Forschungsprojekt des Quartals
Inhalt und Ziele
Unter Informations-Illusion wird im Kontext von Anlageentscheidungen verstanden, dass eine größere Menge an bereitgestellten Informationen bei Investorinnen bzw. Investoren zu einer Reduzierung der wahrgenommenen Unsicherheit bezüglich der Rendite- und Risikoerwartung führt, unabhängig davon, ob die zusätzlich bereitgestellten Information relevante Inhalte zur Anlageentscheidung enthalten. Langer et al. (1978) nennen solche Informationen ohne bewertungsrelevante Inhalte Placeboinformationen („placebic information“). Produktinformationsblätter z.B. zu Aktien oder Crowdinvesting für privaten Investoren in Deutschland enthalten zu großen Teilen Placeboinformationen.
Ziel des Projektes ist es, zu ermitteln, ob solche Produktinformationsblätter eine Informations-Illusion erzeugen. Hierzu wird untersucht, inwieweit Unterschiede in Informationsmenge und -inhalt die Rendite- und Risikoerwartung der Investoren beeinflussen und wie stark die Auswirkungen auf das Anlageverhalten und das Eingehen finanzieller Risiken ausfallen. Des Weiteren sollen Charakteristika der Investorinnen bzw. Investoren identifiziert werden, die sich auf die Rendite- und Risikoerwartung sowie das Auftreten einer Informations-Illusion und deren Ausmaß auswirken.
Methode
196 Studierende erklärten sich bereit, an einem Wettbewerb zu Aktienkursprognosen teilzunehmen. Im Zuge des Wettbewerbs war ein Fragebogen auszufüllen, um psychologische und soziodemografische Charakteristika der Teilnehmer zu erfassen. Außerdem gab jeder Teilnehmer jeweils eine Prognose für den Schlusskurskurs und den Kursverlauf von drei Aktien in drei Monaten ab. Zusammen mit den drei Aktien erhielten die Teilnehmer jeweils ein Produktinformationsblatt. Die drei Produktinformationsblätter unterschieden sich deutlich im Hinblick auf die Menge enthaltener Placeboinformationen. Alle Teilnehmer erhielten eine pauschale Vergütung. Die Teilnehmer mit der jeweils exaktesten Prognose pro Aktie haben den Wettbewerb gewonnen und erhielten ein zusätzliches Preisgeld. Außer den Kursprognosen musste ebenfalls angegeben werden, wie gut man sich durch die Produktinformationsblätter informiert fühlt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, ein Preisgeld im Wettbewerb zu gewinnen, und welchen Betrag man bereit wäre zu zahlen, um am Wettbewerb teilnehmen zu dürfen.
(Erste) Ergebnisse oder Zentrale Ergebnisse
Je mehr Placeboinformationen, desto besser fühlen sich die Teilnehmer informiert
Die Teilnehmer geben bei mehr Placeboinformationen an, mehr relevante Informationen erhalten zu haben (siehe Tabelle), obwohl die tatsächliche Menge relevanter Informationen gleichgeblieben ist. Dementsprechend schätzen die Teilnehmer Placeboinformationen fälschlicherweise als bewertungsrelevante Informationen ein. Das führt dazu, dass sich die Teilnehmer besser informiert fühlen, obwohl sie dies faktisch nicht sind.
Stock with No/Medium/High amount of placebic information | Perceived amount of relevant information |
No | 4.04 |
Medium | 5.19 |
High | 5.71 |
Sig. t-test | |
No vs. Medium | .000 |
No vs. High | .000 |
Medium vs. High | .000 |
Placeboinformationen haben keinen Einfluss auf die Aktienkursprognosen
Die Kursprognosen der Teilnehmer bezogen auf die Aktien mit keinen, einigen und vielen Placeboinformationen unterscheiden sich nicht signifikant voneinander. Es ergeben sich weder Unterschiede bezogen auf die erwartete Aktienrendite, das erwartete Aktienrisiko oder die erwartete Sharpe-Ratio. Auch ex-post betrachtet sind die Prognosen zu den Aktien mit einigen oder vielen Placeboinformationen nicht genauer. Dies zeigt nicht nur, dass die Menge an Placeboinformationen keinen Einfluss auf die erwartete Aktienkursentwicklung hat, sondern auch, dass die Placeboinformationen tatsächlich Informationen ohne relevante Inhalte sind. Placeboinformationen führen also zu einer Informations-Illusion.
Placeboinformationen haben einen signifikanten Einfluss auf die Erwartungen der Teilnehmer im Wettbewerb
Im Durchschnitt schätzen die Teilnehmer ihre Chance, ein Preisgeld zu gewinnen, als geringer ein, wenn ihnen die Aktien zusammen mit Placeboinformationen präsentiert werden. Trotzdem wären die Teilnehmer bei mehr Placeboinformationen zur Zahlung von höheren Teilnahmegebühren für den Wettbewerb bereit. Placeboinformationen wirken sich aber nicht auf alle Teilnehmer gleich aus: Teilnehmer mit überhöhtem Selbstvertrauen schätzen ihre Chancen auf den Gewinn eines Preisgeldes sowohl bei Aktien mit keinen, einigen und auch vielen Placeboinformationen etwa gleich hoch ein. Im Gegensatz dazu erwarten Teilnehmer mit geringem Selbstvertrauen bei mehr Placeboinformationen signifikant niedrigere Chancen auf einen Gewinn.
Gesellschaftliche Relevanz und Nutzungsmöglichkeiten der bisherigen Ergebnisse
Anlageentscheidungen privater Investoren sind sowohl für sie selbst als auch für die übrigen Teilnehmer an Finanzmärkten und die Stabilität der Finanzmärkte und des Finanzsystems von höchster Relevanz. Eine Informations-Illusion hat signifikante Auswirkungen auf die Anlageentscheidungen. Regulierung und Politik sollten die Ergebnisse des Projektes als Anlass nehmen, so zu regulieren, dass Produktinformationsblätter auf relevante Informationen fokussieren und Placeboinformationen vermeiden. Forscher sollten sich des asymmetrischen Einflusses von Placeboinformationen auf Personen mit geringem und überhöhtem Selbstvertrauen bewusst sein und in experimentellen Studien berücksichtigen.
Aktuelle Publikationen
- Oehler, A., Horn, M., Wendt, S. (2019), Information Illusion: Placebic Information and Stock Price Estimates
- 28th Global Conference on Business and Finance, Honolulu, Hawaii, January 6-8,2020
- 2019 Society for Judgment and Decision Making Conference, Montreal, November, 15-18, 2019
- Psychonomic Society 2019 Annual Meeting, Montreal, November, 14-17, 2019
- 88th International Atlantic Economic Conference, Miami, October 17-20, 2019
- 2019 Annual Meeting Academy of Financial Services, October 15-16, 2019, Minneapolis
- IAREP/SABE Conference, Dublin, September 1-4, 2019; Behavioural Finance Working Group Conference, London, June 6-7, 2019.