Tim Kipphan/Universität Bamberg

Wie verändert sich die Art der Motivation nach dem Übergang in die gymnasiale Oberstufe? Dazu hat Sarah Becker in einer aktuellen Studie geforscht.

Colourbox

Jugendliche lernen motivierter, wenn die neue Schule oder das neue Berufsfeld ihren Begabungen und Interessen entspricht.

- Sebastian Koch

Das Geheimnis der Motivation

Die Bamberger Psychologin Sarah Becker erforscht, warum Jugendliche lernen

Schule – das ist der Ernst des Lebens. Es gibt wohl keine Schülerin oder keinen Schüler, der oder die diese Aussage noch nicht gehört hat. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass der eine Lernende den besagten Ernst des Lebens mit einer anderen Einstellung angeht als der andere. Gelernt wird in der Regel aber immer. Weil es Druck aus dem Elternhaus gibt. Oder auch aus dem eigenen Ehrgeiz heraus, sich und anderen etwas zu beweisen. Und natürlich spielt der Berufswunsch bei der Motivation, sich mit mathematischen Formeln, historischen Ereignissen oder englischen Vokabeln auseinanderzusetzen, eine Rolle.

„In der Forschung geht man davon aus, dass es zwei grundlegende Arten der Lernmotivation gibt“, erzählt Sarah Becker. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am von Prof. Dr. Cordula Artelt geleiteten Lehrstuhl für Empirische Bildungsforschung an der Universität Bamberg erklärt: „Es gibt Menschen, die aus lernzielorientierten Motiven lernen. Das heißt, sie lernen, weil sie Interesse am Thema haben und sich weiterbilden möchten. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die lernen, um zu zeigen, dass sie etwas können. Die Perspektive nach außen ist bei der Leistungsorientierung das Entscheidende.“ Becker befasst sich in einer aktuellen Studie mit der Fragestellung, inwieweit sich die Art der Motivation nach dem Übergang in die Sekundarstufe II – also in die gymnasiale Oberstufe – und in das duale Ausbildungssystem verändert. Sie hat herausgefunden: Die Lernzielorientierung nimmt sowohl bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II als auch bei jenen, die eine Ausbildung beginnen, zu. Für die letztere Gruppe ist dieser Zuwachs sogar noch stärker ausgeprägt. Hingegen nimmt die Leistungszielorientierung in beiden Gruppen ab – hier gibt es zwischen den Untersuchungsgruppen auch keine Unterschiede ob der Stärke der Abnahme.

Seit Ende 2013 wird die Arbeit der Forschergruppe von den beiden Projekten BiKSplus[3-13] und BiKSplus[8-18] fortgeführt. „Bei BiKSplus und dem Vorläuferprojekt BiKS wollen wir mit unseren Studien zufällig ausgewählte Kindergarten- und Schulkinder über einen möglichst langen Zeitraum in ihrer Entwicklung begleiten“, sagt Prof. Dr. Cordula Artelt, Sprecherin der Projektgruppe. „Die Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche ermöglicht es uns, diese Datengrundlage umfassend für verschiedene Disziplinen fruchtbar zu machen.“

Lernzielorientierung nimmt in höheren Klassen wieder zu

Sarah Beckers Forschung befasst sich mit Schülerinnen und Schülern, die 2013 die elfte Klasse besucht haben beziehungsweise sich 2013 im ersten Ausbildungsjahr befunden hatten. In Telefoninterviews haben die Befragten unter anderem auch Einschätzungen zu ihren persönlichen Lernmotivationen und -zielen gegeben.

„Bisherige Studien mit jüngeren Schülerinnen und Schülern haben gezeigt, dass nach dem Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen die Lernziele abnehmen und die Leistungsziele unter anderem aufgrund der stärkeren Fokussierung auf Wettbewerb und Leistung zunehmen“, erklärt Sarah Becker. „Unsere Hypothese war, dass die Lernziele nach dem Übergang in die gymnasiale Oberstufe beziehungsweise in die Ausbildung wieder ansteigen. Dies wollten wir mit unserer aktuellen Studie überprüfen.“  Das Ergebnis hat die Vermutung bestätigt: In beiden Gruppen nehmen die Leistungsziele ab, die Lernziele hingegen zu.

Wie kommt es dazu? „Schülerinnen und Schülern, die in eine berufliche Ausbildung wechseln, ist es möglich, ihren beruflichen Werdegang auch interessens- und begabungsorientiert zu wählen“, gibt Sarah Becker eine mögliche Erklärung für den Anstieg der Lernzielorientierung. Dass dieser Anstieg auch für Schülerinnen und Schüler, die in die gymnasiale Oberstufe wechseln, zu beobachten war, könne damit zusammenhängen, dass einige Fächer frei gewählt werden können.

Jugendlichen und Auszubildenden rät Sarah Becker deswegen, ihren Bildungsweg so gut es geht nach ihren eigenen Fähigkeiten und Interessen auszurichten. „Lernende profitieren von einer Ausbildung besonders, die sie sich auch tatsächlich gewünscht haben.“ Denn Jugendliche, die entsprechend ihrer Begabungen und Interessen auf eine neue Schule oder in ein neues Berufsfeld wechseln, lernen aufgrund der besseren Passung zwischen ihren Wünschen und Interessen sowie der Lernumgebung motivierter. „Das Geschlecht, ein etwaiger Migrationshintergrund oder der sozioökonomische Status spielen hingegen bei der Motivationsentwicklung keine Rolle,“ so Beckers Fazit.