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Festakt 2023

Der diesjährige Festakt der Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft zieht ein Resümee zur Gleichstellungsarbeit an Universitäten. Neben einem informativen Vortrag wurden zahlreiche Preise an Nachwuchswissenschaftler*innen vergeben.

Text: Theresa Werheid


Feiern als Akt der Gegenwehr – Der Festakt der Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft

 

Endlich wieder in Präsenz

Festlich geschmückt erscheint an diesem Abend der Hörsaal in der U7 – denn, endlich kann der Festakt der Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft wieder in Präsenz stattfinden. Es ist das erste Mal seit der Pandemie. Festrednerin ist Dr. Margit Weber, die langjährige Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (LaKoF) an Bayerischen Hochschulen.

Aktuelle Entwicklungen an bayerischen Hochschulen und in Bayern generell

Die Universitätsgleichstellungsbeauftragte in der Wissenschaft, Prof. Dr. Astrid Schütz, eröffnet den Abend und begrüßt die Festgemeinschaft herzlich. Man könne nun gemeinsam auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken: mit der Universitätsleitung wurde eine Berufungssatzung etabliert, die mehr Sicherheit für faire Berufungsverfahren gibt und der Hochschulvertrag, der die Gleichstellungsarbeit fest im universitären Alltag verankert, auf den Weg gebracht. Trotzdem gebe es noch allerhand zu tun. Denn Bayern bildet ein Schlusslicht bei Fragen der Kinderbetreuung – in Bamberg ist es nicht besser: ein riesiges Problem für berufstätige Eltern. Unüberhörbar war in den letzten Tagen auch die Stimmungsmache gegen inklusiven Sprachgebrauch, insbesondere das sogenannte Gendersternchen. Die Universitätsleitung und die Gleichstellungsbeauftragten halten jedoch an den Empfehlungen für gendergerechten Sprachgebrauch fest, bestätigt Astrid Schütz. Bevor sie an den Präsidenten Prof. Dr. Kai Fischbach übergibt, teilt sie noch eine positive Nachricht: das Projekt GEschlechterpoteNzIALe nutzen – Gesellschaft verändern (GENIAL forschen) wurde als Pilotprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Der Fortsetzungsantrag über weitere 5 Jahre wurde positiv begutachtet. Das Projekt soll geschlechtersensible Forschung an der Universität Bamberg stärken und auszubauen.

Kai Fischbach: „Es gibt noch viel zu tun.“

Wie wichtig die Zusammenarbeit aller Gleichstellungsbeauftragten mit der Universitätsleitung ist, betont auch Präsident Kai Fischbach. In seinem Grußwort bedankt er sich für die großartige Arbeit und das vertrauensvolle und konstruktive Miteinander und verweist auf die Erfolge des letzten Jahres, die insbesondere auf das „außerordentliche Engagement der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Teams“ zurückzuführen seien. Auch er hebt hervor, dass die gemeinsame Arbeit selbstverständlich noch lange nicht abgeschlossen sei. Mit großer Sorge blicke er auf die Restaurationsbewegung weltweit, speziell aber auch in Europa, die darauf abziele Erreichtes wieder zurückzudrehen. Er appelliert: „Für uns an der Universität heißt es Dagegenhalten, Aufklären und Vorschläge unterbreiten – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kritisch begleiten und unseren Beitrag zu leisten, um die Welt besser zu machen.“

Es sei zwar unbequem und anstrengend, sich für Gleichstellung einzusetzen, jedoch zweifellos eine wichtige und notwenige Arbeit. Und das gelte selbstverständlich nicht nur für die Kategorien Mann und Frau, sondern auch für all diejenigen, die sich außerhalb des binären Geschlechtermodells wiederfinden, so Kai Fischbach. 

