Nachhaltigkeits-Skandale und ihre Wirkungen: Können Unternehmen verlorenes Vertrauen wieder herstellen?

Ein internationales Forscherteam mit Bamberger Beteiligung testet, wie Konsumenten damit umgehen, wenn ausländische Lieferanten von Textil-Marken unverantwortlich handeln und dies bekannt wird. Langjähriges Vertrauen in Marken wird dabei oft in kurzer Zeit beschädigt. In einer Studie untersuchen die Wissenschaftler, wie Konsumenten verschiedene Formen der Marken-Reaktion auf solches Fehlverhalten bewerten. Sie zeigen, dass das „Von-sich-weisen“ jeglicher Schuld die schlechteste Vorgehensweise ist.

 

Vor fünf Jahren stürzte das Rana Plaza-Gebäude in Bangladesch ein. Über 1.100 Arbeiterinnen und Arbeiter verloren dabei ihr Leben. Gewerkschafter nannten dies einen „industriellen Massenmord“. Viele westliche Textil-Marken waren unter den Kundenunternehmen, die ihre Waren von Zulieferern im Rana Plaza-Umfeld herstellen ließen und lassen. 

Sowohl in Bangladesch als auch in westlichen Ländern haben die Öffentlichkeit, Journalisten, Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) den westlichen Marken eine wesentliche Mitschuld an dieser Katastrophe zugewiesen. Auch in der Forschung wurde bereits nachgewiesen, dass Konsumenten Marken-Unternehmen nicht aus der Schuld entlassen, wenn ihre Zulieferer in der sog. Supply Chain (Versorgungskette) sich verantwortungslos verhalten, etwa indem sie die Rechte ihrer Arbeiter nicht respektieren oder aber wenn sie die Umwelt verschmutzen. Diese Schuldzuschreibung durch Konsumenten an Marken wird „Chain Liability Effect“ genannt. Marken sind also in den Augen der Konsumenten für ihre Zulieferketten mitverantwortlich.

Für Marken ist dies problematisch, weil sie im Kern ein umfassendes Versprechen an Konsumenten darstellen, dass ein Unternehmen, seine Produkte und Leistungen, aber auch der Herstellungsprozess und die Lieferketten die geltenden Standards erfüllen. Verlieren die Konsumenten das Vertrauen in eine Marke, hat dies in der Regel direkte und umfassende Konsequenzen, wie z.B. den Boykott der Produkte und Geschäfte, das Wechseln zu anderen Anbietern, negative Kommentare zu der Marke in sozialen Netzwerken und vieles mehr.

Marken-Unternehmen müssen daher in dem Fall , dass in ihrer Lieferkette ein Lieferant eine verantwortungslose Tat verübt, nach Wegen suchen, das verlorene Vertrauen in die Marke wieder her zu stellen. Dabei gibt es mehrere Wege.

Ein erster, häufig verwendeter Verhaltensansatz besteht darin, die Verantwortung von sich zu weisen, in dem das Unternehmen erklärt, das Fehlverhalten liegt bei einem zulieferunternehmen. In sofern erfolgt eine Klarstellung, welche die Marke selber aus der Schuld nehmen und dem Konsumenten den wahren Schuldigen vor Augen führen soll.

Alternativ kann das Marken-Unternehmen aber auch Verantwortung übernehmen und dies in unterschiedlicher Form gestalten. Ein erster Weg besteht darin, für die Zukunft eine enge Zusammenarbeit mit dem Lieferanten anzukündigen, der das Fehlverhalten verursacht hat. Hier zeigt die Marke Engagement und will den Lieferanten nicht „im Regen stehen“ lassen. Vielmehr wird gerade in Verbindung mit Lieferanten aus Entwicklungsländern demonstriert, dass man als westliches Unternehmen an der Weiterentwicklung der lokalen Wirtschaft interessiert ist und langfristig bei Verbesserungen von Standards helfen will.

Ein zweiter Weg, den manche Unternehmen gehen, besteht darin, künftig eine engere Überprüfung des Lieferanten sowie seiner Arbeitsweise und Standards  vorzunehmen. Hier will die Marke also durch Erhöhung der Kontrollen sicher stellen, dass sich Fehlverhalten wiederholt.

Ein dritter Weg besteht schließlich darin, die Lieferbeziehung zu beenden, dies der Öffentlichkeit mitzuteilen, und durch die Auswahl neuer Lieferanten auszuschließen, dass ein Fehlverhalten des bisherigen Lieferanten in der eigenen Wertkette erneut vorkommen kann.

