Goripp

Goripp (zu Unrecht unter dem Namen „Coripp“ bekannt) war ein nordafrikanischer lateinischer Dichter aus der Mitte des 6. Jahrhunderts, der ein umfangreiches Epos verfasste, in dem ein eher unbedeutender byzantinischer General namens Johannes feiert wird. Dieser Johannes wurde von Byzanz entsandt, um einen Berberaufstand niederzuschlagen (was ihm auch gelang) – und genau um diesen Konflikt geht es in dem Gedicht. Goripp schrieb ein klassisches lateinisches Epos nach dem Vorbild von Vergil, Lucan usw., fügte aber christliche Elemente hinzu und verwendet oft eine unübliche Sprache verwendet, die von Gelehrten oft als „vulgär“ bezeichnet wurde.

Die meisten Arbeiten über Goripp wurden von Philologen verfasst, die entweder einem literarischen Ansatz folgten, Szenen in Goripps Werk mit früheren Vorbildern verglichen und aufwändige Interpretationen der wahrgenommenen Unterschiede lieferten, oder aber ingeniöse Konjekturen vorschlugen (da es nur ein einziges – und noch dazu schlampig geschriebenes – Manuskript der Johannis gibt, bietet sich das Werk dazu an). Die wenigen Historiker, die sich für Goripp interessierten, konzentrierten sich in der Regel auf die Informationen, die er über die Berber liefert.

Meine ursprüngliche Absicht war bescheiden und beschränkte sich auf die Erstellung eines Kommentars zu einem bestimmten Buch der Johannis. Doch wurde mir schnell klar, dass der bestehende Konsens über den Dichter und sein Werk in vielerlei Hinsicht einer Korrektur bedurfte. Was ursprünglich als kurze Zusammenfassung der vorhandenen Forschungen über Goripp und die Johannis gedacht war, wuchs zu einer mehr als 100-seitigen handbuchartigen Einführung heran, die inhaltlich erheblich von dem abwich, was damals als gesicherter Wissensstand angenommen wurde. Ich zeigte, dass der Name „Coripp“ unverbürgt ist und dass stattdessen „Gorippus“ ganz erheblich besser belegt ist. Die meisten Angaben über ihn, die in Lexikoneinträgen zu finden sind („Schullehrer“, „vom Lande“ ...), haben wenig oder keine Quellengrundlage.

Auf Grundlage einer umfangreichen Analyse von Goripps Sprache ließ sich zeigen, dass seine sprachlichen Eigenheiten – weit davon entfernt, Vulgarismen zu sein – stattdessen höchst originelle Innovationen sind, die in voller Absicht erfolgten. Indem ich auf offensichtliche Widersprüche hinwies, stellte ich die traditionelle Methodik in Frage, die weitgehend darin bestand, Szenen in der Johannis mit parallelen Szenen bei Vergil und anderen früheren Autoren zu vergleichen und dann ingeniöse Interpretationen bezüglich der inhaltlichen Unterschiede zu geben. Ich schlug stattdessen ein anderes Modell vor, demzufolge Goripp ältere Texte als Steinbruch nutzte, um sein Gedicht schnell zusammenzustellen. Unter Verwendung einer radikal neuen Methodik schuf ich eine klare Vorstellung vom Zweck des Iohannis und den Umständen seiner Entstehung. Ein Beispiel: Im 8. Buch erscheint ein byzantinischer Offizier namens Putzintulus, der Heldentaten vollbringt. In der Vergangenheit fragten sich Gelehrte, aus welchem Grund Goripp einen so seltsamen Namen erfunden hat. Mit prosopographischen Mitteln ließ sich zeigen, dass dieser Name sehr wohl real ist, aber sein Vorkommen ist auf eine winzige Region auf dem Balkan beschränkt – die aber zu dieser Zeit ein wichtiges Rekrutierungsgebiet der byzantinischen Armee war. Dank einer detaillierten onomastischen Analyse ließen sich zahlreiche weitere höchst ungewöhnliche, aber sehr wohl authentische Namen  aufspüren (ein besonders schönes Beispiel ist „Bulmitzis“, ein Name, der sonst nur im Alttürkischen bezeugt ist und von einem byzantinischen Soldaten „hunnischer“ Herkunft getragen wurde).  Insgesamt ist also meine Johannis viel weniger „literarisch“ und „sprachlich inkompetent“ als die der bisherigen Forschungsdiskussion, dafür viel „historischer“ und „sprachlich innovativer“.

 

Publikationen

Philologischer, historischer und liturgischer Kommentar zum 8. Buch der Johannis des Goripp nebst kritischer Edition und Übersetzung. – Groningen: Egbert Forsten 2010 [Nachdruck Leiden/Boston: Brill 2013], 503 Seiten.

New evidence on the beginning of Iohannis, book V. – In: Materiali e discussioni per l'analisi dei testi classici 63 (2009) 203-208. [zusammen mit G. Caramico]

Recherches onomastiques relatives à la composition ethnique du personnel militaire en Afrique byzantine (546-548). – In: Commutatio et contentio. Studies in the Late Roman, Sasanian and Early Islamic Near East in Memory of Zeev Rubin. Hg. v. H. Börm u. J. Wiesehöfer. Düsseldorf 2010. S. 253-271.

Again on the name ‚Gorippus’: State of the Question – New Evidence – Rebuttal of Counterarguments – The Case of the Suda. – In: Corippe, un poète latin entre deux mondes. Hg. v. Benjamin Goldlust. Lyon 2015. S. 245-271.