Corinna KleinertLIfBi/Thomas Riese

Corinna Kleinert hat eine verstärkte Polarisierung von Bildungsgruppen unter Beschäftigten während der Pandemie festgestellt.

- Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung (LIfBi)

Berufliche Weiterbildung hat sich stark gewandelt

Digitale Weiterbildung erfährt durch Corona einen Schub – doch nicht alle profitieren gleichermaßen.

Die berufliche Weiterbildung hat sich in den ersten Monaten der Corona-Pandemie im Frühsommer 2020 stark gewandelt – digitales selbstgesteuertes Lernen wurde deutlich häufiger als vorher aus beruflichen Gründen genutzt. Von der stärkeren Nutzung digitaler Lernangebote profitieren jedoch nicht alle Beschäftigtengruppen gleich. Die Pandemie scheint die Polarisierung zwischen den Bildungsgruppen nicht verringert, sondern sogar noch verschärft zu haben. Zu diesem Schluss kommt die neueste Auswertung der Corona-Zusatzbefragung im Nationalen Bildungspanel.

Bildungsferne Beschäftigte profitieren nicht

Bei der Frage, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Krise digitale Lernangebote aus beruflichen Gründen wahrgenommen haben, zeigt sich, dass Beschäftigte mit einem Hoch- oder Fachhochschulabschluss mit einem Anteil von 30 Prozent dominieren. Die Nutzungsquote bei den Erwerbstätigen mit oder ohne beruflicher Ausbildung lag demgegenüber nur bei 13 bzw. 18 Prozent.

„Entgegen der Hoffnung aus der Politik, dass eine Ausweitung des digitalen Lernens besonders bei bildungsfernen Schichten ankommt, beobachten wir in den ersten Monaten der Pandemie eine ähnlich stark ausgeprägte Bildungsungleichheit in der Nutzung der digitalen beruflichen Weiterbildung wie zuvor“, so Prof. Dr. Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), Inhaberin der Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt längsschnittliche Bildungsforschung an der Universität Bamberg und Hauptautorin des Berichts.

Homeoffice begünstigt digitales Lernen

Noch deutlicher kann die Autorengruppe die digitale Spaltung in den ersten Monaten der Pandemie beim Blick auf die Nutzung des Homeoffice zeigen. Bereits vor der Pandemie nutzten Personen im Homeoffice digitale Lernangebote deutlich häufiger (34 Prozent) als diejenigen, die nicht von zuhause arbeiten konnten (16 Prozent). Die (in der Krise weitaus größere) Gruppe der Erwerbstätigen, die von zuhause aus arbeiten konnten, nutzte digitale Lernangebote bereits in den ersten Monaten der Pandemie ähnlich häufig wie im gesamten Jahr zuvor (35 Prozent). Umgekehrt lernten diejenigen ohne Zugang zum Homeoffice seit dem Beginn der Pandemie nochmals deutlich seltener digital, nämlich nur noch zu 7 Prozent.

Insgesamt zieht Corinna Kleinert ein ernüchterndes Fazit: „Die Pandemie scheint die Polarisierung zwischen den Bildungsgruppen trotz der Niedrigschwelligkeit digitaler Lernangebote nicht verringert, sondern sogar noch verschärft zu haben. Zum Teil geht diese Entwicklung auf Ungleichheiten in der Veränderung der Arbeitswelt aufgrund der Corona-Krise zurück. Erwerbstätige, die das Homeoffice nutzen konnten, haben vor und während der Krise häufiger digital gelernt als andere.“

Digitale Lernangebote erreichen neue Beschäftigtengruppen

Positive Entwicklungen konnten die Forschenden jedoch auch feststellen. Sie zeigten sich vor allem bei Beschäftigten in Berufen mit geringer Computernutzung. Diese nutzten in den ersten Monaten der Pandemie etwas häufiger digitale Weiterbildungsangebote als zuvor. Die Autorengruppe schließt daraus, dass die Nutzung digitaler informeller Lernangebote während der Pandemie in neue Beschäftigtengruppen vorgedrungen ist. Allerdings könnte es sich hierbei auch nur um einen kurzfristigen Effekt handeln, der auf das Erlernen des Umgangs mit neuen Arbeitswerkzeugen wie Videokonferenzen, Teamsoftware oder Lernplattformen zurückzuführen ist.

