Tief betroffen gibt das IADK den Tod seines Honorarprofessors Dr. C. Sebastian Sommer bekannt. Er verstarb unerwartet am 12. Oktober 2021.

Sebastian Sommer, geboren 1956 in Stuttgart, war seit 2012 Honorarprofessor für „Archäologische Denkmalpflege unter Berücksichtigung der Provinzialrömischen Archäologie“ an der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften. Damit erfuhr seine 2004 begonnene Tätigkeit als Lehrbeauftragter im „Masterstudiengang Denkmalpflege“, mit der Bodendenkmalpflege als festem Bestandteil der Lehre in den Archäologischen Wissenschaften und Denkmalwissenschaften, eine folgerichtige institutionelle Verankerung. Mit der Berufung des Landesarchäologen für Bayern sprach die Universität Bamberg damals ein klares Bekenntnis zu denkmalpflegerischen Inhalten, auch in der Ausbildung ihrer Studierenden aus. Sebastian Sommer war in besonderer Weise geeignet, diese Scharnierfunktion zwischen Theorie und Praxisorientierung zu erfüllen, weil er selbst in beiden Feldern überaus erfolgreich arbeitete und ein umfassendes Schrifttum vorweisen konnte.

Dass leitfragenorientierte Forschung Hand in Hand mit grundsätzlichen denkmalpflegerischen Fragen gehen kann und muss, zeigte bereits sein Engagement auf seiner ersten, 1984 noch vor seiner Promotion angetreten Stelle beim Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Nach dem Studium der Provinzialrömischen Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Osteologie, Alten Geschichte und Numismatik in München, Freiburg und Oxford war der im Ausgrabungswesen und in der Wissenschaft gleichermaßen begabte Absolvent prädestiniert, um zunächst die Leitung der umfassenden Ausgrabungen in der zentralörtlichen römischen Siedlung Ladenburg am Neckar (Lopodunum) zu übernehmen. Ein Jahr später, im Jahr seiner Promotion bei Günter Ulbert an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wurde er zum „Referenten für Provinzialrömische Archäologie“ in Baden-Württemberg ernannt, 1996 ebenda zum Leiter des Referats „Schwerpunktgrabungen“. Mit diesen Ämtern war die Betreuung eines der größten Denkmalbestände in Deutschland verbunden, insbesondere auch aus der Römerzeit. Die in dieser Zeit intensivierte Bautätigkeit in Baden-Württemberg gab dem jungen Wissenschaftler die Chance, im Rahmen seiner denkmalpflegerischen Tätigkeit umfangreiche Ausgrabungen unter wissenschaftlichen Fragestellungen durchzuführen, er wurde damals aber auch mit dem Problem der massiven Zerstörung archäologischen Kulturguts konfrontiert. Sommer ging dies so nahe, dass er die Denkmalerhaltung zum Credo seines künftigen beruflichen Wirkens machte.

Seine diesbezüglichen Vorstellungen konnte er mit seiner 2002 erfolgten Berufung zum Landeskonservator für Bayern umsetzen. Dort erarbeitete Sommer ein grundlegend neues Konzept für den Umgang mit archäologischen Bodendenkmalen und formulierte damit neue theoretische Grundlagen für die archäologische Denkmalpflege, die weit über Bayern hinaus ausstrahlten. Sie beziehen sich insbesondere auf das Desiderat einer möglichst zerstörungsfreien Erschließung archäologischer Denkmäler, und, damit verbunden, auf die Notwendigkeit der regionalen Schwerpunktbildung in der Ausgrabungstätigkeit. Entsprechend wurden in Bayern während seiner Leitung der Bodendenkmalpflege die inzwischen weit entwickelten non-invasiven archäologischen Dokumentationsmethoden systematisch eingesetzt und umfassende Datenarchive angelegt. Seinem Leitmotiv treu, war Sommer in der Beratung von Politik und Institutionen ein energischer und kenntnisreicher Streiter für seine Ideale. Nicht umsonst war er hochgeschätztes Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Einrichtungen und Verbände, so etwa als Fellow der Society of Antiquaries London, als Mitglied der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, als Geschäftsführer des Verbandes der Landesarchäologen in Deutschland oder als Vorsitzender der Deutschen Limeskommission, um nur einige zu nennen.

Die beherzte Unbeirrbarkeit in der Sache machte Sebastian Sommer so menschlich und authentisch und dies machte ihn bei unseren Studierenden und im Kollegenkreis auch so beliebt und glaubwürdig. Wer jemals das Glück hatte, mit Sebastian Sommer eine Exkursion an den Limes zu machen, der wird das unerschöpflich sprudelnde, von Begeisterung getragene Wissen und seinen innigen Wunsch, dieses zu teilen und zu vermitteln, nicht vergessen. So widmete er auch seine Antrittsvorlesung am 4. Juni 2013 dem Thema „Das Ende des Raetischen Limes – Denkmalpflege, Archäologie und Geschichte im UNESCO-Welterbe ‚Grenzen des Römischen Reichs’“.

Der römische Limes als Kulturraum, aber auch als extrem gefährdetes Denkmal von höchstem Rang, dafür brannte Sebastian Sommer, insbesondere auch als Protagonist bei der Beantragung des Obergermanisch-Raetischen Limes, später auch der Rhein- und Donaugrenze, zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Er war ein von seiner Verantwortung und seinen innersten Überzeugungen geleiteter Visionär, der an die langfristige Realisierbarkeit seiner Visionen und Ideale glaubte. Der Erfolg gab ihm Recht: nur wenige Monate vor seinem Tod gehörte die römische Grenze zwischen der Rheinmündung und der Slowakei zum UNESCO-Welterbe. Man geht sicher nicht fehl, diesen Erfolg dem nimmermüden Wirken Sebastian Sommers und seiner Motivationsfähigkeit zuzuschreiben.

Wir trauern um Sebastian Sommer, den hochgeschätzten Kollegen, den passionierten Wissenschaftler mit schier unerschöpflicher Energie, den begeisternden akademischen Lehrer, den Menschen mit Herzensbildung, der stets kreative und konstruktive Lösungen suchte, den Ratgeber und Freund.

Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau, seinen Kindern und seiner Familie.

Sit tibi terra levis.

Michaela Konrad