Archiv 2024


Gastvortrag "Queere, jüdische und postmigrantische Identitätskrisen. Trans-Poetiken in (grafischer) Literatur"

Prof. Dr. Gudrun Heidemann (Universität Łódź)
Diversity-Gastprofessorin an der Uni Bamberg, SS 2024

Datum: 10. Juli. 2024
Zeit: 20 Uhr
Ort: U2/01.33

Zur Trans-Poetik gehören ebenso Transitorte wie Raum- und Zeitsprünge als ein Heraustreten aus der narrativen Linearität. Zudem resultiert aus den Ortswechseln eine Multilingualität – etwa als sprachspielerisches ‚Lost in Translation‘ oder als Polyphonie, die mit Michail Bachtins Dosteoevskij-Lektüren als Ausdruck einer Selbstverunsicherung und Schwellenbefindlichkeit lesbar ist.
Die im Vortrag forcierte Unfähigkeit zur Ich-Festschreibung korrespondiert mit einer ausbleibenden geschlechtsspezifischen Subjektpositionierung und hierbei unter Umständen mit einer Doppelgängerei, die an literarische wie transmediale Traditionen anknüpft. Eine solche Transtextualität erfolgt teils benannt, teils unbenannt zwischen den Zeilen. In der grafischen Literatur ermöglicht zudem das Nebeneinander der Panels sowie deren Übergänge multiperspektivische Transitionen einer lokal-temporalen Gleichzeitigkeit.
Exemplarisch herangezogen werden u.a. Außer sich (2017) und Im Menschen muss alles herrlich sein (2021) von Sasha Marianna Salzmann, deren Romane als Modell einer Literatur dient, die Heterogenität kaleidoskopartig mischt und hierbei das Jüdischsein besonders betont. Matthias Lehmanns Comic Parallel (2021) fokussiert eine zerrissene Biografie im Deutschland der Nachkriegszeit, deren zahlreiche Retrospektiven das Doppelleben eines Familienvaters und Homosexuellem zwischen Ost und West, Stadt und Land offenbaren. Diesbezüglich erfolgen transtextuelle Seitenblicke auf die Comic-Biografie The Life of Gad Beck: Gay. Jewish. Nazi Fighter (2019) von Dorian Alexander and Levi Hastings.

 


Lesung "Flussgang" (2023)

Robert Schindel (Wien)

Datum: 20. Juni 2024
Zeit: 20 Uhr
Ort: U2/00.25

Robert Schindels neuer Gedichtband behandelt das Leben in all seinen Facetten. Der mit vielen Preisen ausgezeichnete Wiener Lyriker, der jüngst seinen 80. Geburtstag feierte, hat zwar immer wieder Abschiede im Blick und auch das Altern zum Thema, aber das Bemerkenswerte dieses Gedichtbandes ist, dass hier das Staunen über das Leben selbst einen großen Raum einnimmt. Mit ungewöhnlichen und sehr eindringlichen Sprachbildern wird selbst Unscheinbares, die Vögel am Fenster, der Blick auf die Stadt, zu einem Gedanken, der das lyrische Ich tief verbunden zeigt mit seiner Welt, die es so unermüdlich beobachtet. Nicht zuletzt ist es die Liebe zum Leben und zu den Menschen, die im Mittelpunkt dieser hochsensiblen und zugleich augenzwinkernd leichtfüßigen Gedichte stehen.

Prof. Dr. Iris Hermann
Die Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft

"Was wird
Was wird noch aus meiner Zeit
Die Kaffeehäuser geschlossen
Die Wortgefechte verstummt
Täglich die Abendsonne
Die Nächte immer schwerer werdende
Stockdunkle Bettdecken
Doch die Spätliebe
Unter den Sternen"  (Robert Schindel, aus Flussgang)

»[Die Dichtung] erweist sich für [Robert Schindel] als Mittel des Aufbegehrens, gegen die Widrigkeiten der menschlichen Existenz, gegen die Diktionen des altersbedingten Leidens. ... Hoffen wir ... dass uns noch weitere Versexpeditionen auf verschlungenen Pfaden bevorstehen!«  (Björn Hayer, Frankfurter Rundschau)