Die BWL-Studierenden weichen jeden Montag in die Konzert- und Kongresshalle aus (Foto: wikimedia/cc-by-sa/Peter Eberts)

Im Hegelsaal finden 669 Studierende Platz (Bildquelle: Bestuhlungsplan der Konzert- und Kongresshalle)

- Katja Hirnickel

Studieren im Konzertsaal

Raumnot in der Universität fordert kreative Lösungen

Am ersten Vorlesungstag des Wintersemesters 2011/12 hatte eine beengte Studiensituation die Nerven vieler BWL-Erstis im Universitätsgebäude Feldkirchenstraße 21 (Feki) strapaziert: 1.100 Studierende drängten sich in den Gängen und im Hörsaal Audimax, der eigentlich für 526 Personen ausgelegt ist. Mit ein Grund dafür war, dass die als Wiederholung geplante BWL-Vorlesung Einführung in die Betriebswirtschaftslehre in der Kärntenstraße nicht stattfand: Prof. Dr. Thomas Egner vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebliche Steuerlehre hatte sie vorsorglich ausfallen lassen, weil er um die Sicherheit der Studierenden in dem beengten Gebäude fürchtete.

„Ich konnte nur ans Pult gelangen, indem ich über die Tische kletterte“, erzählte Egner. Seine Vorlesung im Audimax brach er deshalb am Montag, den 17. Oktober, ab – nach einigen organisatorischen Hinweisen und mit dem Versprechen auf einen geregelteren Studienverlauf ab der zweiten Woche. Dies blieb jedoch die einzige Vorlesung, die wegen der Studierendenflut ausfallen musste. Die Studiendekanin der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (SoWi) Prof. Dr. Susanne Rässler kontrollierte in den ersten Tagen die Räume und Studienbedingungen mehrmals am Tag: Die meisten Seminare und Vorlesungen fänden in voll besetzten, aber nicht überbelegten Hörsälen statt, erklärte sie. „Wir haben lange für dieses Semester geplant; alle relevanten Kurse finden mehrfach zu verschiedenen Zeiten statt. Da wir jedoch keine Anmeldepflicht haben, können wir nicht steuern, zu welcher Vorlesung die Studierenden in der ersten Semesterwoche kommen.“ Es könne also passieren, dass zu den beliebteren Zeiten besonders viele Studierende an die Universität kommen, während Vorlesungen zu anderen Terminen wie am Freitagnachmittag nicht ausgelastet seien. Die Studiendekanin hofft nun darauf, dass sich die Studierenden selbständig und gleichmäßig verteilen – im Notfall auch auf Kurse, die zu weniger beliebten Zeiten stattfinden.

War die Universität tatsächlich unvorbereitet?

Viele Studierende sind verärgert über die aktuellen Ereignisse. Dabei fragen sie sich, warum die Universität auf die Studierendenflut so unvorbereitet wirkt. Tatsächlich jedoch habe sich die Universitätsleitung bereits seit langem für den doppelten Abiturjahrgang gerüstet, berichtet der Vizepräsident für Lehre Prof. Dr. Sebastian Kempgen. Beispielsweise seien 6 der 14 Lehrstühle und Professuren der Fachgruppe BWL in den letzten zwei Jahren entstanden. Für die Fakultäten Geistes- und Kulturwissenschaften (GuK) und Humanwissenschaften (Huwi) habe der Neubau auf dem Marcusgelände bereits die Raumsituation entspannt, ohne sie jedoch gänzlich zu lindern. Der Neubau auf der ERBA-Insel wird im Sommer 2012 fertiggestellt, damit die Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik (WIAI) und die Fächergruppen Musikpädagogik und Kunstpädagogik aus der Feki dorthin umziehen und Raum für die SoWi schaffen können. „Das ist ein Semester später als erhofft. Dafür kann die Universität nichts, aber mit den Folgen muss sie zurechtkommen“, verwies Sebastian Kempgen auf den harten Winter 2010/11, der den Bau verzögerte. Ursprünglich war der Einzug bereits für Februar 2012 geplant.

