Wie verändern sich die zentralen gesellschaftlichen Konfliktstrukturen in Deutschland? Social Media Analytics kollektiver Proteste und Bewegungen

Inhalt und Ziele


Konflikte sind eine treibende Kraft des sozialen Wandels und ein tragendes Element moderner Demokratien. Dies gilt besonders für geregelte Konflikte wie etwa den Parteienwettbewerb in der Politik. Über den fortwährenden Ausgleich gegensätzlicher Interessen leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Sozialintegration. Sobald sich Konflikte aber ungeregelt entfalten – das Spektrum reicht von "Hasskommentaren" im Internet (online) bis hin zur kollektiven Gewalt (offline) – können sie die soziale Ordnung unterhöhlen. Im Rahmen des interdisziplinären Projekts soll der Wandel von Strukturen und Dynamiken gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland untersucht werden. Im Zentrum steht dabei einerseits der Aufbau einer umfangreichen Datenbasis über Konflikte, Protestwellen und soziale Bewegungen auf der Grundlage neuer digitaler Datenquellen (u.a. Twitter und Facebook). Zum anderen sollen die Konsequenzen untersucht werden, die sich aus der Verlagerung von Konflikten in die sozialen Medien für die Demokratie ergeben. Zentral ist die Frage, inwiefern Konflikte in soziale Medien übertragen werden und welche Konsequenzen damit für Demokratien und den Umgang mit neuen Formen der Partizipation verbunden sind.

Methoden


Auf der Basis von Printmedien, digitalen Medien (z.B. Spiegel Online) und sozialen Medien (Facebook, Twitter) sollen relevante soziale Protestbewegungen als Träger zentraler gesellschaftlicher Konflikte identifiziert werden. Dazu wird eine umfangreiche Datenbasis durch voll- und teilautomatisierte Erhebungsverfahren generiert. Die Datenauswertung erfolgt durch qualitative (Diskursanalysen, Protestereignisanalysen) und computergestützte quantitative Methoden (Methoden der maschinellen Sprachverarbeitung; Methoden des maschinellen Lernens). Eine weitere methodische Ergänzung bildet die Netzwerkanalyse der an Protestbewegungen und Konflikten beteiligten Akteure. Als Grundlage dienen die zuvor erfassten prozessgenerierten Daten in Form von digitalen Kommunikations-, Interaktions-, und Beziehungsstrukturen, die vornehmlich auf Social Media Plattformen anfallen, sowie Verlinkungsstrukturen auf Blogs und Webseiten und aus Beiträgen und Kommentaren abzuleitende Diskussionsstrukturen.

Bamberger Kompetenzen


Soziologische Theorie: Prof. Dr. Thomas Kern

Thomas Kern (20.01.1968) beschäftigt sich aus institutionentheoretischer und netzwerkanalytischer Perspektive mit dem Wandel von Konfliktstrukturen. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Ursa-chen, Dynamiken und Wirkungen kollektiver Mobilisierungsprozesse in Politik, Religion und Zivilge-sellschaft. In seinen empirischen Studien untersuchte er u.a. die Transformation von Märkten, Demo-kratisierungsprozesse, Protestbewegungen und den religiösen Wandel in Südkorea, den USA und Deutschland. Von 2010 bis 2013 leitete er das Graduiertenkolleg "Die Grenzen der Zivilgesellschaft" an der Universität Heidelberg. Seit 2016 ist er Sprecher der DGS-Sektion für politische Soziologie. In den Studiengängen der Soziologie verantwortet er u.a. das Lehrgebiet Internet und Kommunikation. Ein aktuelles DFG-Projekt (ab 01.10.19) lautet: "Wie entstehen religiöse Märkte?"

Wirtschaftsinformatik: Prof. Dr. Kai Fischbach

In Forschung, Lehre und Transfer befasst sich Kai Fischbach (05.09.1972) mit Netzwerken, deren Strukturen Beziehungen zwischen Menschen, Organisationen und Technologien im privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Bereich beschreiben. Das übergeordnete Forschungsziel seiner Projekte ist ein verbessertes Verständnis der Entstehung, Dynamik, Eigenschaften und Effekte dieser Strukturen sowie der komplexen Systeme, in welche sie eingebettet sind. Seine Forschungs- und Transferprojekte sind interdisziplinär angelegt und erstrecken sich auf verschiedene Kernbereiche, insbesondere Verfahren zur Analyse von Social-Media-Netzwerken, Systeme zur Verbesserung des Krisen- und Katastrophenmanagements sowie neuartige Formen der betrieblichen Organisation, Kooperation und Interaktion im Kontext der Digitalisierung. Gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Gloor (Massachusetts Institute of Technology, USA) arbeitet er an der Weiterentwicklung der Software Condor, die eine Erhebung von Digital Trace Data und die Analyse sozialer Netzwerkdynamiken erlaubt.

Politische Soziologie: Prof. Dr. Marc Helbling

Marc Helbling (24.6.1977) beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Konflikten im Kontext von Einwan-derung auf der individuellen Ebene, wenn es um Vorurteile gegenüber oder die Integration von Mig-ranten geht. Auf der institutionellen Ebene analysiert er u.a. die Regulierung von Einwanderung, In-tegration und Einbürgerung. Zudem hat er zur Entwicklung von gesellschaftlichen Konfliktstrukturen und Populismus in Westeuropa geforscht. Von 2011 bis 2016 hat er eine Emmy-Noether-Gruppe Im-migration Policies in Comparison geleitet.