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▼ Professorin Dr. Henriette Engelhardt-Wölfler [2007]

Leiterin der Professur für Bevölkerungswissenschaft

\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSITÄT BAMBERG

\\ INTERVIEW VON 2007

 

"Ich musste mir auch anhören, dass ich nur zum Vortragen auf Konferenzen eingeladen werde, um die Frauenquote zu erfüllen. Aber das sind böse Zungen, die so reden."


Herzlich willkommen in Bamberg Frau Prof. Engelhardt-Wölfler. Was hat Sie nach Bamberg verschlagen und wie gefällt es Ihnen hier?

Ich habe mich auf die ausgeschriebene Stelle der Professur für Bevölkerungswissenschaft beworben und durchlief das ganze Prozedere, mit einem Probevortrag, anschließender Anhörung und Berufungsverhandlungen. Zeitgleich zu dem Ruf nach Bamberg hatte ich auch einen Ruf nach Rostock, auf eine W3-Professur, habe mich aber schließlich für die W2-Stelle hier in Bamberg entschieden und bin froh darüber. Ich fühle mich sowohl in der Stadt, als auch in der Universität und unter den Mitarbeitern, außerordentlich wohl.

Welche beruflichen Stationen gingen Bamberg voraus?

Ich habe 1987 begonnen in Mannheim Soziologie zu studieren, zunächst mit Psychologie und Volkswirtschaft als zweites Wahlpflichtfach. Später spezialisierte ich mich auf Statistik. Gleich nach dem Ende des Studiums ging ich in die Schweiz an das Institut für Soziologie der Universität Bern, zu Prof. Andreas Dieckmann, der ein Fachmann für empirische Sozialforschung ist. Ich begann in Bern zu promovieren über ein nicht primär bevölkerungswissenschaftliches Thema. Ursprünglich wollte ich eine Arbeit über das Arbeitsangebot von Frauen im internationalen Vergleich schreiben und hatte begonnen, mit Daten der Laxenburg Income Study zu arbeiten. Für diese Daten muss jedes Land einen Beitrag entrichten; die Schweiz hat in dieser Zeit ihre Zahlungen eingestellt und so wurde mir der Zugang zu den Daten gestrichen und ich konnte die Doktorarbeit zu diesem Thema nicht fortsetzen. Glücklicherweise wurde vom Deutschen Jugendinstitut zu dieser Zeit der Familiensurvey erhoben. Ich bekam Zugang zu diesen Daten und arbeitete zum Thema Ehescheidungen. Das war mein, zugegeben nicht ganz freiwilliger, Einstieg in bevölkerungswissenschaftliche Themen. Aber ich begeisterte mich schnell dafür und schrieb eine Dissertation über die Dynamik von Ehescheidungen in Deutschland. Gleich nach Abschluss der Promotion bin ich an das Max Planck Institut für Bildungsforschung zu Karl Ulrich Mayer nach Berlin gegangen. Nach zwei Jahren in Berlin habe ich mich entschieden weiterzuwandern, weil ich in Berlin nicht primär über bevölkerungswissenschaftliche Themen arbeiten konnte. Der glückliche Umstand, dass kurz zuvor das Max Planck Institut für Demographie in Rostock gegründet wurde, ermöglichte mir, dort einzusteigen. So konnte ich meinen Weg in der Bevölkerungswissenschaft fortsetzen und seit dieser Zeit bin ich ihm treu geblieben. Nach 2 ½ Jahren in Rostock ging ich aus privaten Gründen nach Wien, wo ich ein interessantes Stellenangebot vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hatte.

Und die Habilitation?

Ja, jetzt fehlt noch die Habilitation. Eine Habilitation erfordert eine universitäre Anbindung. Ich war seit Abschluss der Promotion in Bern nicht mehr an einer Universität beschäftigt, meine universitäre Anbindung war aber während der ganzen Zeit das Institut für Soziologie der Universität Bern. Zur Zeit der Habilitation war ich in Wien beschäftigt, nahm aber noch Lehraufträge in Bern wahr und habilitierte auch dort. Die Kontakte nach Bern sind nach der Promotion nicht abgerissen. Auch während meiner Zeit in Berlin und Rostock war ich gelegentlich in Bern, um dort Seminare abzuhalten.