BWL ohne Zulassungsbeschränkung

Besonders die ohnehin beliebten Fächer BWL, Kommunikationswissenschaften und Pädagogik hätten mit einer sehr starken Überlast zu kämpfen, erklärte der Vizepräsident. „Richtig dramatisch hat sich die Situation jedoch nur in der BWL entwickelt.“ Einer der Gründe dafür sei, dass die Universität Bamberg als eine der wenigen Universitäten auf einen Numerus Clausus auf dieses Fach verzichte. Ansonsten hätten viele Studierende vermutlich gar keinen Studienplatz am gewünschten Ort oder im favorisierten Fach bekommen, so Kempgen. „Mit den jetzt stark nachgefragten Fächern war immer vereinbart, dass wir im nächsten Jahr über Zulassungsbeschränkungen ganz anders nachdenken werden als es für dieses Jahr geplant war. Genehmigen aber muss dies das Ministerium - das können die Universitäten gar nicht entscheiden.“

Auch Studiendekanin Susanne Rässler erklärte, dass man sich auf den doppelten Jahrgang bereits länger vorbereitet habe. „Mit der Aussetzung der Wehrpflicht, die Ende 2010 beschlossen wurde, stieg für uns allerdings die Planungsunsicherheit. Für langfristige Maßnahmen blieb nicht immer genug Vorlaufzeit.“ Noch bis weit in die Einschreibefrist habe man die ursprünglich prognostizierten 800 bis 900 BWL-Studierenden für realistisch gehalten. „Sobald wir merkten, dass die Zahlen unsere Vorhersagen übersteigen würden, haben wir uns um Lösungsmöglichkeiten bemüht.“

Raum-Verträge sind unterschrieben

Jetzt hat sie gemeinsam mit dem Dekan der SoWi Prof. Dr. Johann Engelhard eine Lösung gefunden und umgesetzt – zwar nicht zu Beginn des Semesters, aber noch rechtzeitig, um ein geregeltes Studium zu ermöglichen: Die Universität mietet den Hegel-Saal in der Konzert- und Kongresshalle. Dort finden 669 Studierende Platz, erklärte Kurt Herrmann, Leiter des Dezernats Zentrale Aufgaben und Flächenmanagement. Die Verträge seien unterschrieben, der Saal für jeden Montag ab dem 24. Oktober von 8 bis 18 Uhr gemietet, denn Montag ist der Problemtag im Belegungsplan des Audimax. Die Kosten der Anmietung von knapp 10.000 Euro pro Semester deckt ein Notfallfonds, der für derartige Fälle gezielt eingerichtet wurde. Auf diese Weise könne man das Vorlesungs- und Seminarprogramm quasi spiegeln, das im Audimax stattfindet, und im Hegel-Saal zeitlich versetzt dieselben Veranstaltungen anbieten, erklärte Johann Engelhard. Die Studierenden müssen aber nicht nach jeder Vorlesung durch die ganze Stadt hetzen: „Wir wollen die Dozenten pendeln lassen, nicht die Studierenden.“ Diese werden jeweils den ganzen Tag in der Innenstadt verbringen und haben dort auch die Möglichkeit, die Innenstadt-Mensa zu besuchen.

Mehr Stühle und digitale Dozenten

Weitere externe Anmietungen sind für das Wintersemester zur Zeit nicht geplant. Allerdings werde die Universität für die Prüfungsphase sicherlich wie gewohnt auf angemietete Flächen zugreifen müssen, beispielsweise auf die Stechert-Arena, so Kurt Herrmann. Darüber hinaus prüfe man mit Brandschutzexperten, ob die Bestuhlung der Hörsäle an der Feki unter Einhaltung der Feuerschutzbestimmungen aufgestockt werden könnte. Bei einer losen Bestuhlung oder beim Sitzen auf Boden und Gängen werden die Fluchtwege blockiert, im Notfall könnte es schnell zur Katastrophe kommen. Auch für das zukünftige Semester plane sein Dezernat Anmietungen: „Wir lassen gerade prüfen, ob wir den Hegel-Saal auch im Sommersemester anmieten können“, so Herrmann.

