Besuch der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Bamberg - Bericht

Professur für Romanische Literaturwissenschaft/Hispanistik
Exkursion im Rahmen des Seminars
»Jüdische Kulturen in Lateinamerika« (SoSe 2014)

Montag, 12. Mai 2014 / 11:00 Uhr

Im Rahmen des Seminars Jüdische Kulturen in Lateinamerika fand ein Ausflug zur Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Bamberg statt. Die von der Seminarleiterin Katharina Scheffner, M.A., organisierte Aktivität hatte zum Ziel, den Studierenden das heutige jüdische Leben näherzubringen, da sich die klassische Schulbildung über »die Juden« meist auf die Zeit des Dritten Reichs beschränkt. Frau Rebecca Mitzner, ehrenamtliche Mitarbeiterin der IKG, führte die Seminarteilnehmer*innen durch die Synagoge und angrenzenden Räumlichkeiten.

Die Bamberger jüdische Gemeinde versteht sich als Vertreterin eines liberal-progressiven Judentums, also einer gemäßigten, sehr welt- und realitätsorientierten Strömung. Insgesamt gibt es heute wieder etwa 2000 Juden in Bamberg, davon sind ca. 900 Gemeindemitglieder und 30 bis 50 Personen nehmen regelmäßig an den Gottesdiensten teil. Rabbinerin Yael Deusel steht seit 2011 der jüdischen Gemeinde vor, sie wurde am liberalen Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam ausgebildet und ist die erste deutschstämmige Rabbinerin in Deutschland seit den 1930er Jahren.

Die Bamberger Synagoge besteht neben der Synagoge selbst aus einem Raum für Feiern und Versammlungen (Willy-Lessing-Saal), Büro- und Ausbildungsräumen und hat eine Mikwe (traditionelles Tauchbad zur religiösen Reinigung). Diese Räumlichkeiten der IKG Bamberg sind im Zentrum Bambergs in einem ehemaligen renovierten Fabrikgebäude untergebracht und werden rege genutzt: Neben den beiden Gottesdiensten gibt es Jugend- und Seniorentreffen sowie einen Chor, ein Kulturcafé und es finden regelmäßig Vorträge statt.

Historisch betrachtet gibt es Juden in Bamberg schon sehr lange: Sicherlich fanden einige schon mit den römischen Legionen zu Beginn unserer Zeitrechnung ihren Weg nach Bamberg, archivalisch belegen lassen sich die ersten Juden und die erste Synagoge zu Beginn des Mittelalters. Die Bamberger Juden wurden mehrfach der Stadt verwiesen und mussten bis zur Säkularisierung (1803) hohe Steuern und zusätzliche Abgaben an die Fürstbischöfe zahlen. 1943 wurden alle Juden, die nicht vorher migriert waren, in Arbeits- und Vernichtungslager verschleppt und ermordet. Es gab lediglich zwei Rückkehrer, die begannen, die Bamberger jüdische Gemeinde wieder aufzubauen. Den Großteil der neuen Gemeindemitglieder bezog die neue jüdische Gemeinde aus dem großen Displaced Persons-Lager, das in Bamberg bestand. Nichtsdestotrotz war die Bamberger Gemeinde bis zum Zuzug von russischen Juden aus den ehemaligen UdSSR-Staaten Ende der 1980er Jahre von der Auflösung durch Überalterung bedroht. Erst mit diesen russischsprachigen Juden lebte die Gemeinde auf und kann ihr religiöses Leben und Feiern pflegen. Die russischsprachigen Juden erhalten in der IKG nicht nur religiösen und seelischen Beistand, sondern können auch Übersetzungsdienste und Hilfe für amtliche Angelegenheiten in Anspruch nehmen. Um den Gottesdienst für alle Bamberger Juden möglichst attraktiv zu gestalten, findet er – mit Ausnahme der Torahlesung und bestimmter Gebete, die auf Hebräisch gesprochen werden – auf Deutsch und Russisch statt.

Inzwischen gibt es auch wieder jüdische Kinder und auch immer wieder Konvertiten, die der Gemeinde beitreten. Gleichzeitig ist die jüdische Gemeinde in das enge, weltweite Geflecht von jüdischen Institutionen eingebunden und erhält so ideelle und auch materielle Unterstützung aus allen Teilen der Welt. Daneben sind die lokalen Kooperationen mit der Universität Bamberg, insbesondere der Professur für Judaistik und dem Studiengang Interreligiöse Studien nicht zu vergessen.

Auch die Studierenden der Romanistik waren von dem lebendigen Vortrag durch Rebecca Mitzner begeistert und lernten das Judentum von einer völlig neuen Seite kennen: als gelebte religiöse Praxis, die es auch wieder mitten in Deutschland gibt.

Exkursionsteilnehmer*innen über den Besuch in der IKG:

  • »Der Besuch in der Synagoge gab mir Einblicke in den jüdischen Alltag. Mir war nicht bewusst, dass russische Juden einen so hohen Anteil an der jüdischen Bevölkerung in Bamberg haben. Außerdem überraschte mich, dass die jüdische Gemeinde ebenso wie die christlichen Gemeinden mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen haben.
  • »Ich fand gut, dass Rebecca die verschiedenen jüdischen Strömungen erklärt und aufgezeigt hat, dass es nicht in allen Gemeinden so liberal zugeht.
  • »Ich fand es total absurd, dass die Bamberger [auch und insbesondere Christen] die neugebaute Synagoge 1910 architektonisch feierten und so begeistert davon waren, und sie dann in der Reichskristallnacht 1938 abbrannten.«
  • »Es ist wirklich traurig, dass die Sicherheitsvorkehrungen in den jüdischen Einrichtungen immer noch so hoch sein müssen. Gut, dass das erklärt wurde, so hat man sich gleich wieder wohler gefühlt.«

(von Katharina E. Scheffner, Mai 2014)