in-Movierung aufzeigen. Mithilfe korpuslinguistischer Mittel soll so der althochdeutsche Wortschatz untersucht werden. Mittels einschlägiger Literatur und Quellen wie dem Althochdeutschen Wörterbuch der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und dem althochdeutschen Glossenwortschatz soll eine möglichst umfassende Sammlung der althochdeutschen Lemmata erzielt werden. Dieses Vorgehen lässt sich als lexikographisch-korpuslinguistisch bezeichnen, wobei es sich um gängige und erprobte Methoden der sprachhistorischen Forschung handelt. Das Ziel ist demgemäß zunächst eine möglichst große und reliable Datenbasis, auf die sich die weitere Untersuchung stützt.
Das in Arbeit befindliche Projekt vermag, den Blick der Forschung auf ein hochaktuelles und dennoch beinahe unbeforschtes Thema zu richten und dieses zu erschließen. Es soll neue Erkenntnisse in Bezug auf die Entstehung und Verbreitung der für das Deutsche systemrelevanten in-Movierung liefern und Anknüpfungspunkte für andere Funktionen wie die einige Jahrhunderte später belegte onymische Movierung und auch zahlreiche Forschungsdesiderate (wie den Auf- und Abbau der Tierlexemmovierung) bieten.