In einer umfassenden Studie hat Professor Björn Ivens, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Vertrieb der Otto-Friedrich-Universität, sowie Kolleginnen und Kollegen der University of Surrey (UK), der Queen Mary University London (UK), der University of Alabama (USA) sowie der European Business School (D)  nun für den Fall eines Zulieferunternehmens europäischer Textilmarken, das durch Fehler in der Produktion einen See verschmutzt und dadurch die Wassergrundlage für die lokale Bevölkerung bedroht, untersucht, wie Konsumenten die unterschiedlichen möglichen Reaktionen der Textilmarke bewerten. Die experimentelle Studie wurde mit mehr als 1000 Probanden in den USA durchgeführt.

Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass ein Klarstellen der Situation, bei dem die Marke die Schuld von sich selber weist und mit dem Finger auf den Zulieferer im Entwicklungsland deutet, die schlechteste Strategie darstellt. In diesem Fall wird das zerstörte Vertrauen nicht nur nicht wieder hergestellt. Vielmehr verliert die Marke bei einem solchen Vorgehen nochmals Vertrauenskapital bei den Konsumenten.

Hingegen honorieren Konsumenten alle drei Strategien, bei denen die westliche Marke eine Mitverantwortung zum Ausdruck bringt. Sowohl bei der Ankündigung einer engeren Zusammenarbeit mit dem Lieferanten mit dem Ziel, seine internen Standards so zu verbessern, dass weitere Katastrophen ausgeschlossen sind, als auch bei dem Ankündigen einer engeren Kontrolle des Lieferanten oder bei der Ankündigung, künftig nicht mehr mit dem betreffenden Lieferanten zusammen zu arbeiten, erklären Konsumenten, dass dies ihr Vertrauen in die Marke wieder herstellt. 

Keiner dieser drei Vorgehensweisen stellt das ursprüngliche Vertrauensniveau vollkommen wieder her. Aber alle drei erlauben eine deutliche Verbesserung des Konsumentenvertrauens und vermeiden ein weiteres Abrutschen. Es zeigt sich also, dass Marken sich ihrer Verantwortung für ihre Lieferanten (in den Augen von Konsumenten) bewusst sein müssen. Sollte es zu einem Fall verantwortungslosen Verhaltens seitens des Lieferanten kommen, müssen die Lieferanten zu ihrer Verantwortung stehen. Wie konkret sie dies tun, lässt drei im Kern aus Konsumentensicht gleichwertige Ansätze zu. Aber das simple Abwenden wird vom Konsumenten konsequent sanktioniert.

Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit stellten die Forscher im August in Chicago auf der weltweit führenden Konferenz von Managementforschern vor, der Academy of Management-Tagung. Dort wurden sie vom Institute for Supply Management mit dem Preis für das zweitbeste Forschungsprojekt ausgezeichnet.

Außerdem hat Professor Ivens die Studie im Rahmen eines vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Experten-Workshops im Oktober an der Technischen Universität Dresden präsentiert. Im Rahmen dieses Projekts diskutierten europäische Forscher sowie ihre Kollegen von Universitäten aus Bangladesch, wie die Ausbildung künftiger leitender Angestellter und Manager in Bangladesch verbessert werden kann, damit Themen der Unternehmensverantwortung und des Nachhaltigkeitsmanagements in lokalen Studiengängen künftig einen zentralen Platz erhalten. Hierdurch soll bewirkt werden, dass künftige Manager in Zulieferunternehmen ein tiefes Verständnis für Fragen der Nachhaltigkeit entwickeln und im Umgang mit westlichen Marken-Unternehmen auch einbringen. 

Professor Ivens stellt im Rahmen dieses Workshops den Kollegen aus Bangladesch auch vor, wie die Vertriebs- und Marketingausbildung in Bamberg einen Fokus darauf legt, jungen Studierenden gerade die besonderen Herausforderungen und Bedingungen von internationalen Transaktionen zwischen Unternehmen zu vermitteln. Der Bamberger Lehrstuhl legt ein besonderes Gewicht auf Forschung sowie Lehre zu sogenannten Business-to-Business-Märkten, auf denen unternehmen miteinander in Austausch stehen. Dies ist gerade im nordbayerischen Raum für viele Unternehmen von großer Bedeutung und viele Bamberger Studierende finden Arbeit auf entsprechenden Märkten.

In diesem Zusammenhang entwickelt der Lehrstuhl für Vertrieb und Marketing von Professor Ivens aktuell in Zusammenarbeit mit Professor Markus Beinert von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf auch einen spezifischen Online-Kurs zu „Business-to-Business-Märkten“, der neben Bamberger Studierenden über die Virtuelle Hochschule Bayern (VHB) auch Studierenden aller bayerischen Universitäten und Fachhochschulen diese Märkte und ihre Besonderheiten vermitteln wird. 

Nähere Information: bjoern.ivens@uni-bamberg.de