Villa Spessa in Carmignano di Brenta (Veneto) – Die Bauornamentik im stilistischen Vergleich mit anderen Bauten der Terraferma und Venedig

Bearbeiter: Ina Gutzeit M.A.
Betreuer: Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling
Villa Spessa
Via Spessa 38/40
35010 Carmignano di Brenta (PD)
Provinz: Padua; Region: Veneto; Land: Italien

Projektbeschreibung

Die Masterarbeit als Abschlussarbeit des Studiengangs Denkmalpflege – Heritage Conservation der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Fachhochschule Coburg ist Teil eines interdisziplinären Projektes, welches sich mit dem vorpalladianischen, frühen Villenbau im Veneto auseinandersetzt und dessen Ziel es ist, die Traditionen im norditalienischen Villenbau und in der Anlage von ländlichen Adelssitzen von der Antike über das Mittelalter und die Renaissance bis heute zu untersuchen. Trotz zahlreicher Publikationen zum oberitalienischen Villenbau ist das wissenschaftliche Interesse an den Villen der Region Veneto relativ jung. Erst seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde man sich der kunsthistorischen Bedeutung und zugleich des mitunter beklagenswerten Zustandes vieler Villen bewusst. Das Forschungsprojekt bildet gewissermaßen eine Ausnahme in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Villenkultur des Veneto, da es sich mit so genannten vorpalladianischen Villen auseinandersetzt, wohingegen die überwiegende Zahl der Wissenschaftler und Autoren das Werk des Architekten Andrea Palladio in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt.

Thema der Masterarbeit ist die Ville Spessa – eine der am besten erhaltenen Villen des Veneto. Sie wurde am Ende des 15. Jahrhunderts errichtet. Während die Besitzergeschichte anhand von Akten lückenlos zurückzuverfolgen ist, liegen die Anfänge und die Baugeschichte der Villa weitestgehend im Dunkeln. Der Villa Spessa wurden weitere Masterarbeiten des Studiengangs gewidmet, welche mittels der klassischen Methoden der Bauforschung wie der genauen Aufnahme, der Befunddokumentation und der zeichnerischen Rekonstruktion der Bauphasen Aufschluss über die wechselvolle Baugeschichte der Villa bringen. Diese Arbeit konzentriert sich auf die Bauornamentik der Villa sowie den Vergleich mit anderen, in gleichem zeitlichem Rahmen entstandenen Villen der Terraferma, dem Hinterland der Lagunenstadt Venedig. Aufgabe war Aufnahme und Untersuchung die vorhandene Bauornamentik. Die Untersuchungen betrafen vor allem die Fenster- und Türgewände, Basen und Kapitelle. Dabei ging es vor allem darum, die Bauornamentik der Villa zu datieren, sowie eventuell einen Baumeister oder eine Werkstatt zu bestimmen.

Zur Aufnahme und Dokumentation der bauplastischen Teile an der Villa wurden zunächst die beiden Quadriforen an Nord- und Südfassade, einzelne Fenster und die Türen in einem Maßstab von 1:10 gezeichnet. Einzelne Details, wie die Basen und Kapitelle an den Quadriforen wurden im Maßstab 1:1 dargestellt. Um eine Aussage über die unterschiedlich gefertigten Rundstäbe an Fenster- und Türgewänden sowie zu Profilen machen zu können, wurden diese mit einem Profilkamm abgenommen und auf Karton übertragen. Des Weiteren wurden sämtliche Fenster und Träger von Ornamentik fotografiert. Dabei wurde mit zwei analogen Spiegelreflexkameras, Stativ und unterschiedlichen Objektiven gearbeitet.

Um den Villenbau des 15. Jahrhunderts in der Region Veneto besser zu verstehen und andere Bauten als Vergleichsobjekte zur Villa Spessa heranzuziehen, wurden ausgedehnte Fahrten in die Provinzen Vicenza, Padua und Treviso, sowie nach Venedig unternommen.

