Der Wegweiser zum Baskenmuseum auf Französisch, Gaskognisch und Baskisch. Auf den ersten Blick scheinen die drei Sprachen nichts miteinander gemein zu haben. Doch Martin Haase entdeckte gaskognische Einflüsse im Baskischen. (Foto: privat)

Martin Haase zeigt den baskischen Sprachatlas, mit dem er sich intensiv beschäftigt hat. (Foto: Julia Kerzel)

Das Baskische – (k)eine isolierte Sprache?

Sprachwissenschaftler Martin Haase zeigt, wie Sprachforschung hilft, die Welt anders zu verstehen

Welchen Einfluss haben Sprachen auf Ländergrenzen? Der Bamberger Wissenschaftler Martin Haase revolutionierte die romanische Sprachwissenschaft mit seiner Entdeckung gaskognischer Einflüsse im Baskischen. Seine Ergebnisse zeigen: Sprachforschung hilft, über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Lange Zeit gingen Sprachwissenschaftler davon aus, dass das Baskische eine isolierte Sprache ist, die von benachbarten Sprachen weitgehend unbeeinflusst ist. Prof. Dr. Martin Haase, Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Bamberg, ist es gelungen zu zeigen, dass auch die baskische Sprache beeinflusst wurde. Er revolutionierte die Sprachforschung durch die Entdeckung, dass die galloromanische Sprache Gaskognisch auf das Baskische eingewirkt hat.

Für die bemerkenswerte Isolation des Baskischen führten die Wissenschaftler üblicherweise zwei Gründe an. Zum einen spielten geografische Gegebenheiten eine Rolle: Aufgrund der geschützten Lage des Baskenlandes zwischen Nordspanien, Pyrenäen und Südfrankreich ist das Baskische „die einzige Sprache, die die indogermanische Invasion überlebt hat“, betont Haase. Die Römer bewegten sich lieber an der Küste Richtung Süden fort, als über das gebirgige Gelände der Pyrenäen, in dem die Basken beheimatet waren. Die Sprache blieb daher von der romanischen Eroberung unbeeinflusst.

Erbrecht begünstigte Auswanderung

Zum anderen besteht in der Sprachwissenschaft Konsens darüber, dass sich das Baskische über Ländergrenzen hinweg auf andere Sprachen auswirkte. Durch ein spezielles Erbrecht im südlich der Pyrenäen gelegenen, ursprünglichen Baskenland stand dem erstgeborenen Kind unabhängig vom Geschlecht der gesamte Grundbesitz zu. Die verbleibenden Nachkommen mussten eine andere Überlebensgrundlage als die Landwirtschaft finden. Viele Basken wanderten daher gen Norden in die Gascogne, eine historische Provinz im Südwesten Frankreichs, ab und trugen so zur dortigen Verbreitung der baskischen Sprache bei. Dort beeinflusste jedoch das Romanische die ansonsten isolierte baskische Sprache. Das Resultat ist Gaskognisch, das eine romanische Kontaktsprache des Baskischen ist.

Auch die Baskische Akademie sieht das Baskische als eine isolierte Sprache an, die andere Sprachen beeinflusste, aber selbst nicht beeinflusst wurde. Bis heute hat die Institution, die das Baskische erforscht, vier Sprachatlanten mit detailgetreuen Karten über die oft von Ort zu Ort unterschiedlichen Verwendungen von Wörtern veröffentlicht.

„Baskisch nicht so isoliert, wie man vermutet“

Haase entdeckte auf Forschungsreisen in die Gascogne allerdings das Gegenteil: Die gaskognische Sprache wirkte sich umgekehrt auch auf die baskische Sprache aus. Beispielsweise ist die Betonung auf der zweiten Silbe eines Wortes, die im nordöstlichen Baskenland auftritt, laut Haase nur mit dem Einfluss des Gaskognischen auf das Baskische erklärbar. Bereits Ende der 1980er Jahre verfasste er seine Dissertation über Die Einflüsse des Gaskognischen und Französischen auf das Baskische.