Hochschulen und Universitäten waren und sind immer noch männlich dominiert

Wie es an Universitäten aussah – und momentan aussieht – trägt Dr. Margit Weber in ihrer Festrede zusammen. Es klingt nach schlechten Witzen, was die langjährige Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Bayerischen Hochschulen aus den Geschichtsbüchern, die ihr in ihrer Forschung untergekommen sind, zitiert. So schreibt ein Benediktinermönch um das Jahr 1020: „Eine Frau, die sich redlich um Tugendhaftigkeit bemüht, kann wahrhaftig als Mann bezeichnet werden.“ Der Mann galt damals als Maßstab. Weiter zitiert Margit Weber aus dem Zeugnis einer Lehrerin, welches circa Tausend Jahre später verfasst wurde. Die Schülerin „stehe auf allen Gebieten ihren Mann“. Denn sie sei selbstsicher und gewissenhaft und besitze großes Denkvermögen und Tatendrang. Attribute, die damals ganz klar männlich besetzt waren. Etwa um dieselbe Zeit, also Anfang des 20. Jahrhunderts, fühlten manche sich an der Universität Würzburg, durch Hüte von Frauen in den Vorlesungssälen gestört. Studentinnen wurden als unweiblich verpönt. Außerdem wurde ein Niedergang des wissenschaftlichen Niveaus an Universitäten mit der Einführung des Frauenstudiums vorhergesagt.

Ein Blick auf die Universität heute – „Nichts ist gegeben.“

Bezogen auf die aktuelle Situation fragt Margit „Wo bleibt der viel beschworene, sich von selbst einstellende Wandel, wenn nur genügend Frauen im wissenschaftlichen System wären?“. Sie hält hier entgegen, dass wir seit mehr als 30 Jahren konstant im Durchschnitt bundesweit 50% Studentinnen an den Hochschulen haben, sich das aber keineswegs in einem ebenso deutlichen Anstieg des Frauenanteils an den Professuren widerspiegelt.  Sie selbst kann auf einige Errungenschaften in der Gleichstellungsarbeit zurückschauen, war Teil der Projekte und Programme, die den Frauenanteil an Professuren erhöhten und Frauen in der Forschung fördern sollten. Die Zahlen sind jedoch immer noch nicht zufriedenstellend. Margit Weber kämpfte lange dafür, dass nun endlich ein Paritätsprinzip für die Leitungen von bayerischen Universitäten und Hochschulen eingeführt wurde – also ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis unter Präsident*innen, Vizepräsident*innen und Kanzler*innen.

Einige Dinge haben sich also schon getan und doch gibt es noch jede Menge Gegenwind, den Weber auch in der Hochschulreform der vergangenen Jahre spürte. „Universität ist männlich – noch immer“, schlussfolgert die Rednerin. Von der Objektivität der Wissenschaft oder der Geschlechtsneutralität von Wissenschaft zu sprechen, die angeblich alles andere außer der Leistung ausblendet – und doch in Wirklichkeit nur das Weibliche ausblendet – scheint für Weber daher eher psychologische Trickserei als zutreffend zu sein. Wissenschaft ist leider immer noch ein von Männern gemachtes System mit Inhalten, Spielregeln und Vorbildern für Männer und für männliche Biografien.

Wieso verfolgen denn nun weniger Frauen eine Karriere in der Wissenschaft? Hier muss laut Weber sehr kritisch geprüft werden, ob es sich bei dieser vermeintlich freien Entscheidung von Frauen gegen eine wissenschaftliche Karriere nicht vielmehr um adaptive Präferenzen, d.h. um an strukturelle Ungerechtigkeiten angepasste Wünsche und Entscheidungen handelt. Wenn junge Frauen keine role models (also Vorbilder) sehen, wenn Kinderbetreuung und Vereinbarkeit nach wie vor karrierehemmende Hindernisse vor allem für Frauen darstellen, sexuelle Belästigung nach wie vor tabuisiert wird, Entscheidungen eher in inoffiziellen Männer-Runden vorbesprochen werden, ist es viel schwieriger, ein eigenes Karrierebewusstsein zu entwickeln und die Wissenschaft als Zukunft für sich zu sehen.

