Kunsttechnologische Forschungen zur Staffelmalerei der Nazarener

Maltechnik und Materialverwendung in der Malerei des frühen 19. Jahrhunderts

Inhalt und Ziele

Dr. Eva Reinkowski-Häfner untersucht die Entwicklung der Maltechnik im frühen 19. Jahrhundert. Dabei konzentriert sie sich auf die Malergruppe der Nazarener und deren Rekurs auf die Malerei des Mittelalters und der Frührenaissance. Die Gemeinschaft hatte sich ab 1808 in Wien zusammengeschlossen und sich 1809 den Namen „Lukasbrüder“ gegeben. Von 1810 bis 1812 lebten sie in Rom zusammen im Kloster S. Isidoro, doch mit dem frühen Tod Franz Pforrs im Juni 1812 fand eine Auflösung des engen Verbunds statt, dessen Mitglieder spätestens ab 1817 von den Zeitgenossen als Nazarener bezeichnet wurden. Bereits 1818 ging Peter Cornelius zurück nach Deutschland, um die Leitung der Akademie in Düsseldorf zu übernehmen und zugleich die Ausmalung der Glyptothek – ein Auftrag des Kronprinzen Ludwig von Bayern. Während alle Mitglieder der Künstlergruppe nach Deutschland zurückkehrten, dort Positionen als Akademiedirektoren oder -lehrer übernahmen und dadurch die Malerei dieser Zeit wesentlich beeinflussten, verblieb Johann Friedrich Overbeck zeitlebens in Rom.

Im Fokus der Untersuchung stehen die Anfänge der jungen Maler in Wien und in Rom bis ca. 1840. Zentrale These der Untersuchung ist die Annahme, dass sich die Malergruppe nicht nur mit der Darstellung, sondern auch mit der Maltechnik und der Materialverwendung ihrer Vorbilder auseinandersetzte.

Methode

Grundlage der kunsttechnologischen Untersuchung ist eine Kombination von kunsthistorischer Literatur- und Quellenforschung, restauratorischer Gemälde- und naturwissenschaftlicher Materialuntersuchung. Anhand von Archivmaterial und zeitgenössischer kunsthistorischer und maltechnischer Literatur wird der Forschungsstand des frühen 19. Jahrhunderts zur Maltechnik der ‚Alten Meister‘ erarbeitet. Die Literaturrecherchen und die Sichtung von Künstleräußerungen sollen möglichst nahe an die Arbeit im Atelier und an die individuellen Malweisen der Künstler heranführen. Maltechnische Quellenschriften des frühen 19. Jahrhunderts und Recherchen zum Farbenhandel eröffnen den Zugang zur damaligen Materialverwendung und der Verfügbarkeit moderner Pigmente und Bindemittel. Die Auswertung der Diskussion zum Stellenwert verschiedener Maltechniken verspricht, Aspekte der Ästhetik der Kunst der Nazarener zu erhellen.

In 8 Museen werden mindestens 18 Gemälde aus dem Oeuvre der Maler Franz Pforr, Ludwig Vogel, Johann Friedrich Overbeck, Peter Cornelius und Wilhelm Schadow restauratorisch und naturwissenschaftlich untersucht. Dabei werden die bildgebenden Verfahren der UV- und IRR-Photographie sowie der Röntgenaufnahme eingesetzt. Darüber hinaus werden zerstörungsfreie Methoden der Pigment- und Bindemitteluntersuchungen mit mobilen RFA- und FTIR-Reflexions-Messgeräten erprobt. Querschliffe, Pigment- und Bindemittelanalysen geben Aufschluss über den Malschichtaufbau und die Materialverwendung.

Ergänzt werden diese verschiedenen Ansätze durch maltechnische Rekonstruktionsversuche, die die Eigenschaften von Malmaterialien und die Effekte im Malschichtaufbau nachstellen und die Ergebnisse aus der naturwissenschaftlichen Analyse und der Auswertung der Schriftquellen verifizieren und interpretieren sollen.

