Clevere Katzen und Hunde: Sehen Tiere die Welt genauso wie Menschen?

Neue Studie verwendet Katzenvideos zur Beantwortung.

 

Clevere Katzen und Hunde: Sehen Tiere die Welt genauso wie Menschen? Diese Frage stellten sich Bamberger Wissenschaftler und haben dazu Tiervideos analysiert.

 

Sehen Tiere die Welt so, wie Menschen es tun? Bisher kann die Forschung das noch nicht mit Sicherheit sagen. „Aber wir können die Sicht der Tiere besser verstehen, wenn wir uns anschauen, ob Tiere auf die gleichen visuellen Täuschungen hereinfallen wie wir“, meint Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre der Universität Bamberg. Gemeinsam mit Dr. Alexander Pastukhov, der am selben Lehrstuhl forscht, haben sich die beiden Wahrnehmungsforscher Ende 2020 etwa 100 Tiervideos auf Youtube und anderen Videoplattformen angesehen und stellen fest: „Offenbar gibt es auch in der Tierwelt die sogenannte Veränderungsblindheit.“

 

Augenbewegungen und äußere Ereignisse unterbrechen die Wahrnehmung des Menschen

Die Veränderungsblindheit ist ein Phänomen, das vor allem in der Wahrnehmungs- und Bewusstseinsforschung untersucht wird. Die Kernthese ist, dass der Mensch selbst große Veränderungen in seiner Umgebung nicht wahrnimmt, wenn diese Veränderungen auftreten während er eine Augenbewegung ausführt oder äußere Ereignisse die Wahrnehmung unterbrechen. „Die meisten von uns kennen das Phänomen bereits aus ihrer Kindheit von der Suche nach fünf Unterschieden auf Bildern“, sagt Claus-Christian Carbon. Was diese Aufgabe herausfordernd macht, sind die sogenannten Sakkaden, also die schnellen Augenbewegungen des Betrachters, die die Wahrnehmung unterbrechen.

 

Forschungen an Affen wie etwa Schimpansen und Makaken oder auch Tauben legen bereits nahe, dass Veränderungsblindheit möglicherweise nicht nur beim Menschen vorkommt. „Experimente mit Tieren sind jedoch teuer und schwierig in der Durchführung. Auch die Corona-Pandemie erschwert momentan die Forschung im Labor“, erklärt Kollege Pastukhov. „Warum werfen wir also nicht einen Blick auf unsere vierbeinigen Freunde: Katzen und Hunde?“

 

Tiervideos lassen darauf schließen, dass die Veränderungsblindheit auch in der Tierwelt auftritt.

„Katzen- und Hundevideos, die von Tierbesitzerinnen und -besitzern im Internet veröffentlicht wurden, liefern überraschende Indizien dafür, dass die Veränderungsblindheit auch in der Tierwelt existiert und vor allem bei der Jagd einen entscheidenden Vorteil für den Jäger bedeuten könnte“, erklärt Alexander Pastukhov. So ist auf einem der untersuchten Videos zu sehen, wie ein Hundebesitzer einen Knochen für seinen Husky auf den Boden legt. Immer wieder versteckt sich der Mensch hinter einer Mauer. Während er sich versteckt, scheint der Hund sich immer näher an den Knochen heranzuschleichen, denn sobald sein Besitzer wieder hinter der Mauer hervorschaut, bleibt der Hund abrupt stehen und wartet für die weitere Annäherung ab, bis sein Herrchen wieder hinter der Mauer verschwindet. In einem der unbeobachteten Momente schnappt sich der Husky den Knochen.

 

„Diese Videos lassen darauf schließen, dass Veränderungsblindheit nicht nur bei Menschen und Primaten vorkommt, sondern dass wir dieses Phänomen auch mit anderen Tieren wie zum Beispiel Gazellen oder Mäusen teilen. Ihre Fressfeinde, etwa Haus- oder Wildkatzen, scheinen diese Blindheit auszunutzen, um sie zu jagen“, erläutert Carbon. Abschließend sagt er: „Das Internet bietet uns vielfältiges Forschungsmaterial. Und das Tolle daran ist, dass es sich nicht um exklusive Daten handelt, die nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorliegen. Stattdessen stehen sie jeder interessierten Person zur Verfügung—und das selbst während eines Lockdowns.“

 

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https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/2041669521994597