Haben Sie eine akademische Laufbahn von Beginn Ihres Studiums angestrebt?

Es war mir schon ganz zu Beginn meines Studiums klar, dass ich diesen Weg einschlagen wollte. Ich war während des ganzen Studiums als wissenschaftliche Hilfskraft tätig, mich hat das Leben und Treiben an der Uni immer fasziniert, und es war der Platz, an dem ich sein wollte.

Hatten Sie Vorbilder?

Ja, mein großer Lehrer ist Andreas Dieckmann, der mittlerweile auch weitergezogen ist, nach Zürich an die ETH (Eidgenössische, Technische Hochschule Zürich; Anm. d. Redaktion). Sie haben schon viele Themen gestreift, zu denen Sie bisher gearbeitet haben.

Was wird Ihr Schwerpunkt in Bamberg sein?

Ich habe meine Projekte aus Wien mitgebracht und arbeite derzeit an verschiedenen Fragestellungen. Ein Projekt, das die Öffentlichkeit interessieren könnte, beschäftigt sich mit der Erhöhung des Rentenalters, das aufgrund der Bevölkerungsalterung zur Sicherung der Rentensysteme notwendig wird. Dabei weiß man aber aus Studien von Psychologen und Medizinern, dass mit zunehmendem Alter u.a. die kognitive Leistungsfähigkeit nachlässt. Im Zuge dieser Diskussion interessieren mich nun besonders die Faktoren, die die kognitive Alterung bestimmen und durch die sich diese verzögern lässt. Ein zweites Projekt, an dem ich arbeite, geht dem Zusammenhang von Fertilität und Frauenerwerbstätigkeit nach. Traditionell war der Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen ja ein negativer, d.h. in Ländern, in denen die Fertilität hoch war, waren die Erwerbsraten niedrig und umgekehrt, in Ländern mit niedriger Fertilität waren die Erwerbsraten hoch. Diese Beziehung hat sich erstaunlicherweise Mitte der 1980er umgekehrt. Nun beobachten wir in Ländern mit einer hohen Frauenerwerbstätigkeit auch hohe Fertilitätsraten. Diese positive Korrelation zwischen Fertilität und Frauenerwerbstätigkeit widerspricht den gängigen ökonomischen, soziologischen und demographischen Theorien und es fragt sich, wie dieses Phänomen erklärt werden kann.

Da sind wir ja schon fast beim nächsten Thema: Wie war das denn bei Ihnen, Sie hatten viele Stationen auf ihrem Weg hierher, hieß eine auch „Familie gründen“?

Ja, ich bin verheiratet und habe eine kleine Tochter, sie ist nun fast 14 Monate alt. Das erfordert viel Disziplin und sehr viel Organisationstalent. Ich war hoch schwanger, als ich meinen Habilitationsvortrag in Bern hielt. Mein Bauch löste gewisse Irritationen in der Fakultät aus, aber da muss man ein gewisses Selbstbewusstsein mitbringen und sich über konventionelle Vorstellungen hinweg setzen, wissen wohin man will und dieses Programm durchziehen. Natürlich ist es manchmal nicht einfach, gerade jetzt, wo ich in Bamberg bin und mein Mann und meine Tochter in Wien sind. Wir hoffen, dass wir mittelfristig wieder zusammen wohnen können, aber da müssen auch die äußeren Umstände passen. Also einfach ist das mit Sicherheit nicht. Man ist natürlich sehr stark auf äußere Hilfe angewiesen, alleine könnten wir das nicht bewerkstelligen.

In einigen Interviews, die wir bereits geführt haben, wurde angeführt, dass die Sicherheit, eine unbefristete Stelle bekommen zu haben, den Ausschlag gab, eine Familie zu gründen. War das bei Ihnen auch so?

Das war bei mir überhaupt nicht so. Zu dem Zeitpunkt, als ich schwanger wurde, war Bamberg noch gar nicht ausgeschrieben. Meinen Probevortrag hier in Bamberg hielt ich, als unsere Tochter einen Monat alt war. Zu der Zeit, als wir darüber nachdachten, eine Familie zu gründen, hatte ich einen befristeten Vertrag, so wie das bei den meisten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fall ist. Aber irgendwann ist man auch in einem Alter, in dem man eine Wahl treffen muss; man kann diesen Entschluss nicht bis ins unendliche hinausziehen. Die Entscheidung für ein Kind wird für Frauen in der Regel vor der Habilitation fallen müssen, da die Ausbildungszeiten einfach zu lang sind. Die erste Professorinnenstelle fällt ja, wenn sie überhaupt kommt, doch eher in das Alter von Spätgebärenden.

