Habilitation

Das Forschungsprojekt widmet sich den Interferenzen europaweit rezipierter Rechtsnormen zwischen dem 11. und Anfang des 14. Jahrhunderts. Es versucht beobachtete Ähnlichkeiten, Verbindungen und parallele Entwicklungen von Recht zu erklären. Rechtstexte sind Verlautbarungen weltlicher und kirchlicher Autoritäten, die sich an einen genau definierten Adressatenkreis in einem begrenzten Raum richten. Sie sind das schriftlich fixierte Ergebnis einer im Vorfeld stattgefundenen Debatte. Die beteiligten weltlichen und kirchlichen Akteure handelten dabei selten im Alleingang. Ihr Beraterkreis umfasste Personen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, die auch eigene Interessen in die Rechtsbestimmungen einfließen lassen konnten. Die Mobilität dieser Akteure, die an verschiedenen Orten wirkten und es verstanden, ein großes Netzwerk aufzubauen, förderte den Austausch von Ideen und Wissen. Dies hatte eine verbreitete Intertextualität von Rechtsnormen zur Folge.

Im Fokus der Studie stehen Judenstatuten aus dem Zeitraum 1000 bis 1300. Diese bieten sich aus mehreren Gründen als repräsentatives Beispiel für die Mobilität der Rechtstexte in Europa an. Erstens besaß der rechtliche Umgang mit Juden Tradition und ist über Jahrhunderte in den Quellen konstant belegt. Zweitens ist die Existenz einer jüdischen Bevölkerung, im Unterschied zu anderen Minderheiten oder Randgruppen, spätestens seit dem 11. Jahrhundert in ganz Europa (in England, Frankreich, im Reich sowie auf der Iberischen Halbinsel, aber auch im Osten, u. a. in Polen und Ungarn) nachweisbar. Drittens sind die Inhalte der Judenrechte vielseitig: Sie gewähren Privilegien, verordnen Restriktionen, enthalten judenfeindliche, stereotypisierte Diskurse oder fordern ihre Verfolgung und Vertreibung. Mit der Entstehung fest strukturierter jüdischer Gemeinden im 11. Jahrhundert wurde die bis dahin vorwiegend auf theologischer Ebene diskutierte rechtliche Stellung der Juden innerhalb der christlichen Gesellschaft in ganz Europa zu einem aktuellen Thema. Die zeitliche Zäsur der Studie bilden die sozioreligiösen Veränderungen, die ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert dazu führten, dass Christen zunehmend Juden aus den europäischen Gesellschaften zu vertreiben suchten.

Akademischer Werdegang

2009
Bachelor of Arts (BA) der Geschichtswissenschaft und des Öffentlichen Rechts, Universität Tübingen und Universität Aix-en-Provence

2011
Master of Arts (MA) der Geschichtswissenschaft, Universität Heidelberg und École des hautes études en sciences sociales, Paris

2011–2014
Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe »Charlemagne« am DHIP

2014–2017
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (Lehrstuhl Johannes Heil)

2017
Promotion in Mittlerer und Neuerer Geschichte, betreut im Rahmen einer Cotutelle von Dominique Iogna-Prat und Johannes Heil; Dissertation publiziert u.d.T. „Juden und Judentum im Spiegel karolingischer Rechtstexte“

2017–2020
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin des Forschungsprojekts »Neue Gallia-Germania Judaica« an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg; zahlreiche Ortsartikel (mit Johannes Heil)

2020-2025 
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am DHIP, Abteilung Mittelalter

Seit 2025
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Alte Synagoge Essen