"Nachhaltigkeit ist mehr als der Klimawandel"
Im Rahmen des Nachhaltigkeitsmonats der Universität Bamberg wurde der Workshop ,,Klima Puzzle“ angeboten. Doch was ist das genau? Wie kann man das Klima puzzeln und was ist die Idee dahinter? Der Franzose Christophe Claude vom Verein BildungArbeit Global Sozial e.V. hat die Veranstaltung im Rahmen des Nachhaltigkeitsmonats organisiert und moderiert. Im Interview spricht er über die Klimakrise und wie ein Puzzle zum Klimaschutz motivieren kann.
Was hat Sie dazu motiviert, sich für den Nachhaltigkeitsmonat zu engagieren?
Christophe Claude: Ich engagiere mich seit zwei Jahren im Bereich Klimaschutz und führe verschiedene Projekte und Aktionen durch, um das Bewusstsein für den Klimawandel zu erhöhen. Vor zwei Jahren war das Thema nicht so prägnant wie heute. Heute ist es deutlich präsenter. Das habe ich auch in dem heutigen Workshop wieder gesehen. Eine Teilnehmerin war bereits sehr sensibilisiert. Sie ist seit zehn Jahren Veganerin und fliegt nicht mehr. Trotzdem hat sie nicht gedacht, dass es so schlimm um das Klima steht. Es ist für mich wichtig, die tatsächliche Situation zu vermitteln.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Nachhaltigkeit kann man sehr weit definieren. Allgemein ist alles nachhaltig, was längerfristig überlebt. Als engeren Begriff, kann man zum Beispiel eine Firma nennen, die eigentlich die Umwelt zerstört und Menschen missachtet, aber die für sich nachhaltig ist, weil sie einen Weg gefunden hat, zu bestehen. Global geht es beim Begriff Nachhaltigkeit um das Überleben der gesamten Bevölkerung, der Umwelt und der ganzen Erde. Diese Interpretation ist natürlich zu bevorzugen.
Sie haben im Rahmen des Nachhaltigkeitsmonats ein „Klima Puzzle“ angeboten. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, für den Klimaschutz zu puzzeln?
Die Idee für das „Klima Puzzle“ stammt ursprünglich aus Frankreich und wurde vom Ingenieur-Professor Cédric Ringenbach entwickelt, der die Ergebnisse des Weltklimarats, also des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), darstellen wollte. Weil das Ursache-Wirkungs-Prinzip nicht linear, sondern ein komplexes Netzwerk ist, ist er auf die Idee gekommen, Bilder auf Karten abzubilden und diese mit Pfeilen zu verbinden. Nach ein oder zwei Lehrveranstaltungen hat er festgestellt, dass sich die Studierenden dabei beteiligen können. So ist die Idee zum „Klima Puzzle“ entstanden. Den Studierenden wurden Karten mit Bildern rund um das Thema Klimaschutz gezeigt. Er hat sie gebeten, die Karten zu sortieren und Ursachen und Wirkungen zu verbinden. Es hat sich dann bald gezeigt, dass das „Klima Puzzle“ ein sehr potentes Mittel ist. So ist dann auch ein Verein entstanden. In Frankreich haben schon eine halbe Millionen Leute das „Klima Puzzle“ gespielt. Es ist in verschiedene Sprachen übersetzt worden, darunter ins Deutsche.
Wie funktioniert so ein „Klima Puzzle“ genau?
Die Karten für das „Klima Puzzle“ sind im Internet frei verfügbar. Jeder kann die Karten selbst kostenlos erstellen, um ein „Klima Puzzle“ zu spielen. Ein Workshop zum „Klima Puzzle“ funktioniert so: Der Moderator stellt die Karten bereit. Auf den Karten sind klimarelevante Themen abgebildet und ergänzt durch wissenschaftliche Erklärungstexte und Grafiken. Es gibt Karten zur Landwirtschaft, zur Energiebilanz der Erde oder zu CO2-Emissionen. Die Karten werden unter den Spielern vom Moderator peu à peu verteilt. Die Spieler haben dann die Aufgabe, die Karten mit Pfeilen in einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang zu bringen und zu verbinden.
Wie kann das „Klima Puzzle“ so mehr Sensibilität für Nachhaltigkeit schaffen?
Meine Erfahrung ist es, dass das Publikum der „Klima Puzzles“ oft schon etwas sensibilisiert ist. Durch das „Klima Puzzle“ wird ihnen die Brisanz des Themas noch klarer. Oft nehmen Leute am „Klima Puzzle“ teil, die sowieso etwas für Nachhaltigkeit tun wollen und man zeigt ihnen die harten Fakten. Das ist oft überwältigend für die Teilnehmer. Das „Klima Puzzle“ zeigt die Dringlichkeit des Themas: Man sieht wirklich die komplette Kette. Man sieht alle Wirkungen und Ursachen. Man sieht was passiert. Alle Themen sind dargestellt. Und man sieht, wie gravierend die Konsequenzen des Klimawandels auf die Menschheit sind.
Die Inhalte des „Klima Puzzles“ orientieren sich an den aktuellsten Forschungsergebnissen des Weltklimarats. Um welche Themen geht es dabei?
Etwa 80 Prozent unseres Bruttoinlandproduktes stammen zum Beispiel aus der Energienutzung durch Öl, Gas und Kohle. Dabei entsteht viel CO2. Man kann CO2 nicht ohne Weiteres abbauen. Das heißt: Wir extrahieren beispielsweise aus Saudi-Arabien Öl, Gas und Kohle, verbrennen es in Deutschland und der Rest landet in der Atmosphäre, wo es für mehrere tausend Jahre bleibt. Dort trägt CO2 zum Treibhauseffekt bei. Das hat gravierende Konsequenzen für die Menschheit. Es wird Orte auf der Erde geben, die für den Menschen nicht mehr überlebensfähig sind.
Was ist die Kernaussage des „Klima Puzzles“, die sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit auf den Weg geben?
Nachhaltigkeit ist mehr als der Klimawandel. Der Klimawandel ist eines der größten und drängendsten Probleme. Beim „Klima Puzzle“ erkläre ich das gern mit einer Analogie:
Ein großes Schwimmbad bietet die perfekte Infrastruktur, um dort zu schwimmen, zu spielen, zu essen, zu entspannen. Aber wenn das Becken kein Wasser hat, kommen keine Besucherinnen und Besucher. Alles, was man unter Nachhaltigkeit fasst, zum Beispiel Aspekte wie die soziale Gerechtigkeit oder auch Biodiversität, ist sinnlos, wenn das Klima zerstört ist. Das Klima ist das Wichtigste. Und trotzdem ist Klima nicht der einzige Aspekt von Nachhaltigkeit.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führten Lisa Persigehl und Paula Steger.
Das Interview wurde von Studierenden der Universität Bamberg im Rahmen der praktischen Lehrveranstaltung „Grundlagen des digitalen Journalismus“ am Institut für Kommunikationswissenschaft unter Leitung von Vera Katzenberger durchgeführt.