Auch die Dozenten suchen nach kreativen Lösungen, den Inhalt ihrer Vorlesung an die Studierenden zu bringen. Die vielversprechendste Idee ist dabei, die eigene Vorlesung aufzuzeichnen und danach im Internet zur Verfügung zu stellen – die Studierenden bekommen alle Erläuterungen aus erster Hand, ohne sich dafür ins Gedränge stürzen zu müssen. Für interaktive Seminare eignet sich die virtuelle Vorlesung jedoch nur bedingt.

Möglicherweise könne man auch noch die Belegungspläne einiger Hörsäle ändern und intern oder zwischen den Fakultäten tauschen, deutete Studiendekanin Susanne Rässler an. Voraussetzung dafür sei aber, nach der ersten Semesterwoche die erwarteten Teilnehmerzahlen solcher Veranstaltungen mit den tatsächlichen abzugleichen.

Herausforderungen Studierendenzahl... 

Den scheinbaren Widerspruch, dass die Universitätsleitung sich zwar über steigende Studierendenzahlen freue, aber gleichzeitig die überlaufenen Kurse beklage, klärte Vizepräsident Sebastian Kempgen auf: Problematisch sei nicht die auf 12.416 gestiegene Studierendenzahl in diesem Wintersemester an sich, sondern die Tatsache, dass sich die Erstsemester so ungleichmäßig auf die Fächer verteilten. Immerhin konzentrieren sich mehr als ein Drittel der Studierenden im ersten Fachsemester auf die Fachgruppe BWL, der Rest teile sich auf alle anderen Fächer auf.

Die Gesamtstudierendenzahlen waren auch ohne doppelten Abiturjahrgang schon jedes Semester gestiegen, in den letzten fünf Jahren um ein Drittel. „Die Universitäten kommen ohne den weiteren Aufbau von Studienplätzen mit diesem Zustrom nicht aus eigener Kraft zurecht - der Staat muss dringend weitere Gelder freigeben“, appellierte Sebastian Kempgen. Das hat der Präsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert in einem Pressetermin mit Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch als Sprecher der Universität Bayern, dem Verbund der bayerischen Universitäten, für alle Mitglieder reklamiert: „Um auch dieser Generation adäquate Studienbedingungen bieten zu können, werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen - von den zusätzlich zur Verfügung gestellten Ressourcen bis hin zu manchen sicher notwendigen Improvisationen.“

... und knapper  Wohnraum

Große Sorge bereitet Ruppert und Kempgen allerdings die Wohnsituation. „Die größte Restriktion für diesen großen Studierendenjahrgang können wir nicht selber beseitigen, hier brauchen wir die Mithilfe der Öffentlichkeit“, so Godehard Ruppert. Die Universitäten selber können nicht bauen, für die Wohnheime sind gesetzesgemäß die Studentenwerke zuständig. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass hier mehr geschehen muss – und wir haben aufgerufen, dass mehr Angebote auf dem privaten Wohnungsmarkt benötigt werden.“ In Bamberg hat insbesondere die Stadt-Tochter Stadtbau GmbH reagiert, aber auch andere private Anbieter, dennoch: „Hier dürfen wir nicht handeln, sondern können nur appellieren! Das ist auch für die Universitätsleitung eine unbefriedigende und mitunter höchst ärgerliche Situation“, erklärte der Präsident. Er fühle sich nicht wohl in der Rolle des Mahners, aber mehr Möglichkeiten habe die Universität selber nicht: „Mögen täten wir schon, aber dürfen ist uns leider untersagt.