Nach einer ersten vorbereitenden viertägigen Studienreise gemeinsam mit

Dr. Martin Gaier vom Kunsthistorischen Institut der Universität Basel und      Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling vom Institut für Archäologie, Bauforschung und Denkmalpflege der Otto-Friedrich Universität Bamberg im Mai 2007, wurde ein Großteil der Arbeit während eines insgesamt siebenwöchigen Aufenthaltes vor Ort im norditalienischen Carmignano di Brenta durchgeführt.

Aufbau der Arbeit/Ergebnisse

Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Nach einer Einführung in die Kulturlandschaft der Terraferma und den Villenbau des 15. Jahrhunderts in dieser Region, folgt ein Kapitel zur Besitzergeschichte der Villa Spessa. Im dritten Kapitel wird die Typologie der Bauornamentik beschrieben und im vierten Kapitel schließlich erfolgt eine vergleichende Darstellung verschiedener Beispiele der Villenkultur auf der Terraferma, sowie die Vorstellung einiger Paläste in Venedig. Daran anschließend erfolgt der Versuch einer Datierung der Bauornamentik der Villa Spessa.

Das Anwesen Villa Spessa liegt in der Ebene des Flusses Brenta, zwischen Vicenza und Cittadella, ca. einen Kilometer westlich der Gemeinde Carmignano di Brenta, im Ortsteil Spessa. Administrativ zählt der Ort Carmignano di Brenta heute zur Provinz Padua, welche wiederum Teil der Region Veneto ist. Die Villa erhebt sich auf einem rechteckigen völlig ebenen Gelände. Auf dem Grundstück des Anwesens Spessa befinden sich aktuell neben der Villa selbst noch weitere Wohn- bzw. Wirtschaftsgebäude. Der rechteckige, zweieinhalbgeschossige Bau wird traufseitig erschlossen und trägt ein flaches Satteldach. Die glatten Fassaden werden von Fenstern gegliedert. Die Bauornamentik konzentriert sich auf die beiden auf der Süd- und der Nordfassade befindlichen Quadriforen und die Fenster des ersten Obergeschosses.

Nach der eingehenden Untersuchung und zeichnerischen Aufnahme der Bauornamentik der Villa Spessa, sowie einem Vergleich mit weiteren Villenbauten der Terraferma und Palästen in Venedig, konnte der besondere Charakter und die Bedeutung der Villa Spessa herausgestellt werden. Eine zweifelsfreie Datierung der bauornamentalen Teile war nicht möglich. Die Villa gilt heute als eine der bedeutendsten Villen der Terraferma, da sie in sich – bedingt durch die wechselvolle Besitzergeschichte – einerseits typische Merkmale einer Villa des 15. Jahrhunderts auf der Terraferma, andererseits auch Merkmale eines Venezianischen Stadtpalastes vereint. Eine weitere Besonderheit ist die qualitätvolle Bauplastik im Bereich der Quadriforen, die Reste einer wertvollen Fassadendekoration sowie der allgemein sehr gute Erhaltungszustand des Objektes.

Bedeutung für die Forschung/weitere notwendige Untersuchungen/Erhaltung

Für die Forschung bildet die Villa Spessa ein wichtiges Zeugnis für die Anfänge des Villenbaus sowie den Wandel der Villenkultur auf der Terraferma. Ihre Bedeutung begründet sich nicht in einem künstlerisch geschlossenem Eindruck oder der Stilreinheit, sondern in der Vielzahl der historischen Schichten und der Authentizität ihres Zeugniswertes, der wiederum ihren Denkmalwert ausmacht.

Trotz der umfangreichen Untersuchungen an der Villa Spessa, sind weitere Maßnahmen nötig, um die Baugeschichte dieses vielschichtigen Objektes zu klären. Dazu sind jedoch Freilegungen in gewissem Umfang nötig. Diese konnte im Rahmen der Masterarbeiten nicht vorgenommen werden. Auch wenn der momentane Zustand der ungenutzt leerstehenden Villa verhältnismäßig gut ist und sich die Schäden am Bauwerk in Grenzen halten, ist eine Nutzung und damit verbundene restauratorische Maßnahme in absehbarer Zeit wünschenswert.

I/2008