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Geschlechtersensible Forschung: Darstellungen von Familie und Geschlecht in Bilderbüchern mit gleichgeschlechtlichen Eltern

kUNI stellt Projekte der Uni Bamberg vor, die geschlechtersensibel forschen.

Im Rahmen des Projekts GENIAL forschen stellt die Universitätsfrauenbeauftragte Prof. Dr. Astrid Schütz zusammen mit dem Frauenbüro ein Netzwerk zu geschlechtersensibler Forschung auf die Beine und zeigt, was es an der Universität Bamberg schon alles für interessante Projekte, Publikationen und Veranstaltungen gibt, die in ihrer Forschung unterschiedliche Geschlechterperspektiven berücksichtigen. kUNIgunde präsentiert nun einige davon und fragt, was geschlechtersensibles Forschen eigentlich bedeutet. Diesmal berichtet Dr. Lars Burghardt über das Forschungsprojekt zu Darstellungen von Familie und Geschlecht in Bilderbüchern mit gleichgeschlechtlichen Eltern.


Sie leiten das Projekt „Darstellungen von Familie und Geschlecht in Bilderbüchern mit gleichgeschlechtlichen Eltern“. Was sollten wir unbedingt darüber wissen? Um was handelt es sich bei diesem Projekt genau?

Bilderbücher sind zentrale Gegenstände der frühen Kindheit, sie sind aus Kinderzimmern und Kindertageseinrichtungen nicht wegzudenken. Da Bilderbücher nicht nur einen Beitrag für den Spracherwerb leisten, sondern auch einen Beitrag zur Kulturalisierung leisten, kann die Darstellung von gleichgeschlechtlichen Familien die kindliche Vorstellung über „Familie“ erweitern. Cloughessy und Waniganayake (2017) bezeichnen Bilderbücher mit Regenbogenfamilien als wertvolle Ressource zur Ausbildung egalitärer Geschlechtervorstellungen.

Internationale Studien zeigen, dass in Bilderbüchern mit Regenbogenfamilien in Teilen das Fehlen des Elternteils mit dem anderen Geschlecht als Problem dargestellt wird (z.B. Esposito, 2009) oder gleichgeschlechtliche Eltern in besonders hohem Maß an Rollenerwartungen und gesellschaftliche Normen "angepasst" wirken (Lester, 2014).

Wie "Familie" in deutschen Bilderbüchern mit gleichgeschlechtlichen Eltern thematisiert wird und welche Geschlechterrollen hier vermittelt werden, ist bislang weitestgehend unklar. Das Projekt soll zur Schließung dieser Forschungslücke beitragen.

 

Was reizt Sie an diesem Thema oder wie sind Sie dazu gekommen?

In einer vorherigen Analyse von Geschlechterdarstellungen in Bilderbüchern (Burghardt & Klenk, 2016), haben wir über 6.000 Figuren in Bilderbüchern analysiert und konnten aufzeigen, dass in Teilen gängige Stereotype abgebildet wurden. So wurde Care-Arbeit eher Frauen zugeschrieben, Jungen eher als mutig dargestellt und Männer eher in der Ausübung eines Berufes abgebildet. Als Nebenergebnis ist uns in der Analyse aufgefallen, dass wir in unserer Stichprobe wortwörtlich nur die Bilderbuchfamilie, bestehend aus Mutter, Vater und Kindern vorgefunden haben.

Aus dieser Tatsache ist die Idee entsprungen sich anzuschauen, wie Familie und Geschlecht in Bilderbüchern mit gleichgeschlechtlichen Eltern dargestellt werden. 

 

Worin liegen Erkenntnisse Ihrer Arbeit für die Genderforschung bzw. die Genderdebatte?

Im Projekt widmen wir uns einer zentralen Frage der Genderforschung, jener wie Geschlechter dargestellt werden und welche Attribute mit den verschiedenen Geschlechtern verknüpft werden. Auf diese Weise können die Geschlechterdarstellungen in Bilderbüchern einschränkend wirken, wenn sie vorrangig Stereotype dargestellt werden, geschlechtliche Vorstellungen können aber auch erweitert werden, wenn mit Geschlechterstereotypen gebrochen wird und es eine Vielfalt an geschlechtlichen Darstellungen gibt.

In Bezug auf die Genderdebatte kann das Projekt wertvolle Hinweise dafür geben, wie Gleichgeschlechtlichkeit verhandelt wird. Finden sich beispielsweise Elemente von „de-queering“ (Esposito, 2009)? Wird gleichgeschlechtlichen Paaren also das queere aberkannt und werden sie „wie jede andere Familie auch“ dargestellt? Wird versucht die Maske der Heteronormativität überzustülpen, indem ein Elternteil als das „männliche“ und eines als das „weibliche“ dargestellt wird?

 

Wie forscht man Ihrer Meinung nach gendersensibel?

Zu Beginn eines Forschungsvorhabens sollte eine Prüfung des Inhalts auf Geschlechterrelevanz stattfinden. Neben einer inhaltlichen Prüfung sollte sich auch die Frage gestellt werden, ob die Forschungsfrage und deren Ergebnisse Geschlechtsrelevanz besitzen. Anschließend an die inhaltliche Prüfung sollte zudem eine strukturelle Berücksichtigung von gender gewährleistet werden, dies umfasst sowohl Gleichstellungsaspekte als auch Aspekte der Sprache, z.B. in der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse

 

Warum ist Ihre Forschung auch für die Allgemeinheit von Interesse?

Die Darstellung von Geschlechterrollen und –stereotypen ist dahingehend von allgemeinem Interesse, da Bilderbücher den Heranwachsenden Hilfestellung geben sich ein Bild von der Welt zu machen, von den Normen und Werten sowie von kulturellen Übereinkünften. Bilderbücher können einen Einfluss auf die Geschlechtsidentitätsgenese von Kindern haben und ermöglichend oder einschränkend wirken. Sie sind ein Puzzlestück von vielen weiteren und zeigen unter welchen Bedingungen Kinder aufwachsen.

 

Was sollten sich am Thema Interessierte anschauen oder anhören?

Als Frühpädagoge kann ich sowohl einen Instagram-Kanal sowie ein Bilderbuch aus den Bereich der frühen Kindheit empfehlen: zum Einen also den Instagram-Kanal vielfalt_im_kinderzimmer und zum Anderen das Bilderbuch Alles Familie von Alexandra Maxeiner. Darüber hinaus lohnt es sich in jedem Fall den TED Talk von Chimamanda Adichie zur Gefahr von "single storys" empfehlen: https://www.youtube.com/watch?v=D9Ihs241zeg.

 

Wir bedanken uns für das Gespräch!

 

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.