Er definierte darin unter anderem den sogenannten Schleuseneffekt, ein Konzept, das von vielen Sprachwissenschaftlern übernommen wurde: Das Gaskognische funktioniert dabei wie eine Schleuse, die französische Wörter wie „branche“ für Zweig über das Gaskognische, „branka“, mit „brantxa“ in das Gebiet des ursprünglichen Baskenlands „einschleust“. Mit seiner Forschungsarbeit bewies der Sprachwissenschaftler erstmalig, dass „das Baskische nicht so isoliert ist, wie man vermutet“, es einen regen Austausch zwischen der baskischen und der gaskognischen Bevölkerung auch auf baskischem Gebiet gab und die baskische Ländergrenze somit nicht nur zu einer, sondern zu beiden Seiten hin durchlässig war. Denn damit eine Sprache Einflüsse einer anderen adaptieren kann, ist ein langjähriger, intensiver Kontakt nötig, wie er zum Beispiel durch Einwanderung entsteht. 

Haase machte zudem anhand vieler geografisch verorteter Beispiele für die Übernahme gaskognischer Wörter in das Baskische deutlich, „dass der gaskognische Einfluss das Baskische nicht zerstört, sondern eher bereichert hat.“ Der Sprachwissenschaftler betont: „Sprachliche Eigenarten müssen nicht bedeuten, dass man sich abschottet.“ Er zeigte damit, wie Sprachforschung dabei helfen kann, unsere Vorstellung von Nationalsprachen und der historisch-kulturellen Entwicklung von Nationen zu revidieren.  

Kritik an Baskischer Akademie

Es sollte allerdings bis zum Jahr 2013 dauern, bis die wissenschaftliche Community die Tragweite Haases Forschungen erkannte. Und das kam so: Die Leidenschaft zum Baskischen hat den Sprachwissenschaftler nie ganz losgelassen, weshalb er während seines Forschungsfreisemesters im vergangenen Sommer das Thema wieder aufgriff. Beim Begutachten der Sprachatlanten der Baskischen Akademie fiel ihm unter anderem auf, dass die Wörter „arrega“ und „arraga“, die im Nordosten des Baskenlandes verwendet werden und dem deutschen Wort „Erdbeere“ entsprechen, gaskognische und nicht etwa „alte baskische Wörter“ sind.

Haase behauptet, dass das lateinische Wort für Erdbeere, „fraxa“, der Wortursprung für die beiden Ausprägungen ist. Da „f“ für die Bewohner des Baskenlandes nicht aussprechbar war, wandelten sie das Wort in „ahraga“ um, was zu den heutigen Bedeutungen „arrega“ und „arraga“ führte. Haase versuchte, die Dialektologen der Baskischen Akademie für diese Einflüsse des Gaskognischen auf das Baskische zu sensibilisieren. Haase bemängelt: „Bei der Vorstellung des Atlas wurden viele Phänomene ausgelassen oder nicht richtig interpretiert.“

Große Anerkennung für Forschungsergebnisse

Seine Forschungsergebnisse arbeitete Haase zu einem Vortrag aus, den er beim Internationalen Kongress der romanischen Linguisten und Philologen in Nancy präsentierte. „Allein bei diesem renommiertesten Kongress für Romanische Sprachwissenschaft dabei zu sein, ist schon eine Ehre“, meinte Haase. Im Anschluss wurde ihm eine noch größere Anerkennung zuteil. Die beiden besten Vorträge einer Sektion, die circa 25 ausgesuchte Vorträge umfasst, werden nach einem mehrstufigen Bewertungsverfahren in gedruckten Akten publiziert. Sein Vortrag „Les influences gasconnes en basque“ ist dabei.

Bei Interesse am Erwerb des Vortrages von Prof. Dr. Haase: Buchi, Éva/ Chauveau, Jean-Paul/ Pierrel, Jean-Marie (Hrg.) (2014): Actes du XXVIIe Congrès international de linguistique e de philologie romanes (Nancy, 15-20 juillet 2013), 3 Bände. Strasbourg : Société de linguistique romane/ÉLiPhi.

Hinweis

Diesen Text verfassten Julia Kerzel und Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien(at)uni-bamberg.de oder Tel: 0951-863 1023.