Hatten Sie Unterstützung, z.B. Stipendien?

Ich hatte immer Vollzeitstellen, schon die erste Stelle in Bern war eine 100 Prozent Stelle, so dass ich mich um finanzielle Unterstützung nicht kümmern musste. Da hatte ich sicherlich Glück.

Was würden Sie Studentinnen raten, die einen ähnlichen Weg einschlagen möchten?

Ich glaube nicht, dass sich der Weg von Frauen und Männern hin zur Habilitation so gravierend unterscheidet. Was wichtig ist, das gilt für beide gleichermaßen, dass man innerhalb seines Fachbereichs eine Nische findet und sich in dieser Nische einen Namen macht. Man muss sich selbst ein kleines Forschungsfeld abstecken, das verknüpft wird mit dem eigenen Namen. Wenn einem das gelingt, ist man auf einem guten Weg. Man sollte sich nicht bedingungslos an irgendwelchen Vorbildern orientieren, sondern seinen eigenen Weg finden.

Hatten Sie das Gefühl, dass Sie während Ihrer Laufbahn mehr haben leisten müssen als männliche Kollegen?

Das ist eine schwierige Frage, denn ich habe mich nie direkt mit männlichen Kollegen verglichen. Das Geschlechterthema war auf meinem Weg nie so dominant, als dass ich mich damit auseinander gesetzt hätte. Aber es gab Situationen, in denen mir, im Gegenteil, vorgeworfen wurde, ich würde auf Grund meines Geschlechts protegiert. Allerdings glaube ich nicht, dass dem so war. Ich musste mir auch anhören, dass ich nur zum Vortragen auf Konferenzen eingeladen werde, um die Frauenquote zu erfüllen. Aber das sind böse Zungen, die so reden. Ich glaube nicht, dass ich es in meiner Laufbahn schwerer oder leichter gehabt habe. Gegen böse Zungen muss man sich natürlich von Zeit zu Zeit wehren, oder weghören.

Sie erhöhen den Professorinnenanteil an der Fakultät SoWi um 100 Prozent. Wie wurden Sie aufgenommen?

Ich wurde sehr freundlich aufgenommen. Ich denke, dass die Kollegen einfach froh waren, dass die Professur für Bevölkerungswissenschaft nach so langer Zeit wieder besetzt ist. Ich fühle mich sehr wohl im Umkreis der Kollegen und kann nur sagen, dass ich es mit der Stelle in Bamberg gut getroffen habe.

Glauben Sie, dass sich in der Zukunft der Anteil an Professorinnen erhöhen wird?

Ich denke schon, dass im Laufe des anstehenden Generationenwechsels an den Universitäten mehr Frauen auf Professuren berufen werden, wobei es aber in absehbarer Zeit sicher nicht zu einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis kommen wird. Dazu ist der Weg zur Professur zu lang und mit zu vielen Hindernissen behaftet.

Würden Sie, mit dem Wissen, das Sie heute haben, etwas an Ihrem Weg ändern?

Rückblickend habe ich zu den jeweiligen Zeitpunkten die richtigen Entscheidungen getroffen. Was ich mir gewünscht hätte, wäre, nicht so viele Wechsel gehabt zu haben. Denn es kostet sehr viel Zeit und Energie immer wieder den Ort zu wechseln, weil man sich immer wieder neu orientieren muss, immer wieder seinen Bereich suchen und abstecken muss und immer wieder mit neuen Projekten konfrontiert wird. Einen etwas geradlinigeren Weg hätte ich mir also sicher gewünscht und ein bisschen mehr Konstanz auf diesem Weg. Aber im Nachhinein kann ich sagen: Ende gut, alles gut.

Das finden wir auch. Vielen Dank für dieses Gespräch! Das Gespräch führten Johanna Bamberg und Melanie Worack.