24. Bamberger Hegelwoche 2013

Stumme Steine, Beredtes Gedenken. Kultur und Mensch zwischen Erinnern und Vergessen

In den Jahrhunderten verblassten die Farben an den Fresken des barocken Bamberger Garten-Pavillons, manche Stellen wurden übermalt und es bröckelte der Putz. Doch auch die Spuren sprechen von einer vergangenen Welt und bringen diese in unser Bewusstsein. Es sind Zeugnisse der Vergangenheit, materielle Erinnerungen, die in uns lebendig bleiben können. Das Vergangene lebt in uns weiter, seine sich wandelnde Form wird durch unser Erinnern bestimmt, aber ebenso durch unser Vergessen. Aus beidem, aus Erinnern und Vergessen, schöpft die Kultur. Manches bewahren wir, anderes schwindet oder wird von uns fallengelassen - und beides zusammen erst prägt die Gestalt der Gegenwart.

Im 20. Jahr des Welterbes erinnert Bamberg in besonderer Weise an seine gegenwärtige Vergangenheit – und die Hegelwoche macht dieses Wechselspiel von kulturellem Erinnern und Vergessen zum Thema.

Der Blick richtet sich dabei zunächst auf den einzelnen Menschen und die Weise, wie sich das Individuum das Vergangene ins Bewusstsein ruft oder es sich ihm entzieht. Was passiert in uns, fragt der Bamberger Psychologe Claus-Christian Carbon. Ist es nicht nur eine Illusion, dass es ein objektives Erleben und eine wahre Erinnerung gibt – und ist nicht jede Rückwendung ein kreativer Prozess der Erschaffung?

Aber es gibt auch ein „kulturelles Gedächtnis“, denn Kulturgemeinschaften entwickeln ihre Formen des Erinnerns und Vergessens; sie prägen so ihr Zeit und Geschichtsbewusstsein, ihr Selbst- und Weltbild. Die Kulturwissenschaftler Aleida und Jan Assmann, die diesen Begriff geprägt haben, führen uns zu Beispielen der Erinnerungskultur und Kulturen des Vergessens. So wird der Blick geschärft für die Fülle der Möglichkeiten, sich kulturell mit dem Vergangenen auseinanderzusetzen. 

Die politische Dimension des Themas wird am dritten Abend thematisiert. Erinnern und Vergessen sind auch Machtfaktoren, mit denen Menschen versuchen zu herrschen bzw. gelenkt werden. Selbst Museen können Orte (gezielten) Vergessens sein, wie Vizedirektor Jonathan Williams am Beispiel des
British Museums  erläutern wird, aus dem Deutschland plötzlich verschwand. Ob sich die Deutschen selbst ihrer erinnerten, wird Harald Wydra fragen, der den Blick auf das 20. Jahrhundert richtet und auf die schwierige Erinnerung der Deutschen an sich selbst.

Programm 

Dienstag, 11.6.2013 - Mensch

BEGRÜSSUNG
Andreas Starke, Oberbürgermeister der Stadt Bamberg

EINFÜHRUNG
Prof. Dr. Christian Illies, Lehrstuhl für Philosophie II

VORTRAG
Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie
Erinnern heißt Vergessen

Mittwoch, 12.6.2013 - Kultur

VORTRÄGE

Prof. Dr. Jan Assmann (Heidelberg)
Der Totenkult als Urszene der Erinnerungskultur

Prof. Dr. Aleida Assmann (Konstanz)
Formen des Vergessens

Donnerstag, 13.6.2013 - Politik

VORTRÄGE

Jonathan Williams (London)
Die vergessenen Deutschen im British Museum

Dr. Harald Wydra (Cambridge)
Die Selbstvergessenheit der Deutschen im 20. Jahrhundert

PODIUMSDISKUSSION

mit Christian Illies, Jonathan Williams und Harald Wydra
Moderation: Prof. Dr. Reinhard Zintl (Bamberg)

Zeit und Ort

Die Vorträge im Rahmen der 24. Bamberger Hegelwoche finden am 11., 12. und 13. Juni 2013 jeweils um 19.15 Uhr im Hegelsaal der Konzert- und Kongresshalle, Mußstraße 1, 96047 Bamberg, statt.

Referenten/ Gäste

ALEIDA ASSMANN ist Anglistin, Ägyptologin und Literatur- und Kulturwissenschaftlerin. Sie studierte Anglistik und Ägyptologie in Heidelberg und Tübingen und promovierte und habilitierte in Heidelberg. 1993 folgte sie einem Ruf auf den Lehrstuhl für Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz. Gastprofessuren führte sie an Universitäten in Houston, New Haven, Chicago und Wien. Seit den 1990er Jahren ist ihr Forschungsschwerpunkt die Kulturanthropologie, insbesondere die Themen kulturelles Gedächtnis, Erinnerung und Vergessen.

JAN ASSMANN ist Ägyptologe, Religionswissenschaftler, Kulturwissenschaftler und Emeritus der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Er studierte Ägyptologie, Klassische Archäologie und Gräzistik in München, Heidelberg, Paris und Göttingen und engagierte sich bei zahlreichen ägyptischen Grabungen. Er habilitierte sich im Jahre 1971 und folgte 1976 einem Ruf an die Ruperto Carola auf den Lehrstuhl für Ägyptologie, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2003 lehrte. Es folgte eine Honorarprofessur für allgemeine Kulturwissenschaft an der Universität Konstanz, die er heute noch ausübt. Als Kulturwissenschaftler entwickelte Jan Assmann mit seiner Frau Aleida Assmann die Theorie des kulturellen Gedächtnisses.

CLAUS-CHRISTIAN CARBON ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie an der Universität Bamberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten der Wahrnehmungs- und Gedächtnispsychologie, der kognitiven Ergonomie, der Innovations- und Designforschung und der angewandten psychologischen Methodenentwicklung.

JONATHAN WILLIAMS ist seit 2012 Stellvertretender Direktor des British Museum in London und hat auch die Gesamtverantwortung für die Forschung. 2006-2007 koordinierte er die internationale Strategie des Museums, bevor er 2007 Direktor der Abteilung Urgeschichte und Europa wurde. Von 1993 bis 2005 war Williams Kurator für das Themengebiet Eisenzeit und römischen Münzen in der Abteilung für Münzen und Medaillen. Ein besonderer Forschungsschwerpunkt ist die  Zeit der römischen Republik, besonders der kulturelle Austausch zwischen Römern und Briten in der Zeit kurz vor der Eroberung Englands.

HARALD WYDRA ist seit 2003 Fellow des St. Catharine College an der  Universität Cambridge. Nach dem Studium der Geschichte und  Politikwissenschaft an den Universitäten Regensburg und Salamanca  promovierte er in Sozial-und Politikwissenschaften in Florenz. Von 1998  bis 2003 war er Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Regensburg. Er erhielt Gaststipendien  in Paris und Canberra und ist Gründer und Herausgeber der  wissenschaftlichen Zeitschrift Internationale Politische Anthropologie. Seine Forschungsinteressen liegen v.a. in Osteuropäischer und Russischer  Politik, Demokratietheorie, Politik der Erinnerung und in interpretativen Methoden in den Sozialwissenschaften.

Hegelforum Erinnerungen an eine vergessene Welt

Ergänzend finden Vorträge im Hegelforum statt.