Den Erfolg von Frauen zu feiern ist Teil des Widerstands

Einen Teil zum erforderlichen Wandel tragen die Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft durch ihre Preise zur Förderung von Nachwuchswissenschaftler*innen bei. Der Bettina-Paetzold-Preis für gute Genderlehre geht in diesem Jahr an Yıldız Aşar aus der Amerikanistik, für ein Seminar zu feministischen Utopien in der Literatur („One Hundred Years of Herland: Reading Gilman's and Piercy's Feminist Utopias“). Die Universitätsgleichstellungsbeauftragte in der Wissenschaft Prof. Dr. Sabine Freitag, die den Preis übergibt, hat im Vorfeld mit Kolleg*innen und Studierenden von Yıldız Aşar gesprochen. Diese beschrieben sie als messerscharfe Denkerin, mutig, bescheiden – eine Person sagte wohl: „Die traut sich was.“ Als Frau in der Forschung zu bestehen, das erfordert Mut, Resilienz und Durchhaltevermögen. In ihrer Danksagung bringt es die Preisträgerin in bewegenden Worten auf den Punkt: „ We live, study, and work in a society that, sadly, still does not root for women, that does not celebrate women in their success, nor any individual who is marginalized within the hegemonic discourse. Therefore, to me, researching as well as teaching or encouraging our students to think critically about gender related topics and issues is a crucial act of resistance. Equally, to come here to celebrate together, to acknowledge and root for one another is perhaps one of the biggest acts of resistance that disrupts oppressing narratives.”

[Frei übersetzt: Wir leben, studieren und arbeiten leider in einer Gesellschaft, die Frauen nicht anfeuert, die weder Frauen für ihre Erfolge feiert noch andere Individuen, die im hegemonialen Diskurs marginalisiert sind. Deshalb ist für mich Forschen sowie Lehren oder meine Studierenden im kritischen Denken in Bezug auf Genderthemen zu ermutigen, ein entscheidender Akt des Widerstands. Gleichermaßen ist das gemeinsame Feiern, das Anerkennen und Anfeuern untereinander vielleicht eine der größten Widerstandshandlungen, die unterdrückende Narrative durchbrechen.]

Weitere Preise für Nachwuchswissenschaftlerinnen

Den Preis der Universitätsgleichstellungsbeauftragten für Studentinnen mit hervorragenden Leistungen (PUSh) erhalten in diesem Jahr Karoline Dürr, Madlen Gulitsch, Magdalena Stacheder und Lena Reitinger. Neben den Abschlussarbeiten der Preisträgerinnen wurden in diesem Jahr sehr viele außerordentlich gute, auf ihre Weise herausragende Arbeiten eingereicht. Die insgesamt 24 eingereichten Arbeiten kamen aus unterschiedlichen Fachbereichen und behandelten ganz unterschiedliche Inhalte. Somit waren das Lesen und das Diskutieren über die Arbeiten eine Bereicherung für die Jury, berichtet die Universitätsgleichstellungsbeauftragte in der Wissenschaft Prof. Dr. Silvia Annen stellvertretend. Besonders auffallend war die hohe Dichte an gesellschaftlich wirksamen Themen, was sich auch in den Titeln der preisgekürten Abschlussarbeiten widerspiegelt.

Für die Preisträgerinnen stellt der Preis klar einen ‚Push‘, einen Anstoß, dar: „Der Preis fühlt sich auf jeden Fall als eine große Anerkennung und eine große Wertschätzung an. Er vermittelt einem das Gefühl, dass das, was man gemacht hat, nicht ganz verkehrt war und es in die richtige Richtung geht. Dass man relevante Forschung leisten kann, und etwas beitragen kann, und es sich lohnt, die Forschung fortzusetzen.“, erzählt Madlen Gulitsch, eine der Preisträgerinnen.

Und damit ging der Abend in den gemütlichen Teil über, Silvia Annen eröffnet das Buffet. Es wurde gemeinsam angestoßen – auf das, was schon erreicht wurde, aber auch auf das, was es noch zu erreichen gilt.