Geschlechtersensible Forschung: Das Netzwerk "European Network For Gender Balance in Informatics"

kUNI stellt Projekte der Uni Bamberg vor, die geschlechtersensibel forschen.

Im Rahmen des Projekts GENIAL forschen stellt die Universitätsfrauenbeauftragte Prof. Dr. Astrid Schütz zusammen mit dem Frauenbüro ein Netzwerk zu geschlechtersensibler Forschung auf die Beine und zeigt, was es an der Universität Bamberg schon alles für interessante Projekte, Publikationen und Veranstaltungen gibt, die in ihrer Forschung unterschiedliche Geschlechterperspektiven berücksichtigen. kUNIgunde präsentiert nun einige davon und fragt, was geschlechtersensibles Forschen eigentlich bedeutet. Diesmal berichtet Prof. Dr. Ute Schmid über das COST (European Cooperation in Science and Technology) Netzwerk "European Network For Gender Balance in Informatics".


Sie sind gemeinsam mit Prof. Dr. Daniela Nicklas und Caroline Oehlhorn am von der EU geförderten „European Network For Gender Balance in Informatics“ beteiligt. Was sollten wir unbedingt darüber wissen? Um was handelt es sich bei diesem Netzwerk genau?

COST Actions sind eine von der EU geförderte Programmlinie mit dem Ziel, den Aufbau von interdisziplinären Forschungsnetzen zu innovativen Themen zu unterstützen und dabei Forschende aus vielen europäischen und assoziierten Ländern zusammenzubringen. Aktuell werden 289 solche Netzwerke gefördert, an denen 45000 Forschende beteiligt sind. Das COST Netzwerk EUGAIN ist 2020 gestartet. Die Antragsstellung und Koordination liegt bei Informatics Europe – dem Dachverband der europäischen Informatik, bei dem die Universität Bamberg Mitglied ist. Im Rahmen von Informatics Europe gab es von 2012 bis 2020 eine sehr aktive Arbeitsgruppe für Gender Diversity – die Women in Informatics Research and Education" (WIRE) Working Group, die nun in EUGAIN aufgegangen ist. Für Deutschland sind die RWTH Aachen und die Universität Bamberg in COST vertreten. Wir haben uns vier Themen vorgenommen, bei denen wir den Ist-Zustand von Frauen in der Informatik in den verschiedenen Ländern erheben, Barrieren besser verstehen, und Maßnahmen entwickeln wollen. Unserer der vier Bereiche ist: Übergang von der Schule zum Studium, Dabei gibt es regelmäßige Meetings und jährliche Workshops. Wir haben uns im Wesentlichen in vier Gruppen aufgeteilt, bei denen es darum geht, vom Studium zur Promotion, von der Promotion zur Professur, und als letzten Bereich die Kooperation mit Industrie und Gesellschaft. Die Universität Bamberg hat bereits ein langjährig entwickeltes und erfolgreiches Maßnahmenpaket für den Übergang von Schule zu Studium. Aus diesem Grund haben wir uns im Projekt entschieden, in der zweiten Gruppe mitzuarbeiten – also den Übergang von Studium zu Promotion. Hier haben wir uns stark bei der Entwicklung und Umsetzung eines Fragebogens eingebracht, mit dem im europäischen Vergleich Barrieren bei der Entscheidung zu einer Promotion in der Informatik ermittelt werden sollen.

 

Worin liegen Erkenntnisse Ihrer Arbeit für die Genderforschung/Genderdebatte?

Nach wie vor sind Frauen in MINT-Fächern unterrepräsentiert. Als ich im Jahr 2004 an die Universität Bamberg kam und das Amt der Fakultätsfrauenbeauftragten übernommen habe, war ich – bis im Jahr 2012 meine Kollegin Daniela Nicklas berufen wurde – die einzige Frau im Kollegium, wir hatten einen Studentinnenanteil von etwa 12 Prozent und nicht einmal eine Hand voll Doktorandinnen. Seit dieser Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Gender in der Informatik und möchte besser verstehen, warum so viel weniger Frauen als Männer ein Studium der Informatik aufnehmen und was es im Verlauf des Studiums und der beruflichen Weiterentwicklung für genderspezifische Barrieren gibt.
Ich lerne immer noch dazu, aber ein paar wesentliche Erkenntnisse, die ich über die Jahre gewonnen habe, sind:

  • Es ist absolut wichtig, Mädchen bereits ab der Grundschule und dann kontinuierlich über die Pubertät hinweg, immer wieder Angebote zu machen, bei denen sie hands-on Erfahrung mit Informatik machen können. Nur so können Neigungen und Interesse entdeckt und entwickelt werden.
  • Studentinnen unterschätzen ihre Kompetenzen im Studium oft. Entsprechend sollte man darauf achten, Studentinnen gezielt Rückmeldungen zu ihren Leistungen zu geben.
  • Frauen nehmen sich oft defensiv aus dem Feld, wenn es um Überlegungen für wissenschaftliche Karriere geht. Sie haben wenig Rollenmodelle und entscheiden für sich, dass Wissenschaft und Familie nicht gut vereinbar sind, ohne es zu versuchen. Hier müssen wir gezielt Rollenmodelle sichtbar machen.

