Rotes Ampellicht

Warum ich dir als Feministin nicht erklären muss, was Feminismus ist

Autorin: Leonie Ackermann

aus der Sonderausgabe Oktober 2018 von "Der Rote Reiter"


Ich bin Feministin. Ich bin nicht nur Feministin im stillen Kämmerlein, sondern eine laute Feministin. Häufig fragen mich deshalb Menschen, was das denn bedeutet - Feminismus. Wie von den meisten Dingen, gibt es davon nicht nur eine Definition. Es gibt auch nicht nur einen Feminismus. Viele sprechen deshalb inzwischen von Feminismen. Ich sage normalerweise: „Feminist*innen setzen sich für die Gleichstellung von Menschen aller Geschlechter ein.“ Aber Moment, was ist denn jetzt mit dem Titel deines Textes, Leonie?

Was Feminismus ist, hat mich leider noch nie jemand gefragt, der*die wirklich von mir wissen wollte, was Feminismus ist. Deswegen ist meine Antwort auf diese Frage eigentlich unwichtig. Menschen, die von mir eine Erklärung über Feminismus haben wollen, haben bereits ihre eigene Erklärung. Und sie wollen, dass ich ihre akzeptiere.

Das bemerke ich sehr schnell. Denn anstatt mich zum Beispiel zu fragen „Und wie wollen Feminist*innen das erreichen?“ sagen sie „Aber…“. Und was auch immer nach dem „Aber“ kommt, ist nicht ein Versuch auf Augenhöhe über Feminismen zu diskutieren, sondern ein Versuch mich in eine Rechtfertigungsspirale zu drängen. „Aber Alice Schwarzer!“ „Aber ist eine Frauen*quote nicht sexistisch?“ „Aber Gender-Sternchen bringen doch nichts!“

Ich nehme zu jedem Gegenargument Stellung, nehme mir Zeit jedes differenziert zu entkräften. Doch sofort kommt die nächste pauschale Abwertung von Feminist*innen und ihren (wahrgenommenen) Positionen. Es geht meist schnell nicht mehr um die Ausgangsfrage oder -situation, sondern darum, eigenen Ressentiments über Feminismen Luft zu machen. Und irgendwann bin ich erschöpft. So erschöpft von dieser Abneigung und dem Unverständnis, das mir entgegenschlägt. Und ich ziehe mich zurück. Und mein Gegenüber sagt: „Du hast gar keine Argumente! Meine Meinung über Feminismus stimmt also.“ Damit entlarvt sich, worum es von Anfang an ging. Nicht einander zu verstehen und gemeinsam die Gesellschaft zu verändern. Sondern Recht zu haben.

Ich lasse mich nur noch sehr selten auf Grundsatzdebatten über Feminismen ein. Denn Feminist*innen wird angekreidet zu pauschalisieren, während selbst pauschalisiert wird. Feminist*innen müssen Zahlen und Fakten nennen, aber dann wird trotzdem mit Gefühl und „gesundem Menschenverstand“ gekontert. Feminist*innen dürfen nicht wütend werden, obwohl ihnen so viel Wut und Hass entgegenschlägt.

Ich beschäftige mich gerne mit Feminismen und diskutiere mit anderen darüber. Gleichzeitig ist es mir meiner Meinung nach als Individuum nicht zuzumuten, zu allem, was Feminismen betrifft oder was Feminist*innen getan oder gesagt haben (sollen), sofort eine fundierte Meinung parat zu haben. Dann zu sagen „Ha! Da seht ihr, sie hat gar keine Argumente! Ich habe Recht!“ ist an Absurdität und Zynismus kaum zu überbieten.

Ich muss mich nicht für ein Kreuzverhör zur Verfügung stellen, damit sich andere Menschen ihre vorgefasste Meinung bestätigen lassen können. Wenn jemand so tut, als wäre das, was er*sie macht, "diskutieren", während es nur darum geht, Feminist*innen in einer Rechtfertigungsschleife zu zermürben, dann muss ich da nicht mitmachen. Ich bin nämlich damit beschäftigt, die Welt zu retten.