Für die Auswertung wurden die Angaben von knapp 1.800 im Februar 2020 berufstätigen Personen der Jahrgänge 1944 bis 1986 genutzt, die seit 2009 in der Startkohorte 6 (Erwachsene) des Nationalen Bildungspanels auf ihrem Bildungsweg begleitet werden. Der Bericht zur Nutzung digitaler Lernangebote während der Corona-Krise wurde von Forschenden des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) in Berlin gemeinsam verfasst.

Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollständigen Bericht „Wer bildet sich in der Pandemie beruflich weiter?“, der auf www.lifbi.de/Corona zum Download bereit steht, sowie in einem ausführlicherem LIfBi Working Paper.

Über das NEPS und die Zusatzbefragung

Das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg beheimatet ist, besteht aus sechs großen Teilstudien, den sogenannten Startkohorten. Diese umfassen insgesamt mehr als 60.000 getestete und befragte Personen von der Geburt über Ausbildungs- und Erwerbsphase bis hinein in die Nacherwerbsphase sowie 40.000 zusätzlich befragte Personen aus deren Umfeld, etwa Eltern und pädagogisches Fachpersonal. Die Stichproben der Startkohorten wurden repräsentativ für ganz Deutschland gezogen. Die so erhobenen Daten werden anonymisiert und Bildungsforschenden weltweit zugänglich gemacht.

Das NEPS wird getragen von einem interdisziplinär zusammengesetzten, deutschlandweiten Exzellenznetzwerk, in dem zwölf renommierte Forschungsinstitute zusammenarbeiten. Geleitet wird das NEPS von Prof. Dr. Cordula Artelt vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, die den Lehrstuhl für Bildungsforschung im Längsschnitt an der Universität Bamberg innehat.

Durch die Zusatzbefragungen im Mai und Juni 2020 wurden die aktuellen Erlebnisse und Eindrücke der NEPS-Teilnehmenden in der Zeit zwischen dem Beginn der Beschränkungen und den ersten Lockerungen während der Corona-Krise ermittelt und gemeinsam mit den anderen Längsschnittdaten des NEPS für die Bildungsforschung nutzbar gemacht. Die Daten wurden gewichtet und poststratifiziert, um Verzerrungen in der Stichprobe auszugleichen.

In den Zusatzerhebungen wurden fünf große Themenbereiche des Lebensalltags abgefragt: Familie und deren Betroffenheit durch die Krise, die aktuelle Erwerbssituation, Bildung und Lernen, Vertrauen in Politik und Gesellschaft sowie Gesundheit und Wohlbefinden. Die so erhobenen Daten lassen sich heranziehen, um ein differenziertes Bild der Corona-Auswirkungen auf die Befragten und ihr soziales Umfeld zu erhalten.

Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)

Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.

Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudie ReGES, das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE, die Förderstudie für benachteiligte Kinder und Familien BRISE.

Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.

Bild(355.8 KB): Corinna Kleinert hat eine verstärkte Polarisierung von Bildungsgruppen unter Beschäftigten während der Pandemie festgestellt.
Quelle: LIfBi/Thomas Riese

Weiterführende Informationen für Medienvertreterinnen und -vertreter:

Medienkontakt LIfBi:
Dr. Florian Mayer
Tel.: 0951/863-3573
kommunikation(at)lifbi.de

Medienkontakt Universität Bamberg:
Patricia Achter
Forschungskommunikation
Tel.: 0951/863-1146
forschungskommunikation(at)uni-bamberg.de