Coronavirus wird für den Handel in Deutschland zu einer enormen Belastungsprobe

Die Infektionen mit dem sogenannten Coronavirus steigen in Deutschland dynamisch an. Datenvergleiche des Lehrstuhls für Produktion und Logistik der Universität Bamberg zeigen, dass der bisherige Infektionsverlauf nahezu deckungsgleich mit Italien bei einer zeitlichen Verschiebung von neun Tagen ist. Aufgrund eines fehlenden Impfstoffes ist die einzige Möglichkeit, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, die massive Einschränkung der sozialen Kontakte. Italien hat deshalb seit Donnerstag, 12.03., alle stationären Geschäfte mit Ausnahme von Apotheken und Lebensmittelgeschäften geschlossen. Ein ähnliches Szenario erscheint für Deutschland aufgrund der Verlaufsanalogien nicht mehr gänzlich unrealistisch und würde den durch die digitale Transformation bereits strapazierten stationären Handel massiv belasten. Als Gewinner der Krise könnte sich der Onlinehandel erweisen.

Am 28.01. wurde erstmalig eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus in Deutschland bestätigt [1]. Ein Mann aus dem Landkreis Starnberg hatte sich infiziert [2]. Nachdem sich die ersten Infektionsketten vollständig zurückverfolgen und isolieren ließen, ist dies aufgrund des exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen mittlerweile nicht mehr möglich. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts waren am 12.03. insgesamt 2.369 Infektionsfälle bestätigt. Noch deutlich stärker betroffen ist in Europa Italien mit bislang 15.113 bestätigten Infektionen. Um die Infektionsgeschwindigkeit einzuschränken, hat die italienische Regierung in der Folge starke Einschränkungen des öffentlichen Lebens verfügt. So sind seit Donnerstag, 12.03., alle stationären Geschäfte mit der Ausnahme von Lebensmittelhändlern und Apotheken für vorerst zwei Wochen geschlossen. Obwohl derartig drastische Maßnahmen in Deutschland seitens der politischen Entscheidungsträger noch ausgeschlossen werden, zeigen sich zwischen den Infektionsverläufen beider Länder mit einer zeitlichen Verzögerung von neun Tagen deutliche Parallelen (vgl. Tabelle 1 und Abbildung 1). Sollte es in den kommenden Tagen nicht gelingen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus deutlich zu reduzieren, wirkt ein ähnliches Szenario für Deutschland deshalb nicht mehr gänzlich unrealistisch und hätte große Konsequenzen für die Handelsbranche.

"Bereits jetzt erfordern die durch die Hamsterkäufe der vergangenen Wochen verursachten erhöhten Schwankungen der Bedarfsverläufe – die so nicht zu prognostizieren waren – einen beachtlichen zusätzlichen Koordinationsaufwand, um die Warenverfügbarkeit zu gewährleisten" umschreibt Lehrstuhlinhaber Univ.-Prof. Dr. Eric Sucky die aktuelle Situation. Des Weiteren rechnet Dr. Asdecker in den kommenden Wochen durch die weltweit gestörten Wertschöpfungsnetzwerke mit Lieferengpässen und steigenden Einkaufspreisen. Sollte nun zusätzlich zu diesen Belastungen eine Schließung der Geschäfte drohen, kann dies zu existenziellen Problemen für stationäre Händler führen. "Die Lage des niedergelassen Einzelhandels ist auch ohne Corona durch den intensiven Wettbewerb angespannt. Ein Blick in die deutschen Innenstädte reicht, um zu erkennen, dass sich die Anzahl der Geschäftsaufgaben häuft. Corona kann für die verbliebenen Händler zu einer echten Gefahr werden. Dies sollte man bei der Diskussion möglicher Wirtschaftshilfen unbedingt berücksichtigen", so Dr. Asdecker.

Gleichzeitig ergeben sich aus der aktuellen Krise aber auch Chancen. Diese sieht Dr. Asdecker insbesondere für den Onlinehandel. "Die Reduktion von Sozialkontakten wird dazu führen, dass große Bevölkerungsteile in den kommenden Tagen und Wochen vermehrt Zeit im Internet verbringen und dort auch bestellen. Dies wird neue Kundengruppen erschließen." Zwar werden der Onlinehandel und die Zustellbranche nicht vom Coronavirus verschont bleiben. Gleichwohl lässt sich das Geschäftsmodell aufgrund des minimalen persönlichen Kontakts im Krisenfall grundsätzlich aufrechterhalten und kann deshalb einen wichtigen Versorgungsbeitrag leisten. Eine besondere Gelegenheit ergibt sich nach Meinung von Dr. Asdecker für den Lebensmittel-Onlinehandel. Bislang kaufen Kunden Lebensmittel nur sehr selten im Internet. Bei einem gesamten jährlichen Lebensmittelumsatz von etwa 200 Mrd. Euro werden davon in Deutschland bislang nur etwa 1,6 Mrd. im Internet erzielt. Dies entspricht weniger als einem Prozent. "Wenn es die Lebensmittel-Onlinehändler in den kommenden Wochen schaffen, ihre Ausliefernetzwerke aufrecht zu erhalten, könnte das für dieses schwierige Marktsegment einen Durchbruch darstellen und dem Onlinehandel langfristig zu weiterem Wachstum verhelfen", schlussfolgert Dr. Asdecker.

Quellen für Infektionszahlen:

[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html (Stand 12.03.2020, 18 Uhr)
[2] http://www.salute.gov.it/portale/nuovocoronavirus/dettaglioContenutiNuovoCoronavirus.jsp?lingua=italiano
&id=5351&area=nuovoCoronavirus&menu=vuoto
(Stand 12.03.2020, 21 Uhr)

Weitere Informationen finden Sie hier:

Ansprechpartner ist unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Herr Dr. Björn Asdecker.

verfasst am 13.03.2020