Lea Wohl von Haselberg: Juden rein? Über den Wunsch nach sauberen (Film-)Bildern und filmische Strategien gegen Antisemitismus

Theologisches Forum am 16.01.2024

Die Film- und Medienwissenschaftlerin Dr. Lea Wohl von Haselberg von der Filmuniversität Babelsberg zeigte in ihrem Vortrag Strategien zum Umgang mit Antisemitismus in der Filmlandschaft auf. Nach der NS-Zeit, in der Filme wie »Jud süss« als ideologischer Teil der Vernichtungsmaschinerie genutzt wurden, entwickelte sich im bundesrepublikanischen Kino zum einen die Strategie, jüdisches Leben vollständig aus Filmbildern herauszunehmen, so dass diese „judenrein“ sind. Dem steht zum anderen die Forderung nach mehr jüdischen Repräsentationen und „sauberen“ (Film-)Bildern gegenüber, was die Doppeldeutigkeit des Vortragtitels „Juden rein“ zum Ausdruck bringt. In heutigen Produktionen findet sich v.a. ein impliziter Antisemitismus. Da er hinter subtilen Stereotypen und Bildcodes versteckt ist und weil explizite Marker wie z.B. Figuren, die ausdrücklich als jüdisch charakterisiert werden, hier fehlen, ist dieser Antisemitismus oft schwer erkennbar.

Als Beispiel führte Frau Wohl von Haselberg die Darstellung der Kobolde im Film „Harry Potter und der Stein der Weisen“ an. Ihre Inszenierung als unheimlich, hässlich und besessen von Macht und Kapital tradiert ein vertrautes Arsenal von Bildern des Bösen, die mit antisemitischen Darstellungen verbunden werden können. Im Film „An Education“ tritt eine jüdische Figur auf, deren negative Eigenschaften ebenfalls entlang antisemitischer Stereotype konstruiert werden. Das konterkariert nach Wohl von Haselbergs Lesart die ausdrückliche Kritik des Antisemitismus auf der Handlungsebene des Films. So wurde deutlich, dass Filme auch dann, wenn sie nicht explizit antisemitisches Gedankengut transportieren, oft hochgradig anschlussfähig an antisemitische Vorstellungen sind.

Deshalb forderte Frau Wohl von Haselberg, die Diskussion um Antisemitismus im Film weniger auf die korrekte Darstellung jüdischer Figuren zu fokussieren, sondern sie auf die Reflexion über die Funktionen bzw. Codierungen von Antisemitismus auszuweiten. Eine zu einseitige Konzentration auf die Betroffenenperspektive kann ihrer Meinung nach die notwendige Beschäftigung mit Schuld, Verantwortung und Täterschaft verhindern.


Den Text verfasste Felicitas Kissling. Er steht Journalist:innen zur freien Verfügung.