Forschung

Thematische Schwerpunkte

Im Mittelpunkt unserer thematischen Interessen steht die gesellschaftliche Konstitution von Räumen und Lebenswelten als historische Prozesse. Wir beschäftigen uns mit Territorialisierungen unterschiedlichster Art und Reichweite und nehmen die sich räumlich und gesellschaftlich ständig wandelnden Bedeutungen von Grenzen, raumbezogenen Erinnerungen und Identitäten in den Blick.

Regionale Schwerpunkte

Uns ist eine regional vertiefte Historische Geographie wichtig, die gesellschaftliche Verräumlichungsprozesse lokal verorten kann und dabei die Besonderheiten und Feinheiten einer Mikroperspektive würdigt. Diese lokalen und regionalen Erkenntnisse werden stets in einen größeren räumlichen Gesamtzusammenhang gestellt und dabei nicht nur in den europäischen Kontext eingeordnet, sondern auch global verglichen. Unsere Forschung konzentriert sich vorrangig auf Zentraleuropa mit einem besonderen Fokus auf Deutschland und die ostmitteleuropäischen Nachfolgestaaten der ehemaligen Habsburgermonarchie. Außereuropäische Vergleichsdimensionen sind vor allem Nordamerika sowie Ost- und Südostasien.

Theoretische Schwerpunkte

Wir arbeiten hauptsächlich mit Konzepten mittlerer Reichweite und wenden ganz unterschiedliche Ansätze aus dem breiten Spektrum der Historischen Geographie, der gegenwartsbezogenen Humangeographie und den historischen Kulturwissenschaften an. Unsere Forschung ist inspiriert von der Begriffsgeschichte, sozialkonstruktivistisch geprägt und schafft den Anschluss an aktuelle internationale Entwicklungen der Raumtheorie und Sozialtheorie. Dabei stehen wir den Theorien, Konzepten und Gegenständen unserer Forschung historisch sensibel und kritisch gegenüber und folgen der Idee der Werturteilsfreiheit.

Methodische Schwerpunkte

Wir arbeiten mit der ganzen Bandbreite historisch-geographischer Forschungsmethoden und beschäftigen uns vertieft mit Karten- und Bildmaterial, Archivquellen und Dokumentenanalysen, Sachquellen und materiellen Überlieferungen. Mit unserem historisch-hermeneutischen Grundverständnis verfolgen wir eine Verknüpfung mit den Methoden einer interpretativen Sozialforschung. Zentral ist für uns der Anschluss unserer Forschung an die Möglichkeiten von Digital Humanitites und Geographischen Informationssystemen.

Zeitliche Schwerpunkte

Zeitlich erstreckt sich unsere Forschung vom ausgehenden Mittelalter bis in die heutige Zeit. Schwerpunkte liegen dabei auf der Frühen Neuzeit, im langen 19. Jahrhundert und in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Aktuelles Forschungsprojekt

Die Professur für Historische Geographie ist am DFG-Schwerpunktprogramm 2361 "Auf dem Weg zur fluvialen Anthroposphäre" beteiligt. Im Teilprojekt "Entwicklung eines vom Menschen geprägten Auensystems: Das Flusssystem der Wiesent in der Nördlichen Frankenalb (Maineinzugsgebiet) im Frühmittelalter bis zur Frühen Neuzeit" arbeitet Prof. Dr. Andreas Dix im Forschungsteam mit Prof. Dr. Markus Fuchs (Physische Geographie, Universität Gießen) und Prof. Dr. Rainer Schreg (Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Universität Bamberg) zusammen. 

