Gender equality?

Geschlechtlichkeit in der kirchlichen Diskussion

Am 12.01.2023 referierten Sr. Dr. Katharina Ganz und Mara Klein in der Vortragsreihe Theologisches Forum zum 5. Nachhaltigkeitsziel der UN (SDG 5: »gender equality«). Unter dem Titel »Horizonte und Ambivalenzen in der aktuellen kirchlichen Diskussion« stellten die beiden Referierenden zentrale Argumentationslinien vor, die auch ihr Engagement im Synodalen Weg der Katholischen Kirche in Deutschland prägt.

Dieses Reformprojekt stellt für Sr. Dr. Katharina Ganz (Koster Oberzell) die Chance dar, das Evangelium Jesu Christi in die heutige Zeit hinein zu aktualisieren. Nicht nur die Glaubwürdigkeit und die Zukunftsfähigkeit der Kirche sind mit der »Frauenfrage« untrennbar verbunden: Geschlechtergerechtigkeit ist in diesem Verständnis nicht weniger als eine Anfrage an die theologische Wahrhaftigkeit der Kirche und ihrer Treue zum Evangelium. Hieraus erwachsen die Forderungen, Frauen, die sich vielfältig in Hochschulen, Gemeinden, Medien und Sakramentenspendung engagieren, kirchlich sichtbar zu machen, und die Bedeutung des Laienapostolats zu stärken. Die paulinische Tauftheologie, der zufolge Christ:innen in Christus gleich sind (s. Gal 3,26–28), entlarvt gängige kirchliche Praxis als Gestus zur Durchsetzung und Erhaltung patriarchaler Macht. Sr. Katharina Ganz plädierte dafür, den Diskurs aufrichtig zu sortieren und darauf zu insistieren, dass nicht die Teilhabe von Frauen am sakramentalen Amt begründungspflichtig ist, sondern deren Ausschluss.

Geschlechtergerechtigkeit kann, wenn man im Kontrast zur lehramtlichen Geschlechteranthropologie die Vielfalt menschlicher Sexualität wahrnimmt, nicht in der Förderung von Mädchen und Frauen (vgl. SDG 5) aufgehen. Eine als Chancengleichheit verstandene equality umfasst, so führte es Mara Klein (Uni Münster) aus, ebenso queere Menschen. Hier sind einerseits gleichgeschlechtlich Liebende zu nennen, die bereits im binären Schema der Lehrmeinung eine Abweichung bilden. Darüber hinaus muss – nicht zuletzt im Sinne von SDG 10 (»weniger Ungleichheiten«) – auch die kirchliche Diskriminierung von Transgender und Intersexualität ein Ende finden; die negative Thematisierung hat erst 2019 mit der Etikettierung als »Ideologie« durch Papst Franziskus einen traurigen Höhepunkt erreicht.

Gott hat in queerer Lektüre den Menschen in einem weiten Spektrum von »männlich« und »weiblich« erschaffen (s. Gen 1,26) und in Christus das Fleisch aller Menschen angenommen. In Fortschreibung dieser Lesart stellte Mara Klein Sharon A. Bongs Konzept vor, den Leib Christi zu queeren. Das bedeutet, seiner überbestimmten Männlichkeit zu widerstehen und Dualismen aufzusprengen, die aus ihr abgeleitet wurden. So erhellt sich ein Verständnis vom Menschen, den Gott in seinem queeren Bilde geschaffen hat.

In der anschließenden Diskussion warben beide Referierende für eine inklusive und weltoffene Theologie, die gender equality einklagt und ihren Beitrag leistet, Ungleichheiten abzubauen. Anhaltspunkte dafür lassen sich abseits des theologischen Mainstreams etwa in der Kirchengeschichte, in Heiligenlegenden und im Ordensleben finden. Die mannigfaltigen Bruchlinien in der »Frauenfrage« können im Dienst einer Kurskorrektur gelesen werden, die Kirche als Medium und Ort sozialer Utopie vor Augen hat.

Der letzte Abend in diesem Theologischen Forum wird am 19. Januar 2023 stattfinden. Zu Gast sind Dr. Mandy Singer-Brodowski (FU Berlin) und Dr. Jana Costa (Leibnitz-Institut für Bildungsverläufe) mit Inputs zum SDG 4 (»Hochwertige Bildung«). Die Beiträge und Diskussion werden unter dem Titel »Bildung für nachhaltige Entwicklung im globalen Horizont« stehen. Alle Interessierten sind zur Teilnahme (in Präsenz oder Live-Stream) herzlich eingeladen.


Den Text verfasste Simon Steinberger. Er steht Journalist:innen zur freien Verfügung.