»Theologie trifft...« die Passionsspiele in Oberammergau

Kurz vor der Premiere der 42. Passionsspiele wurden in Oberammergau »Jugendtage« veranstaltet, die am 8./9. Mai 40 Studierende und Dozierende vom Institut für Katholische Theologie in Bamberg besucht haben. Im Rahmen der Reihe »Theologie trifft...« fand der Festspielbesuch als Exkursion mit dem Ziel statt, dieses herausragende kulturelle Ereignis mit theologischem Interesse im Gepäck aufzusuchen.

Dem war am 29. April ein Thementag zur Vorbereitung vorangegangen, an dem die 33 Studierenden ausgehend von ausgewählten Szenen aus dem Textbuch der 2010er Aufführung dem Verhältnis des letztmaligen Spieltextes zu den neutestamentlichen Vorlagen auf den Grund gingen. Die Harmonisierung der Evangelien mit der Intention, Leiden, Sterben und Auferstehung Jesu Christi im Stil des barocken Volkstheaters auf die Bühne zu bringen, war der vorrangige Gegenstand der Diskussionen.

Weiterhin waren auch der Ursprung der 1634 erstmalig stattfindenden Passionsspiele im Gelübde zur Abwendung der Pest und die Emanzipation dieses – religiösen? – Ereignisses vom tradierten Antijudaitismus Thema des Theorieteils. Spielleiter Christian Stückl wurde wegen seiner Verdienste v.a. für die letztgenannte Problematik im Jahr 2020 mit dem Abraham-Geiger-Preis ausgezeichnet – und kündigte im Vorfeld der Jugendtage an, dem Publikum in der pandemiebedingt verschobenen 2022er Auflage einen »kantigen Jesus« zu präsentieren.

Die Exkursion selbst startete in den frühen Morgenstunden am 8. Mai und führte die Bamberger Gruppe mit dem Regionalverkehr ins zunächst regnerische Oberbayern. Als um 14.30 h der erste Teil der Inszenierung im Passionstheater mit dem Chor startete, der sogleich die Brücke von der lokalen, 1632 begründeten Passionstradition in die Jetzt-Zeit schlug, konnte die ganze Bandbreite des szenischen Repertoirs betrachtet werden: von der ersten Volksszene samt tierischen Darstellern im Tempel über das mit der Exodus-Erzählung verwobene letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern bis hin zum intimen Ringen Jesu mit dem Boten Gottes um die Bedeutung dessen, was mit ihm geschieht, im Garten Getsemane.

Die dreistündige Spielpause bot den von allen Teilnehmenden gern angenommenen Raum, in der Pizzeria die Eindrücke aus dem bisher Gesehenen zu verarbeiten und zu versprachlichen. Ob dieser Jesus ein Charismatiker ist oder nicht, wie die Dramaturgie durch eine differenzierte Motivation das Handeln der Judas-Figur dem Stereotyp des geldgierigen Kollaborateurs entwand und welche Bandbreite an Figuren die Form des szenischen Spiels einer Passions-Inszenierung eröffnet, waren die dominierenden, vieldiskutierten Themen bei Tisch.

In den Abendstunden folgte dann der zweite Teil des Passionsspiels. Mit dem Übergang von Dämmerung in die anbrechende Dunkelheit spitzten sich auf der Bühne die Ereignisse zu: Chorszenen und »lebende Bilder« aus dem heilsgeschichtlichen Repertoire der altisraelitischen Tradition rahmten die Verhörszenen bei Hannas, Kajaphas, Pilatus sowie deren Unterbrechung durch die Intervention des Herodes. In das Dunkel der beginnenden Nacht hinein ragte die nicht minder monumentale Kreuzigungsszene, die angeführt von einer großen Redepartie Maria Magdalenas und dem chorischen »Preis dir, du Todesüberwinder« samt Lichtritus in eine liturgische Vergegenwärtigung der Auferstehung Jesu mündete.

Im Nachgang der Passionsspiele fand vor der großen After-Show-Party noch eine Gesprächsrunde mit Spielleiter Stückl und zahlreichen Darsteller:innen statt. Die Eindrücke aus dem Besuch in Oberammergau wirkten nicht nur auf der Rückreise, sondern auch in zahlreichen Gesprächen im Innenhof der U2 und vielen Seminaren nach; das Reflexionstreffen am 19. Mai 2022 schließlich brachte ein letztes Mal das theologische Ringen um die Inszenierung von Jesu Göttlichkeit und Menschlichkeit, der Bandbreite von wuchtigen Massenszenen und intensiven Dialogen und vielen weiteren Themen zur Sprache.

Die Exkursion wurde vom Institut für Katholische Theologie bezuschusst. Weitere Exkursionen und Veranstaltungen im Rahmen der Reihe »Theologie trifft...« werden über die gewohnten Kanälen angekündigt.

Den Text verfassste Simon Steinberger. Er steht Journalist:innen zur freien Verfügung.

Außerdem haben Annalena Merbach und Sandra Prebeck einen studentischen Reisebericht verfasst. Die Impressionen im Text können hier(55.6 KB, 2 Seiten) heruntergeladen werden; eine Bilder-Rückschau findet sich auf dem Instagram-Account ktheo.bamberg.