Das Flusssystem der Wiesent in der Nördlichen Frankenalb (Maineinzugsgebiet)

Flusslandschaften und ihre Auenbereiche sind wichtige Ökosysteme und stellen bedeutende Wirtschaftsräume für den Menschen dar. Sie sind von Natur aus dynamisch und im Laufe der Geschichte durch sozio-ökologische Veränderungen gekennzeichnet. In Mitteleuropa sind Flüsse und ihre Auen vor allem seit dem Frühmittelalter einem direkten (z. B. hydrotechnische Anlagen) und indirekten (z. B. Sedimentationsrate) Transformationsprozess unterworfen. In dieser Zeit machte sich der direkte sozioökonomische Druck auf die Flusslandschaften durch verstärkte Siedlungs- und Infrastrukturtätigkeiten bemerkbar, wie z. B. durch die Errichtung von Wassermühlen, die Öffnung von Tälern und Auen für den Transport auf dem Fluss sowie auf Straßen entlang des Tals sowie die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung der Auen. Gleichzeitig fand eine Intensivierung der Landwirtschaft im gesamten Einzugsgebiet statt, was zu Bodenerosion führte, die sich wiederum auf die Sedimentfracht der Flüsse auswirkte, und damit die Morphologie der Auen erheblich veränderte. Infolgedessen wandelten sich spätestens seit dem Mittelalter natürlich dominierte Auen und Ökosysteme in vom Menschen dominierte Auensysteme um. Dieser Umwandlungsprozess verlief nicht nur in eine Richtung, sondern war durch nichtlineare und komplexe Rückkopplungs- und Anpassungsprozesse gekennzeichnet, die insgesamt die Mensch-Umwelt Interaktion bestimmten. Infolgedessen veränderten direkte und indirekte anthropogene Prozesse die Aue, und umgekehrt hatte die sich veränderte Aue Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das Projekt wird sich auf zwei Hauptaspekte konzentrieren: (a) Rekonstruktion anthropogener Aktivitäten, wie hydrotechnische Anlagen, Fluss- und Agrarwirtschaft und ihrer Auswirkungen auf die Flussmorphologie, den Sedimentfluss und die Ökologie der Aue, und (b) soziale Reaktionen und kulturelle Anpassungen an die vom Menschen verursachten Veränderungen der Auenlandschaft.

Im Einzelnen werden die folgenden Fragen behandelt:

  1. Wie groß war das Ausmaß der Veränderungen in den Tälern und Auen?
  2. Ist es möglich, Perioden intensiver Veränderungen zu identifizieren?
  3. Welche human-ökologische Prozesse waren für den Wandel von natürlichen zu anthropogen geprägten Flüssen und ihren Auen verantwortlich? Einem diachronen Ansatz folgend, soll der Zeitraum vom Mittelalter bis zur industriellen Revolution untersucht werden.

Als Modellregion wird das mesoskalige Einzugsgebiet der Wiesent (Main/Rhein-Einzugsgebiet) und ihrer Nebenflüsse der Nördlichen Frankenalb in Bayern/Deutschland gewählt. Hier liegen bereits hochauflösende chronostratigraphische Daten zu Sedimentflüssen und Auenentwicklung vor, eine Voraussetzung, um den diachronen Ansatz zur Entflechtung der komplexen Mensch-Umwelt-Interaktion erfolgreich zu verfolgen. Zu diesem Zweck werden sowohl klassische als auch innovative (semi-)quantitative Methoden angewendet.

