26.05.2025 ORF.AT SCIENCE: Digitaler Humanismus von KI gefordert
Wichtige menschliche Fähigkeiten bedroht
Kaum ein Bereich zeigt so deutlich wie das Bildungswesen, wie dringend ein menschenzentrierter Zugang zu Digitalisierung und KI ist. Denn die nächste Generation wächst in einer Welt auf, die stark von digitalen Technologien geprägt ist – und dabei droht, dass wichtige menschliche Fähigkeiten vernachlässigt werden.
„Auch wenn ich als KI-Forscherin davon überzeugt bin, dass die neuen Ansätze viel Potenzial haben, Menschen bei komplexen Entscheidungs- und Problemlöseprozessen zu unterstützen, überwiegt bei mir aktuell die Sorge“, erklärt Ute Schmid, Direktorin des Bamberger Zentrums für Künstliche Intelligenz, im Rahmen der Konferenz.
Kinder und Jugendliche seien einer digitalen Umgebung ausgesetzt, die „auf schnelle Befriedigung oberflächlicher Bedürfnisse abzielt“. Dabei gehe die intrinsische Motivation, die Fähigkeit zum Durchhalten und das Gespür für Qualität verloren. „Um es mit Joseph Roth zu sagen: ‚Der Mangel an geistigem Lebensgehalt bedingt den Mangel an Humanität.‘“
Digitaler Humanismus als Bildungsauftrag
Für die Forscherin ist klar: „Digitaler Humanismus heißt für mich, dass wir Technologien wie Künstliche Intelligenz zum Wohle aller Menschen nutzen.“ Bildung müsse die Grundlage dafür schaffen. Kinder sollten lernen, digitale Werkzeuge nicht nur zu konsumieren, sondern kreativ und kritisch mit ihnen umzugehen. „KI- und Datenkompetenz müssen Teil der Allgemeinbildung werden – und zwar schon ab der Grundschule.“
Die Forscherin setzt auf ein didaktisch durchdachtes Modell, das auf dem sogenannten Dagstuhl-Dreieck basiert. Dabei gehe es nicht nur um Nutzungskompetenz, sondern auch um grundlegendes Konzept- und Methodenverständnis.
Analoge Welt wertschätzen
Im schulischen Kontext plädiert Schmid für „menschenzentrierte, erklärbare KI“. Dabei gehe es nicht darum, den Lehrer oder die Lehrerin zu ersetzen, sondern individuelle Förderung zu ermöglichen. Gefährlich sei hingegen der unreflektierte Einsatz generativer Systeme.
„Wir Menschen leben in einer analogen Welt, die viele schöne Erfahrungen zu bieten hat. Sei dir bewusst, welche Dinge du nur im Analogen erleben kannst. Lass dich nicht durch schnelle billige Belohnungen verführen. KI-Systeme können helfen, aber du bleibst die Person, die entscheidet, wann du welches Werkzeug wozu einsetzt“, so Schmid.
Autor: Siegfried Steinlechner