Gerhard Vinken erzählt den Kindern vom Einsturz der italienischen Kirche San Francesco in Assisi. (Fotos: Matthias Hoch/FT)

Beim Ratespiel zeigen die Kinder, wie viele Welterbestätten sie kennen.

Das Erbe der Welt schützen

Dritte Kinder-Uni-Vorlesung

Auch an der Uni läuft nicht immer alles glatt. Da kann man sich zum Beispiel unsicher sein, wann die Unterrichtsstunde eigentlich anfängt – und das
geht nicht nur den Studenten so. Bei der dritten Vorlesung der Bamberger Kinder-Uni in diesem Semester wusste es der Professor selbst nicht so genau und saß um kurz nach 11 Uhr noch vorm Gebäude in der Sonne. Seine Assistentin kommt angerannt, deutet hektisch auf ihre Armbanduhr – zwei Minuten später steht Gerhard Vinken vor knapp 70 kleinen Studenten. Er ist Professor für Denkmalpflege und Heritage Sciences (sprich: herritädsch seienses). Das ist englisch und heißt „Wissenschaft vom Erbe“. Vinken erzählt den Kindern vom Weltkulturerbe, von der Verantwortung, die damit einhergeht, und warum es so wichtig ist, die Welterbestätten zu bewahren.

Welterbestätten, das sind besondere Bauwerke. Brücken zum Beispiel. Burgen, Denkmäler und Kirchen. Die ganze Welt hat sie von früheren Generationen geerbt, deshalb muss die ganze Welt sie auch beschützen. Aber warum? Stell Dir einmal vor, Du erbst eine Geige, kannst sie aber nicht spielen. Das ist erstmal doof. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten: Du könntest Geigespielen lernen. Sonst liegt das Instrument nur rum und verstaubt. Bei einer sehr teuren Geige musst Du vielleicht sogar eine Versicherung abschließen, falls sie geklaut wird. Auch doof, oder? Du könntest die Geige auch jemandem schenken, der sie spielen kann. Dann hätte sie weiterhin einen Sinn.

Und jetzt stell Dir vor, Du erbst eine Ritterburg. Das klingt gleich viel toller als eine alte Geige. Aber auch für die Burg müsstest Du Verantwortung übernehmen – wie für die Geige. Damit sie nicht verfällt, musst Du Dich um sie kümmern. Zum Beispiel das Dach reparieren, wenn es undicht ist. Das kann ziemlich teuer werden, vom Aufwand ganz zu schweigen. Und dann kannst Du nicht einmal in der Burg wohnen, weil sie so kalt und ungemütlich ist. „Wieso also müssen wir dieses Erbe bewahren, wenn es so nutzlos ist?“, fragt Vinken.

Nicht in Vergessenheit geraten

„Zur Erinnerung“, sagt ein Junge. Und seinem Banknachbarn fällt noch ein, dass eine große Burg oder ein Dom das Wahrzeichen einer Stadt sein könnten. „Dadurch zeichnet sich eine Stadt aus“, sagt er. „So, wie in Paris der Eiffelturm steht, stehen in Bamberg der Dom und die Altenburg.“ Die Erinnerung, sagt Gerhard Vinken, sei ganz wichtig. Nicht vergessen, was einmal war, die Geschichte bewahren. Dass das so wichtig ist, haben die meisten Länder schon vor langer Zeit erkannt.

1972 haben sie deshalb eine Vereinbarung unterschrieben, die sie verpflichtet, das Welterbe zu schützen. „Welterbekonvention“ heißt dieser Vertrag. 189 Staaten haben ihn unterschrieben. Als 1997 bei einem Erdbeben die italienische Kirche San Francesco eingestürzt ist, haben die Länder der Erde, aber auch viele Privatleute, Geld gespendet, damit die Kirche wieder aufgebaut werden konnte.

Vom immateriellen Erbe

Zum Welterbe gehören aber nicht nur materielle Dinge wie Bauwerke. Es gibt auch immaterielles Erbe, also Dinge, die nicht greifbar sind. Der argentinische Tanz „Tango“ gehört dazu. „Wie schützt man nun einen Tanz?“, fragt Vinken. „Man kann ihn immer wieder aufführen, damit er nicht vergessen wird“, schlägt ein Mädchen vor. „Genau“, sagt Vinken und erzählt, dass der Tango so tief in der argentinischen Kultur verankert ist, dass die Menschen ihn immer und überall tanzen. In Clubs, bei Straßenfesten, auf privaten Feiern. „So kann er nicht in Vergessenheit geraten“, sagt der Professor.

Zum Schluss der Vorlesung hat Vinken noch ein Spiel vorbereitet: Er zeigt den Kindern Bilder von Welterbestätten. Die kleinen Studenten können unter Beweis stellen, dass sie schon ganz viele von ihnen kennen. Schloss Versailles in Frankreich und das englische Stonehenge erkennen sie genauso schnell wie
die Würzburger Residenz.

Hinweis

Dieser Artikel von Christine Reichenberger erschien am 17. Juni 2013 im Fränkischen Tag und wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.