Schadfaktor Licht: Wie wir unser Kulturgut besser schützen
So manche Besucherin und so mancher Besucher der Wieskirche in Steingaden, der Alten Schäfflerei im Kloster Benediktbeuern oder des Ingolstädter Münsters dürfte sich in jüngster Zeit über eigenartige bunte Tafeln gewundert haben. Dort stehen sie zwischen Heiligenfiguren, Fresken und Altären. Ihr Zweck: den Einfluss des Sonnenlichts auf die Kunstschätze sichtbar zu machen. Denn Licht zählt zu den gravierendsten Schadfaktoren für Kunst- und Kulturgut.
Seine zerstörerische Wirkung entfaltet sich schleichend: Farben bleichen aus, Bindemittel zersetzen sich, Oberflächen verspröden und verlieren ihre Substanz. Neben der UV-Strahlung bringt die Sonne auch noch Wärme: Infrarotstrahlung heizt Innenräume auf, was besonders empfindlichen Materialien zusetzt. Eine Klimatisierung kann zwar gegensteuern, ist aber energieintensiv. Wesentlich nachhaltiger sind passive Maßnahmen wie spezielle Schutzverglasungen, Folien oder Vorhänge. Ein groß angelegtes Forschungsprojekt des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Universität Bamberg zusammen mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) beschäftigt sich nun mit dem Thema. Gefördert wird das Vorhaben von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
„Lichtschutz ist für den langfristigen Erhalt unseres Kulturgutes ein entscheidender Hebel. Mit diesem Projekt untersuchen wir erstmals systematisch, welche Maßnahmen sich langfristig bewähren. Denkmalgerechter Lichtschutz hilft, wertvolle Kunst- und Kulturgüter zu bewahren, er stabilisiert das Innenraumklima, verbessert die Energieeffizienz und spart letztlich CO₂ ein“, sagt Prof. Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.
In mehr als 30 Kirchen, Schlössern und Bibliotheken in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird derzeit getestet, wie sich Lichtschäden verhindern lassen. Insgesamt wurden im Frühjahr 2025 circa 56 Mustertafeln in ausgewählten Gebäuden angebracht und bleiben dort für rund ein Jahr. Die Tafeln sind mit konservatorisch relevanten Materialien wie gefasstem, also mit Grundierungen oder Farbe beschichtetem Holz, textilen Bildträgern, Pergament, Leder und synthe-tischen Materialien wie Kunstharz bestückt. Dabei wird eine Hälfte jeder Tafel lichtdicht abgeschirmt, die andere – je nach Fallbeispiel – von verschiedenen innenliegenden Systemen geschützt: UV- und Infrarot-Adhäsionsfolien, Schutzgläser, Screens sowie spezielle Verglasungen filtern das Licht, bevor es auf die Oberflächen trifft. Präzise Messgeräte erfassen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beleuchtungsstärke. Parallel führt das Fraunhofer-Institut für Bauphysik Laborversuche durch. So können die Praxisergebnisse mit systematischen Messwerten abgeglichen und Einflüsse wie Sonnenstand, Himmelsrichtung oder Abstand zur Lichtquelle berücksichtigt werden.
„Licht ist im Baudenkmal ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es essenziell, die Innenräume so auszuleuchten, dass die wertvollen Räume authentisch erlebt werden können. Auf der anderen Seite hat Licht ein nicht zu unterschätzendes Schädigungspotential. Wie beim Sonnenbaden kann der UV-Anteil des Sonnenlichtes zu Schädigungen führen. Allerdings besitzen historische Oberflächen, im Gegensatz zu unserer Haut, keinen Selbstregenerierungsmodus, sodass dadurch entstandene Schäden vielfach irreversibel sind“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Paul Bellendorf, Inhaber der Professur für Restaurierungswissenschaft an der Universität Bamberg.
Laut DBU-Fachreferentin Constanze Fuhrmann stehen Lichtschutzsysteme in der Denkmalpflege in Zeiten des Klimawandels immer mehr im Fokus der Forschung. Neben dem BLfD und dem KDWT gehören auch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt, die Bayerische Schlösserverwaltung, die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart zum Projektkonsortium.
Bild “Mustertafel Wieskirche(5.4 MB)”: Aufstellung einer Mustertafel in der Wieskirche.
Quelle: BLfD
Bild “Mustertafel Ingolstädter Münster(2.2 MB)”: Mustertafel im Ingolstädter Münster.
Quelle: BLfD