 

Wie forscht man Ihrer Meinung nach gendersensibel?

Ich bin Informatik-Professorin und meine eigene Forschung ist im Bereich Künstliche Intelligenz. Hier wurde ja in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass aus Daten gelernte Modelle Frauen unfair benachteiligen können. Bekannt wurde zum Beispiel 2021 die Diskriminierung von Frauen bei der Werbung von Stellen, bei denen Frauen systematisch nicht für Stellen im IT-Bereich angesprochen wurden. Man spricht hier von unfairen Modellen. Die Ursache dafür liegt in der Auswahl von Daten, mit denen ein Modell trainiert wird. Werden naiv einfach die vorliegenden Daten genommen, dann wird ein möglicherweise unbalancierter und unfairer Sachverhalt in der Gesellschaft unreflektiert ins Modell übernommen. Es gibt aktuell sehr viel spannende Forschung dazu, wie man faires maschinelles Lernen umsetzen kann. In meiner Gruppe hat kürzlich eine Masterandin eine tolle Arbeit zu diesem Thema abgeschlossen: Louisa Heidrich hat einen Ansatz des erklärenden und interaktiven Lernens so erweitert, dass unfaire Modelle besser erkannt und korrigiert werden können. Im Rahmen seiner Masterarbeit hat sich Jonas Troles mit dem Thema Genderbias bei der maschinellen Übersetzung befasst. Die Ergebnisse konnten wir auf einer internationalen Konferenz publizieren (Link zur Publikation). Das Thema hat er zuvor bereits in unserem Seminar Genderaspekte der Informatik (gemeinsam mit Genderaspekte der Wirtschaftsinformatik) bearbeitet, das 2022 mit dem Bettina-Paetzold-Preis ausgezeichnet wurde. Bettina Finzel, Doktorandin in meiner Gruppe, hat mit zwei weiteren Doktorandinnen zu diesem Thema bei FORSCHEnden FRAUEN 2020 vorgetragen. Da ging es vor allem um die Bereiche Medizin und Emotionserkennung.

 

Welchen strukturellen Herausforderungen mussten Sie sich bei der Umsetzung des Projekts stellen, vielleicht auch in Bezug auf das gendersensibles Forschen?

Beim COST-Netzwerk ist die wesentliche Herausforderung, neben allen anderen Aufgaben genügend Zeit dafür zu finden. Generell ist es natürlich nicht so leicht, neben den üblichen Arbeiten in Forschung, Lehre und Selbstverwaltung, die bei mir eben im Bereich KI sind, auch noch Zeit zu finden, um sich mit Genderfragen auseinanderzusetzen.

 

Woher nehmen Sie die Unterstützung diese Herausforderung zu meistern? Welche Unterstützung gab und gibt es dafür?

Wir haben an der Fakultät WIAI ein absolut tolles Team, das die Arbeit der Frauenbeauftragten unterstützt. Caroline Oehlhorn hat beispielsweise das Seminar zu Genderaspekten der (Wirtschafts-)informatik übernommen, als Kai Fischbach, mit dem ich das Seminar vorher gemeinsam gemacht habe, Präsident der Universität geworden ist. Caroline Oehlhorn, Franziska Paukner und Romy Hartmann stecken viel Zeit in die Organisation unserer Nachwuchsprogramme, speziell auch die für Mädchen – die Mädchen und Technik Workshops, die wir seit 2005 jährlich durchführen und den Girls'Day, bei dem wir seit 2006 jährlich dabei sind. Auch wenn das vielleicht blöd klingt: aber meinen Weg vom Studium bis zur Professur bin ich einfach mit viel Begeisterung fürs Thema gegangen, dann macht die viele Arbeit, bei der man auch häufig den Abend und das Wochenende nutzt, einfach auch Spaß – nicht immer, aber oft genug, dass es immer weitergeht. Meine Familie sind eher die leidtragenden und müssen oft zurückstecken, was mir vor allem für meine Tochter schon oft sehr Leid getan hat, vor allem als sie noch klein war.

 

Warum ist Ihre Forschung auch für die Allgemeinheit von Interesse?

Ich arbeite an der Entwicklung von Methoden für erklärbare KI und partnerschaftliche KI-Ansätze. Damit liefere ich meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von KI-Systemen, bei denen es darum geht, menschliche Kompetenzen mit Hilfe von KI zu erweitern und nicht Menschen Kompetenzen wegzunehmen.

 

Was sollten sich am Thema Interessierte anschauen oder anhören?

Als erstes würde ich natürlich das Buch empfehlen, mit dem wir 2022 als eine von zehn Hochschulen bei der Ausschreibung „Eine Uni – ein Buch“ gewonnen haben: Rebooting AI – Building Artificial Intelligence We Can Trust von Gary Marcus and Ernest Davis. Als Film zum Thema KI absolut sehenswert Ex Machina aus dem Jahr 2015. Und aktuell produzieren wir eine Podcast-Reihe mit dem Titel Servus KI – da bin ich mal optimistisch und sage, dass es sich lohnen wird, sie anzuhören.

 

Wir bedanken uns für das Gespräch!

 

Mehr zum Thema Künstliche Intelligenz an der Uni Bamberg gibt es hier.