Erste Ergebnisse

Die bisherige Literatur- und Quellenrecherche hat eine frühe Beschäftigung der Forschung der Kunstgeschichte, der Restaurierung und der maltechnischen Schriften mit der Malerei der ‚Alten Meister‘ und deren malerischer Technik deutlich gemacht. Ein wichtiger Vertreter dieser Forschungen war der Kunsthistoriker Karl Friedrich Rumohr, der ab 1816 in Florenz Archivstudien betrieb und Kontakt zu dort tätigen Restauratoren hatte, die den Zugang zu den Originalen und Kenntnisse über die Techniken der frühen italienischen Meister vermittelten. Erste Ergebnisse zeigen, dass Rumohrs Kontakte zu Josef Anton Koch (ab 1805/06), Jean Passavant (ab 1817), Schnorr von Carolsfeld (ab 1817) und Johann Friedrich Overbeck (ab 1818) genauer untersucht werden müssen.

Bisher konnten 6 Gemälde von Franz Pforr bzw. Ludwig Vogel untersucht werden, die alle in die frühen Jahre des Lukasbundes zu datieren sind. Das Gemälde „Xaverio (Modell) als Johannes-Knabe (Evangelist)“, das laut einer Tagebuch-Notiz Ludwig Vogels von Pforr und Vogel gemeinschaftlich ausgeführt wurde, zeigt in der Ausführung tatsächlich zwei unterschiedliche Hände, wobei eine traditionellere und eine modernere Ausführungsweise festgestellt werden konnte. Erst ein Vergleich mit weiteren Gemälden der Künstlergruppe wird zeigen, ob es sich um individuelle Handschriften oder eine maltechnische Entwicklung handelt.

Es liegen noch keine Ergebnisse aus chemischen Materialanalysen vor.

Durch die Untersuchung mit einem mobilen RFA konnte aber festgestellt werden, dass Pforr nicht nur traditionelle, sondern auch moderne Pigmente verwendete. Zum Beispiel wurde in Gemälden, die auf 1810 datiert werden, Kobaltblau festgestellt, das erst 1799 als Thenardsches Blau in den Handel kam. Deshalb muss das Augenmerk auf die Haltung der Künstler zur ‚Erneuerung der Kunst‘ gelegt werden: Haben die Künstler den Weg der Erneuerung nicht nur durch den Rekurs auf die Malerei der ‚Alten‘ beschritten, sondern auch durch die Verwendung moderner Materialien?

Anwendungsbezug, gesellschaftliche Relevanz, Nutzung der Ergebnisse

Die Untersuchung ist ein Beitrag zur Geschichte der Maltechnik des 19. Jahrhunderts.

Die weitere kunsthistorische und kunsttechnologische Forschung wird vor allem durch den
dann vorliegenden umfangreichen Bestand digitaler Photographien in unterschiedlichen bildgebenden Verfahren ermöglicht. Die Dokumentation maltechnischer Phänomene und Oberflächenerscheinungen macht einen Vergleich von Werken, aber auch eine Katalogisierung phänotypischer Merkmale bestimmter Maltechniken möglich. Sie dient zudem als Grundlage für zukünftige restauratorische Maßnahmen. Die erzielten Erkenntnisse zu den technischen Voraussetzungen der Kunstwerke ermöglichen die Planung gezielter restauratorischer Eingriffe sowie bessere Aussagen über das individuelle Verhalten von Bildern (z.B. individuelle Klimasensibilitäten). Insofern dürften die Erkenntnisse auch Vorgaben im Sinne der präventiven Restaurierung ermöglichen.

Bamberger Kompetenzen

Das Projekt profitiert von der Möglichkeit, den Schwerpunkt des Lehrstuhls für neuere und neueste Kunstgeschichte sowie die Einrichtungen, Geräte und die Expertise des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien, insbesondere für die Materialanalyse, zu kombinieren.

Bilder

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