Abgeschlossene Forschungsprojekte

  • FNZGIS - Historisches Informationssystem zu den Staatenwelten Mitteleuropas in der Frühen Neuzeit, Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas Dix in Kooperation mit Dr. Andreas Kunz (Mainz), gefördert durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
  • 50 Jahre Gebietsreform und die Stadt Weiden, Lehrforschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas Dix und Dr. Sebastian Scholl, gefördert durch die Stadt Weiden
  • Management of Crossborder Rurality | Bavaria Bohemia 1990 2020, Forschungsprojekt von Dr. Patrick Reitinger in Kooperation mit Doc. Dr. Lukáš Novotný (Ústí nad Labem), gefördert durch die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur
  • Deutsch-Tschechische Beziehungen - Raum, Politik und Zeit, Lehrforschungsprojekt von Dr. Patrick Reitinger in Kooperation mit Doc. Dr. Lukáš Novotný (Ústí nad Labem), gefördert durch die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur und die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde
  • Historische Geographie grenzüberschreitender räumlicher Erinnerungspraktiken nach 1945 - Ortswüstungen im bayerisch-böhmischen Grenzraum, Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas Dix und Dr. Patrick Reitinger, gefördert durch die Ständige Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK) der Unversität Bamberg und die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur
  • Die Rhön - Identitätskonstruktionen und -prozesse ab 1800, Lehrforschungsprojekt
  • Vergleichende regionalisierte Analyse der Frequenz und Magnitude gravitativer Massenbewegungen in historischer Zeit im Verbundprojekt "Integrative Frühwarnsysteme für gravitative Massenbewegungen" (ILEWS), Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas, gefördert durch das BMBF-/DFG-Sonderprogramm Geotechnologien
  • Historische Hangrutschungen im Bereich der Schwäbischen Alb: Rekonstruktion, Wahrnehmung und Umgang früherer Gesellschaften mit einem Naturrisiko, Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas Dix, gefördert durch das DFG-Bündelprojekt InterRISK
  • Regionalisierung von historischen Landnutzungs- und Siedlungsdaten im Einzugsgebiet des Rheins, Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas Dix, gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung und das Landesamt für Denkmalpflege in Hessen
  • Historische industrielandschaft Holtorf, Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andreas Dix, gefördert durch den Denkmalpflegeplan Bonn-Beuel
  • Erfassung und Beschreibung der Bamberger lokalen Gemüsesorten im Projekt "Urbaner Gartenbau im Welterbe Bamberg", Forschungsprojekt von Lisa Strecker
  • GIS-gestützte historisch-geographische Untersuchungen im Umfeld frühkeltischer Fürstensitze in Südwestdeutschland, Forschungsprojekt von Dr. Christoph Schuppert, gefördert im Rahmen des interdisziplinären DFG-Schwerpunktprogramms "Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse - Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes"

Wissenschaftliche Preise

Forschungspreis Geographie und Geschichte

Prof. Dr. Haik Thomas Porada wurde beim 62. Deutschen Kongress für Geographie 2023 in Frankfurt am Main durch die Stifter Dr. Heike Mätzing und Prof. Dr. Dieter Dowe mit dem "Forschungspreis Geographie und Geschichte" ausgezeichnet. Der Preis wurde im Rahmen der Verleihung der Frithjof-Voss-Stiftung – Stiftung für Geographie überreicht. 

Haik Thomas Porada sei "ein überragender Wissenschaftler, der Interdisziplinarität in einem Dreieck von Geographie, Geschichte und Sprachwissenschaften in Forschung und Lehre aus vollem Herzen und mit höchster Kompetenz lebe", hieß es zur Begründung. Der Preis wird alle vier Jahre vergeben und ist mit 3000 Euro dotiert.

Mit dem 2017 ins Leben gerufenen „Forschungspreis Geographie und Geschichte“ will die Frithjof-Voss-Stiftung nach eigenen Angaben dazu beitragen, „die Bezüge zwischen Geographie und Geschichte zu vertiefen, neue Brücken zwischen den beiden Disziplinen zu schlagen und diesen Prozess öffentlich wahrnehmbar zu machen“. 

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Otto-Meyer-und-Elisabeth-Roth-Promotionspreis

Dr. Patrick Reitinger wurde im Rahmen des Dies Academicus der Universität Bamberg 2023 mit dem Otto-Meyer-und-Elisabeth-Roth-Preis ausgezeichnet.

Er erhält den Preis für seine Dissertation "Verräumlichung von Relevanz. Die Entstehung der Bayerischen Ostmark in der Weimarer Republik", die 2022 im Fach Historische Geographie an der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften eingereicht und erfolgreich verteidigt wurde. "Die Dissertation überzeugt aufgrund ihres modernen methodischen Zugriffs auf den historischen Raum der Bayerischen Ostmark. Mit dieser Vorgehensweise hat Patrick Reitinger eine im Feld der Raumforschung wegweisende Arbeit vorgelegt", hieß es zur Begründung.

Der Otto-Meyer-und-Elisabeth-Roth-Preis wird von der gleichnamigen Stiftung für "hervorragende Dissertationen über Themen des ländlichen Raumes in Franken" verliehen, die an einer der fränkischen Universitäten Bamberg, Bayreuth, Erlangen-Nürnberg oder Würzburg abgeschlossen wurden.

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