Expertise zum Krieg in der Ukraine

Bamberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen bieten ihr Fachwissen an.

Vor zwei Wochen hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen, täglich ändert sich die Lage. Forschende der Universität Bamberg besitzen das nötige Fachwissen, um den Krieg aus unterschiedlichen Perspektiven einzuordnen. Unter ihnen befindet sich ein Osteuropa-Experte, eine Politikwissenschaftlerin, ein Betriebswirt, ein Volkswirt und ein Soziologe. Sie geben beispielsweise zu folgenden Fragen Auskunft:
 

Wie hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin verändert?

Dr. Johannes Grotzky, Honorarprofessor für Osteuropawissenschaften, Medien und Kultur:

„Putin scheint sich sehr gewandelt zu haben, seit ich ihn zuletzt getroffen habe. Ich sehe bei ihm zwei Veränderungslinien: Zum einen hat er zunehmend das Gefühl, dass er vom Westen als Großmacht nicht ernst genommen wird. Zum anderen strebt er ein großrussisches Reich an, was eine Abwendung von Europa hin zu einem russisch-eurasischen Reich bedeutet. Am meisten entsetzt mich seine persönliche Wandlung. Früher zeigte er sich jovial, gut gelaunt, auch mit Witz. Aber bei seiner Kriegserklärung gegen die Ukraine hat er dem Westen vor einer Einmischung gedroht – mit steinernem Gesicht, ohne jede Empathie.“

E-Mail: johannes.grotzky(at)uni-bamberg.de   

Fachwissen zu:

  • Wladimir Putin
  • Osteuropa, unter anderem Russland und Ukraine
  • Berichterstattung über den Russland-Ukraine-Krieg

 

Was bedeutet der Angriff Russlands auf die Ukraine für die europäische Sicherheitsordnung? 

Dr. Monika Heupel, Professorin für Politikwissenschaft, insbesondere internationale und europäische Politik:

„Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die brüchige Friedensordnung in Europa, die zumindest vom Westen als solche anerkannt worden war, innerhalb weniger Tage zerstört. Zugleich hat der Tabubruch Russlands aber ebenso schnell die als hirntot und obsolet bezeichnete NATO wiederbelebt und in vielen EU-Mitgliedstaaten ein neues Bewusstsein für den Stellenwert eigenständiger Verteidigungsfähigkeit geschaffen. Eine neue europäische Nachkriegsordnung darf dennoch nicht einseitig auf Abschreckung und militärische Verteidigung setzen, sondern muss auch auf einem gemeinsamen Wertefundament und starken kooperativen Sicherheitsinstitutionen fußen.“ 

E-Mail: monika.heupel(at)uni-bamberg.de

Forschungsthemen:

  • Menschenrechtspolitik
  • Sicherheitspolitik
  • Vereinte Nationen

 

Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf deutsche Unternehmen?

Prof. Dr. Martin Friesl, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Strategie und Organisation:

„Der Krieg in der Ukraine beschleunigt vermutlich die bereits begonnene Tendenz, globale Lieferketten neu zu strukturieren. Unternehmen sehen sich gezwungen, sowohl den Marktzugang als auch die Beschaffung von Rohstoffen und sonstigen Materialien neu zu denken, um die Resilienz der globalen Lieferketten zu erhöhen. Unternehmen sind dabei der Spannung zwischen der Erfüllung bestehender Verträge einerseits, und der Reaktion auf die politische Lange anderseits ausgesetzt. Dies führt zunächst zu einem erhöhten Kostendruck und Lieferengpässen.“

E-Mail: martin.friesl(at)uni-bamberg.de   

Forschungsthemen:

  • Strategische Veränderung und Restrukturierung
  • Mergers & Acquisitions
  • Entwicklung und Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen

 

Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf die weltweite Finanzwirtschaft aus?

Dr. Christian Proaño, Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Angewandte Wirtschaftsforschung:

„Gegenwärtig beobachten wir negative Effekte auf den globalen Aktienmärkten, die auf die ökonomischen Sanktionen des Westens gegenüber Russland und auf die Ängste weiterer kriegerischer Eskalationen zurückzuführen sind. Der partielle Ausschluss Russlands vom internationalen Finanzkommunikationssystem SWIFT hat schon zu deutlichen Turbulenzen im russischen Finanzsektor geführt. Zwar verfügt Russland über hohe Währungsreserven, aber ein Kollaps des russischen Bankensystems innerhalb der nächsten Monate ist nicht auszuschließen. Wie groß die tatsächliche Anfälligkeit des globalen Finanzsystems auf einen Kollaps der russischen Wirtschaft sein könnte, ist aufgrund der extremen internationalen Verflechtung von Finanzbeziehungen und -kontrakten jedoch schwer zu beziffern.“

E-Mail: christian.proano(at)uni-bamberg.de

Forschungsthemen:

  • Geldpolitik und internationale Finanzmärkte
  • Währungs- und Finanzkrisen
  • Makroökonomische und Finanz-Stabilität

 

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Ukraine der Europäischen Union beitritt?

Dr. Daniel Drewski, Juniorprofessor für Soziologie Europas und der Globalisierung:

„Unter dem Eindruck der russischen Invasion in der Ukraine haben sich das Europäische Parlament und Kommissionspräsidentin von der Leyen jüngst positiv zum EU-Beitrittsgesuch der Ukraine geäußert. Dies muss allerdings vor allem als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine interpretiert werden. Ein EU-Beitritt der Ukraine scheint in naher Zukunft nicht realistisch. Beitrittsverhandlungen sind komplex und langwierig, an dessen Ende alle 27 Mitgliedstaaten der EU zustimmen müssen. Zudem gibt es viele Voraussetzungen hinsichtlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft, die die Ukraine noch nicht erfüllt, trotz positiver Entwicklungen in den letzten Jahren. Selenskyjs EU-Beitrittsgesuch hat jedoch vielen vor Augen geführt, dass Europa nicht an den Außengrenzen der EU endet.“

E-Mail: daniel.drewski(at)uni-bamberg.de  

Forschungsthemen:

  • Europäische Integration und EU
  • Migration und Flucht

Weiterführende Informationen für Medienvertreterinnen und -vertreter:

Medienkontakt:
Patricia Achter
Projektstelle Forschungskommunikation
Tel.: 0951/863-1146
forschungskommunikation(at)uni-bamberg.de