Transnationale Unternehmensgeschichte / Global- und Kolonialgeschichte

Wiss. Netzwerk "(Post-)Colonial Business History"

Unter Mitinitiative der Bamberger Juniorprofessur und in Kooperation mit den Universitäten Göttingen und Basel hat sich 2020/21 ein Netzwerk von Forscherinnen und Forschern mit Forschungsschwerpunkten der "Postcolonial Business History" (PCBH) gegründet, das sich regelmäßig über aktuelle Themen, Forschungsschwerpunkte, Inhalte, forschungspraktische Zugänge usw. austauscht.

Seit 2024 wird der Zusammenschluss als wissenschaftliches Netzwerk "(Post-)Colonial Business History" von der DFG gefördert. Weitere Informationen finden Sie hier.

Projektschwerpunkt Kolonialgeschichte als Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte: „Unternehmen Eisenbahn. Deutsche Unternehmen und die Kolonien“ (Kleinöder)

Folgt man der vorherrschenden Forschungsmeinung, so hat sich aus ökonomischer Sicht „der Kolonialismus für das Deutsche Reich zu keinem Zeitpunkt ausgezahlt“ (Boris Barth). Zugleich betont die aktuelle Forschung aber noch immer die zeitgenössische Hoffnung auf neue Märkte als starkes Motiv für das koloniale Engagement im Deutschen Kaiserreich. Mit dem kulturwissenschaftlichen Schwerpunkt des Postkolonialismus hat die Kolonialgeschichte insgesamt wieder einen starken Aufschwung erfahren. Obwohl die ökonomischen Fragen weiterhin als wesentlicher Bestandteil kolonialer Beziehungen charakterisiert wurden, ist der wirtschaftshistorische Fokus jedoch seit den 1980er Jahren immer stärker in den Hintergrund getreten. Erst in aktuellster Zeit rücken auch ökonomische Fragestellungen wieder ins Zentrum der internationalen kolonialhistorischen Forschung. An diese Perspektiven knüpft das Forschungsprojekt an. Ausgehend von Dirk van Laaks These zur ökonomischen Erschließung und Integration Afrikas über die deutsche Infrastrukturpolitik (2004) dient der Bau von Eisenbahnen in den ehemaligen deutschen „Schutzgebieten“ in Afrika (1884-1918) als konzeptioneller Zugriffspunkt. Die Hintergründe dieser umfangreichen kolonialwirtschaftlichen Aktivitäten des deutschen Kaiserreiches liegen in ihrer mikroökonomischen Genese, insbesondere für die beteiligten Bau- und Zuliefererunternehmen, die Bautätigkeit in den Kolonien selbst und ihre Wechselwirkung mit lokalen, regionalen und globalen Marktmechanismen noch weitestehend im Dunkeln. Denn entgegen der politischen Polemik („Die Flagge folgt dem Handel“) muss die herausragende „Erschließung“sfunktion von neuen Märkten in den Kolonien wie auch den Metropolen relativiert werden: Tatsächlich waren es Investitionsmaßnahmen für Infrastrukturbauten selbst, namentlich im Eisenbahnbau, die hervortraten. Angelehnt an neuere Konzepte etwa der globalen Mikrogeschichte gilt es im geplanten Forschungsvorhaben daher aus Sicht der Unternehmensgeschichte Schnittstellen von formellem und informellem Kolonialismus zu untersuchen: Zentrale Frage des Projektes ist, inwieweit der infrastrukturellen Ausbau als eigener Markt für Unternehmen des Kaiserreiches wahrgenommen wurde, um erst in zweiter Instanz seine erschließende Funktion (z. B. lokale Märkte, Export) zu bewerten. Operationalisiert wird dies anhand von drei großen Fragekomplexen, die sowohl das Engagement der Unternehmen selbst, als auch die Wechselwirkungen und Anpassungsstrategien im kolonialen Eisenbahnmarkt sowie die Interaktion von staatlichen Behörden und Privatwirtschaft in den Blick nehmen.

Bearbeitung: Nina Kleinöder

Dissertation "Prisms of Work – Labour, Recruitment and Command in German East Africa" (Rösser)

Anhand dreier Fallstudien im kolonialen Deutsch-Ostafrika – dem Bau der Zentralbahn (1905-1916), der Otto Plantage in Kilossa (1907-1916) und der paläontologischen Tendaguru Expedition (1909-1911) – untersucht diese globalgeschichtlich angelegte Studie das Phänomen Arbeit. Dabei stehen bisher vernachlässigte Akteur*innen und Akteursgruppen der Arbeit im kolonialen Kontext im Zentrum: deutsche Firmen und deren Personal, (süd(-ost))europäische Arbeiteranwerber und Eisenbahnbausubunternehmer, indische Facharbeiter sowie (qualifizierte) ostafrikanische Arbeitskräfte. Alle drei Orte der Arbeit stehen im Spannungsverhältnis zwischen dem 'Globalen' und dem 'Lokalen', Zwang und Freiwilligkeit, Maschinen- und Handarbeit, qualifizierter und einfacher Arbeit, Care- und Lohnarbeit sowie zwischen schwarz und weiß.

Bearbeitung: Michael Rösser

(eingereicht am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt, 04/ 2022)